Svindal erzählt, dass es ihm zusetzte, als er sich den Film zum ersten Mal zu Gemüte führte.

Foto: APA/EXPA/JOHANN GRODER

"Viele Erinnerungen kommen zurück. Ich war in einigen Momenten froh, dass ich aufgehört habe."

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Kitzbühel am 23. Jänner 2016: Einen Tag nach seinem Sieg im Super-G auf der Streifalm kommt Aksel Lund Svindal bei der Abfahrt nach dem Sprung an der Hausbergkante schwer zu Sturz und kracht in die Fangnetze. Diagnose: Kreuzband- und Meniskusriss samt irreparablen Schäden im rechten Knie. Karriereende? Möchte man meinen. "Solange es möglich ist, solange keiner sagt, dass es unmöglich ist, so lange werde ich nicht aufhören", sagte sich Svindal, nachdem die Operation erfolgreich verlaufen war. Also kehrte der damals 33-jährige Norweger wieder zurück, gewann noch zwei Abfahrten und zwei Super-Gs und zudem Gold in der Olympiaabfahrt in Pyeongchang 2018. Letztlich musste er aber doch den Verletzungsfolgen Tribut zollen und verkündete just in Kitzbühel, wo er die klassische Abfahrt nie gewinnen konnte, seinen Rücktritt. Nach der Ski-WM in Åre 2019 beendete er mit 36 seine Karriere.

Die dramatischen Szenen und die Zeit der Ungewissheit nach dem Sturz sind Teil der Dokumentation Aksel – Die Geschichte von Aksel Lund Svindal, die ab 12. November in Österreich zu sehen ist. Mit zwei Gesamtweltcupsiegen, zwei Olympiasiegen, fünf Weltmeistertiteln und 36 Weltcupsiegen musste sich einer der erfolgreichsten Skirennfahrer nur zweieinhalb Jahre gedulden, bis ein Film über ihn erschien. Franz Klammer (Für die jüngere Generation: Kärntner Abfahrtsolympiasieger von 1976 in Innsbruck) musste nach seinem Rücktritt hingegen nahezu 37 Jahre ausharren, bis Chasing the Line in die Kinos kam.

Filmtoast

Auf Tuchfühlung

Aus rund 500 Stunden Filmmaterial ("Wenn ich den Film gemacht hätte, wäre ich eine Art Psychopath geworden") hat das Team von Field Productions um Regisseur Filip Christensen eine 110-Minuten-Doku (Deutsch und Norwegisch mit englischen Untertiteln) über Svindals Triumphe, sein Leben und Leiden gebastelt. Dafür wurden er, seine Familie und das norwegische Team von 2015 bis 2019 begleitet.

So brettert man etwa dank spektakulärer Aufnahmen förmlich mit zu Tal. Kameras auf Drohnen und an seinem Körper sowie etliche Mikrofone sorgen dabei für Authentizität. Oder man sieht Svindal, wie er in einem Osloer Krankenhaus nach der Knie-OP aus der Narkose erwacht und, noch nicht einmal klar bei Sinnen, bereits an sein Comeback zu denken beginnt. "Ich habe ja keine Wahl", sagt er im Film.

Der leidenschaftliche, mental starke und sensible Rennfahrer beginnt aber auch den Sinn seines Tuns zu hinterfragen, abzuwägen zwischen dem Streben nach Erfolg und dem Achten auf Gesundheit.

Der Film gewährt auch Einblicke in die frühen Jahre Svindals, der als Achtjähriger den Tod seiner Mutter verkraften musste. So entstand ein sehr persönlicher und emotionsgeladener Streifen, der auf authentische Weise das Wesen, das Denken und den unbändigen Willen eines der charismatischsten Skirennläufer beleuchtet. Svindal: "Ich hoffe, dass dieser Film nicht nur unterhalten und inspirieren, sondern auch hinter den Kulissen das Ausmaß dessen beleuchten kann, was es braucht, um ein Topathlet und in einem Team zu sein."

Der Zusammenhalt im norwegischen Team war legendär. Mit Aleksander Aamodt Kilde und vor allem Kjetil Jansrud pflegt Svindal eine enge Freundschaft. 100-prozentiges Vertrauen sei dafür Voraussetzung, sagte er. Das ging so weit, dass man dem Freund und Konkurrenten im Course-Report letztlich jedes noch so kleine Detail von der Strecke verriet, auch wenn es einen selbst den Sieg kosten konnte.

Im Wigl-Wogl

Seine schillernde Karriere hätte schon früher jäh zu Ende sein können, als er 2007 in Beaver Creek schwer gestürzt war. Ein Jahr später aber ging er ebendort wieder an den Start und gewann mit sechs Hundertsteln Vorsprung. "Dabei hat mein ganzer Körper geschrien, mach das nicht", erzählt Svindal im Film. "Aber eine zweite Stimme sagte, das ist ein Test, den du bestehen musst, wenn du weitermachen willst." Obwohl er sich dessen bewusst war, weitere Verletzungen zu riskieren, machte er weiter. "Lieber zu spät aufhören als zu früh und es dann bereuen." (Thomas Hirner, 8.11.2021)