Die 2G-Regel für Gastronomie und körpernahe Dienstleister wirkt wie schon einige Corona-Maßnahmen zuvor: Sie spaltet. Schließlich sollen in Wien ab 12. November Ungeimpfte keinen Zutritt zu diesen Bereichen mehr haben.

Weit auseinandergehen etwa die Meinungen von Wiener Gastronomen. Entspannte Töne sind aus einem Lokal in Wien-Leopoldstadt zu vernehmen. "Bei uns sind etwa 90 Prozent geimpfte Leute", sagt der Leiter des Hauses. Was er aber fürchtet, ist eine 2G-plus-Regel, also eine Testpflicht für Geimpfte und Genesene: "Dann würde fast niemand mehr kommen."

"Kompletter Humbug", poltert hingegen ein Wirtshausbetreiber in Wien-Donaustadt. Gerade in der umsatzstärksten Zeit von Martini bis Weihnachten werde ein Drittel der Gäste ausgesperrt. Man habe bereits viele Reservierungen für Mitte November zum Ganslessen, dafür eingekauft und Personal eingeteilt. "Und jetzt weiß ich nicht, ob von zehn reservierten Plätzen dann drei nicht kommen, weil sie ungeimpft sind." Was ihn wundert: Ungeimpftes Personal dürfe bedienen, Gäste müssen aber immunisiert sein. "Wo ist da die Logik?", fragt der Gastronom, der sich von der Wirtschaftskammer nicht gut vertreten fühlt.

Frustriert

Dort ist so mancher von Jubelstimmung ebenfalls weit entfernt: "Es ist frustrierend" sagt der Fitnesscenterbetreiber und Vertreter der Branche in der Wirtschaftskammer Christian Hörl. Unkoordiniert, föderalistisch würde Österreich agieren: "Das Thema Corona ist leider ein politisches anstelle eines gesundheitspolitischen". Auch wenn die in der Branche prognostizierte Pleitewelle unter den 1200 Betrieben bislang ausgeblieben sei, in Wien hätten bereits 13 Prozent der Betreiber – oft Einzelkämpfer – aufgegeben.

Mit der 2G werde es zu einer weiteren Verschärfung kommen, ist Hörl überzeugt. Treffen würde es wohl verstärkt "Diskonter", die nach Hörls Einschätzung eher eine weniger impffreudige Kundenschicht ansprechen. Ohne Hilfen werde es nicht gehen, ist Hörl überzeugt. Der Fixkostenzuschuss, der vorerst bis Jahresende befristet ist, müsste anders gestrickt werden. In Deutschland etwa bekämen Betreiber diese Hilfe bereits bei einem Umsatzminus von 30 Prozent, hierzulande muss der Einbruch 50 Prozent ausmachen.

Gastronomen stellen sich schon einmal auf weniger Geschäft ein, wenn nur noch Geimpfte und Genesene eintreten dürfen.
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"Die Wiener Wirtschaft trägt 2G mit", ließ die Wirtschaftskammer Wien wissen. Die 2G-Regelung für Gastronomie und körpernahe Dienstleister stoße bei den betroffenen Unternehmen aufgrund der derzeitigen Lage auf Verständnis. Im Gegenzug fordert auch die Wiener Kammer Kompensation für die Betriebe ein: "Wenn rund 40 Prozent der potenziellen Kunden nun die Angebote und Dienstleistungen nicht mehr in Anspruch nehmen können, müssen dennoch die vollen Mieten und Löhne weitergezahlt werden."

Der Wiener Gastro-Obmann Peter Dobcak verweist darauf, dass nun die umsatzstärksten Wochen anstehen. Fielen diese Einnahmen weg, sei dies fatal für viele Unternehmen." "Die 2G-Regel bedeutet für uns weitere Verluste, hier muss der Bund einen Ausgleich schaffen", fordert auch der Wiener Friseurinnungsmeister Marcus Eisinger. Der Bund müsse für einheitliche Regeln und entsprechende Entschädigungen sorgen, fordert die Kammer.

Genau vor dieser einheitlichen Regelung graut es indes Wirten in den Bundesländern. "2G bringt nichts weiter als Probleme", sagt Christian Senn, Chef des Café Steh in Reutte in Tirol. Bereits jetzt würden sich die Gäste nicht mehr auskennen. "Viele rufen an und fragen, ob sie nach 22 Uhr überhaupt noch im Lokal bleiben dürfen", sagt er. Ab 20 Uhr sei nichts mehr los. "Gerade die Jungen haben sich mittlerweile zu Hause einen Partyraum eingerichtet und feiern daheim", sagt Senn.

Die Sommersaison verlief gut. Vor dem Winter ist einigen bang.
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"Wenn 2G kommt, werden 15 Prozent der Gäste ausbleiben", warnt auch Michaela Reitterer, Präsidentin der Österreichischen Hoteliervereinigung. Sie wünscht sich von der Regierung ein Update der Entschädigungsinstrumente vom Vorjahr und die Verlängerung des reduzierten Umsatzsteuersatzes.

