Das Aufeinandertreffen von zweibeinigen und -rädrigen Verkehrsteilnehmern (hier auf einem frühsommerlichen Archivbild) kann zu Konflikten führen. In einem in Wien verhandelten Fall hat es aber wohl – unter kuriosen Umständen – ein schwereres Delikt verhindert.

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Wien – Jovan, Dengiz und Daniel könnten auch Protagonisten der John-Dortmunder-Reihe des US-Krimiautors Donald E. Westlake sein. Weniger aufgrund ihres besonders elaborierten Tatplans, sondern wegen der beinahe slapstickhaften Vorgänge, die die Ausführung eines Straßenraubes am 29. September verunmöglichten. Wegen derer sich die drei gebürtigen Österreicher im Alter von 20 bis 33 Jahren vor Richterin Daniela Zwangsleitner verantworten müssen.

Angeklagt ist von der Staatsanwältin als schwerstes Delikt ein "verbrecherisches Komplott". Die Geschichte beginnt mit einem Treffen von Jovan, zweifach vorbestraft, und dem unbescholtenen Dengiz. Man plante, einen Passanten zu überfallen, um an Geld zu kommen. Das Motiv: Geldnot. "Ich wollte nicht meiner Mutter oder meiner Frau mit meiner Drogensucht auf der Tasche liegen", erklärt der bald zweifache Vater Jovan dazu. "Ich machte den Blödsinn aus finanziellen Gründen – ich wollte mit meiner Familie nichts mehr zu tun haben, und das Amt gab mir nicht mehr Geld", antwortet Dengiz auf eine entsprechende Frage seines Verteidigers Thomas Preclik.

Gaspistole und Messer stets dabei

Zuvor besuchte man noch Daniel, den Drittangeklagten, um dort Benzodiazepine und Cannabis zu konsumieren und ihn auf den Raubzug mitzunehmen. Bezüglich eines möglichen Opfers oder Tatorts habe man keinen konkreten Plan gefasst, beteuert Jovan vor Zwangsleitner. "Was haben Sie mitgenommen?", will die Richterin wissen. "Ich gar nichts!", hört sie vom Erstangeklagten. "Geh bitte, da waren eine Gaspistole und ein Messer im Spiel!", zürnt die Richterin. "Ach so, ja", erinnert Jovan sich wieder. "Ich gebe zu, dass ich die trotz Waffenverbots fast jeden Tag bei mir hatte."

Bezüglich des Tatzeitpunkts hatte man schon eher Vorstellungen: Es sollte dunkel sein. Um sich die Zeit bis 18.38 Uhr, als die Sonne an diesem Tag in Wien hinter dem Horizont verschwand, zu vertreiben, wollte Daniel mit einem Fahrrad zu einer Tankstelle fahren, um drei Dosen Energydrinks zu stehlen, während die beiden anderen auf der Straße warteten. "Und plötzlich lief alles schief", fasste Dengiz bei der Polizei den weiteren Verlauf zusammen.

Verhängnisvolle berauschte Radfahrt

Der durch die Medikamente nach eigenen Angaben stark beeinträchtigte Daniel bewegte sich mit seinem Rad nämlich in Schlangenlinien auf dem Gehsteig fort – und überfuhr dort beinahe den angeleinten Hund eines 61-jährigen Passanten. Im Zuge des darauffolgenden Disputs über die StVO-konforme Benutzung eines Fahrrades versuchte Daniel dem Passanten mit der Faust ins Gesicht zu schlagen – streifte den zwar älteren, aber rund drei Köpfe größeren Mann dort aber nur. Vor Gericht bekennt der vierfach vorbestrafte Drittangeklagte, was der eigentliche Grund für die Attacke war: "Ich wollte weg, da das Fahrrad gestohlen gewesen ist."

Das schaffte Daniel, der im Gegensatz zu seinen beiden Mitangeklagten leugnet, etwas von einem geplanten Raub gewusst zu haben, auch. Auf dem Überwachungsvideos der Tankstelle ist dann zu sehen, wie er die drei Getränkedosen entwendet – sich aber Rubbellose kauft. "Das wusste ich gar nicht mehr, bis es mir die Polizei gesagt hat. Vielleicht wollte ich mit dem Gewinn die Red Bull kaufen?", kann er nur spekulieren.

Bei seiner Flucht halfen Jovan und Dengiz, die sich einmischten. Ersterer bedrohte mit seinem Messer den Hundebesitzer, damit der verschwinde, gibt er zu. Allerdings stieß ein 48-Jähriger dazu, der aus einem nahen Lokal die Szenerie beobachtet hatte. Da das Küchenmesser als Drohung nicht reichte, zückte der Erstangeklagte seine Gaspistole und repetierte, um den Neuankömmling zu vertreiben.

Phlegmatiker mit Zivilcourage

Dieser Mann, der optisch eine Ähnlichkeit mit Axel Prahl als "Tatort"-Kommissar Frank Thiel hat, schildert als Zeuge, dass er auch ein ähnliches Phlegma wie der fiktive Ermittler hat. "Als der Herr repetiert hat, habe ich auf gut Meidlingerisch auf meine Stirn gedeutet und gesagt: 'Genau do her, und an Schuss host!'" – "So sehr Ihre Zivilcourage zu loben ist, aber das war schon riskant", merkt die Richterin daraufhin an. Der Zeuge tut es mit einem Achselzucken ab – schließlich seien Jovan und Dengiz ja dann geflüchtet. Als sich diese bei ihm entschuldigen, nimmt er das an und hat einen Rat für das Duo: "Überlegts es eich beim nächsten Moi!"

Die Staatsanwältin hat noch eine Frage an den Erstangeklagten: "Sie haben vorher gesagt, Sie wollten Ihrer Mutter und Ihrer Lebensgefährtin nicht auf der Tasche liegen. Wem liegen Sie denn jetzt auf der Tasche?" – "Dem Staat", gesteht dieser zerknirscht ein. "Und wie wäre es mit Arbeiten?" – "Ich wurde schwer ausgebeutet", sagt er über seine kurze Tätigkeit bei einem Subunternehmen einer großen Handelskette.

Keine Therapie aus Angst vor Fernbeziehung

Die ambulante Entzugstherapie, die ihm das Gericht nach seiner bedingten Entlassung im Dezember befohlen hatte, hat er abgebrochen. Er habe aber den Plan gefasst, eine stationäre Behandlung zu absolvieren. "Warum haben Sie das nicht gemacht?", bohrt Zwangsleitner nach. "Es war die Angst, so lange von meiner Verlobten getrennt zu sein", entschuldigt er sich. "Jetzt wird es noch länger!", prophezeit ihm die Richterin angesichts seines Geständnisses.

Wegen der Teilnahme an einem verbrecherischen Komplott werden alle drei rechtskräftig verurteilt. Der Erste erhält 21 Monate unbedingt, dazu kommen die vier Monate aus der bedingten Entlassung. Der Zweitangeklagte, dessen umfassendes Geständnis bei der Polizei die Verurteilungen erst ermöglichte, erhält 18 Monate, davon drei unbedingt. Daniel schließlich fasst 20 Monate, drei davon ebenfalls unbedingt, aus. (Michael Möseneder, 10.11.2021)