Für die Buchungsentscheidung sei 2G aber ein Vorteil räumt Reitterer ein. Auch sie fordert eine einheitliche und längerfristige Regelung. Die Gäste hätten aufgrund der sich ständig ändernden Maßnahmen ein erhöhtes Informationsbedürfnis. Könne das nicht gestillt werden, "wird aus jeder Mücke ein Elefant".

Bundeseinheitliche Regeln erwartet auch Günther Platter. Der Tiroler Landeshauptmann gibt gemeinsam mit seinem Salzburger Pendant Wilfried Haslauer und Tourismusministerin Elisabeth Köstinger im Salzburger Leogang die Devise aus: Es wird eine Wintersaison geben.

Impffortschritt vorantreiben

Die drei ÖVP-Politiker sind angetreten, um der Tourismusbranche – und nicht zuletzt sich selbst – nach dem Ende der Landestourismusreferentenkonferenz im Pinzgau den Rücken zu stärken. "Einen Lockdown wird es mit ziemlicher Sicherheit nicht mehr geben", sagt Haslauer. Jetzt gehe es darum, den Impffortschritt inklusive des dritten Stichs voranzutreiben. Die Betriebe seien gerüstet, gibt man sich überzeugt – auch dafür, dass über kurz oder lang aus 2,5G eben 2G werde.

Es geht wieder steil bergauf – auch bei den Infektionszahlen.
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Drohenden Reisewarnungen – etwa aus Deutschland – sieht man mit Zweckoptimismus entgegen: "Das würde nicht bedeuten, dass geimpfte Gäste nicht kommen können", betont Haslauer. Köstinger richtet aus, dass Österreich "nichts davon hält, Nachbarländer als Hochrisikogebiet einzustufen". Für Gäste mit ungeimpften Kindern könne etwa ein Test vor der Abreise eine Möglichkeit sein, hierzulande Urlaub machen zu können.

Auch für Sputnik-Geimpfte soll es künftig möglich sein, mit Antikörpernachweis und Auffrischungsimpfung mit EMA-zertifizierten Impfstoff an den grünen Pass zu kommen. Wichtig sei dies vor allem für die häufig aus dem Osten kommenden Beschäftigten aus der Branche. Was die mit Jahresende auslaufenden Hilfen betrifft, so sei man in Gesprächen mit der EU-Kommission, ob es beihilfenrechtlich möglich wäre, diese zu verlängern, sagt Köstinger.

Sport wartet und verschärft

Veordnung abwarten und Tee trinken ist das Motto des organisierten Sports seit Beginn der Pandemiebekämpfung. Der Dachverband Sport Austria stellt jeweils auf Verordnungen des Bundes ab, zusätzliche Verschärfungen in den Bundesländern lassen Interpretationsspielraum.

Dass Wien die Stufe vier des Plans der Bundesregierung vorzieht, bedeutet, dass nahezu alle Veranstaltungen nur von Geimpften und Genesenen besucht werden können. Die Wiener Zuschauermagneten sind Kummer gewohnt, schon aufgrund der 3G-Regel kamen spürbar weniger Fans.

Rapid büßte aufgrund der 3-G-Regel gut ein Drittel seiner Zuseher ein.
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Rapid büßte gut ein Drittel seiner Zuseher ein, die Vienna Capitals beklagten ebenfalls einen dramatischen Einbruch bei verkauften Tickets. Verlustersatz oder ein neuer Ausfallsbonus sind nicht in Sicht. Allerdings gibt es auch Sportverbände die jede Verschärfung zur Vertrauensbildung begrüßen. So werden in der Bundesliga der Basketballer seit 1. November nur noch geimpfte Spieler eingesetzt.

Kultur ist eher erfreut

Auch im Kulturbetrieb ist mancher über 2G eher erfreut. Gerade die größeren Kulturbetriebe wie Burgtheater, Staatsoper und Volksoper hatten bereits bei Wiederöffnung darauf gehofft, dass die Wiener Stadtpolitik 2G anstatt 3G erlässt. Bundestheater-Chef Christian Kircher hatte erst im September die 2G-Regel als wünschenswert bezeichnet, da man so auch einen Beitrag zur Hebung der Impfbereitschaft in der Bevölkerung leisten könne.

Ein bisschen anders stellt sich die Situation wohl für kleinere Kulturbetriebe, vor allem mit Nähe zu Nachtgastronomie, Sub- und Jugendkultur, dar. Hier dürfte der Anteil an Getesteten doch wesentlich höher sein als in den hochkulturellen Einrichtungen. Auch hier könnte die Verschärfung aber dazu führen, dass die Impfbereitschaft wächst. Große Widerstände gegen die Verschärfung sind also nicht zu erwarten, die Mehrzahl der Kulturbetriebe hat ein hohes Interesse daran, Veranstaltungen möglichst sicher abzuwickeln.

Ob Kultur, Sport oder Tourismus: Die meisten dort Verantwortlichen teilen wohl die Ansicht von Ministerin Köstinger: "Die Bevölkerung ist Teil der Lösung." (Julia Beirer, Regina Bruckner, Alexander Hahn, Sigi Lützow, Stefan Weiss, 6.11.2021)