Rektor Oliver Vitouch führt an der Uni Klagenfurt die 2G-Regel ein.

Foto: aau/Waschnig

Ab Mittwoch gilt an der Alpen-Adria-Universität in Klagenfurt für Studierende und Lehrende die 2G-Regel. Es dürfen also nur noch Geimpfte und Genesene die Gebäude betreten. Darüber informierte Rektor Oliver Vitouch in einer Mail am Wochenende. Ausnahmen gibt es für Prüfungen, die in Präsenz stattfinden müssen. Zudem sind, analog zu den 2G-Regeln im Bund, Übergangsfristen vorgesehen.

Vitouch beruft sich darauf, dass die Impfung "auf strikt wissenschaftlicher Basis das beste Präventionsinstrument" gegen die Pandemie sei. DER STANDARD hat mit Vitouch darüber gesprochen, wie und warum es zu diesem Rektoratsbeschluss kam und wie er mit Kritik daran umgeht.

STANDARD: An der Universität Klagenfurt gilt ab Mittwoch die 2G-Regel. Warum?

Vitouch: Die Infektionszahlen steigen dramatisch, und die Intensivstationsbelegungen ziehen nach. Während Kärnten in früheren Phasen der Pandemie besser dastand, ist dies nun aus mehreren Gründen nicht mehr der Fall. Die Impfquote in Kärnten ist bescheiden. Jene der Studierenden liegt an unserer Uni mit Stand Ende September bei 75 Prozent. Das ist zwar im Vergleich zu den Altersreferenzgruppen fantastisch, aber aus epidemiologischer Sicht viel zu wenig. Außerdem gehen die Infektionszahlen in Slowenien momentan durch die Decke, und man muss ein Stückweit auf grenzüberschreitende Effekte aufpassen. 20 Prozent unserer rund 12.000 Studierenden sind international. Wir kommen auch nicht mehr mit dem Contact-Tracing nach. Es ist also Gefahr in Verzug. Deshalb war die Frage: Stellen wir wieder auf reinen Online-Betrieb um, was für die Uni de facto ein Lockdown wäre? Oder versuchen wir es mit einem anderen Weg? Am Freitagabend hat dann die Bundesregierung gemeinsam mit den Landeshauptleuten die Maßnahmen verschärft. Ein Schlagsatz dabei war: Wo bisher 3G galt, gilt nun 2G. Wenn man das konsequent umsetzt, führt das zu unseren jetzigen Vorgaben.

STANDARD: Warum die Kurzfristigkeit?

Vitouch: Das Wissenschaftsministerium hat jeden Freitag einen Jour fixe mit Hochschulvertretern. Es wäre hilfreich gewesen, wenn wir dabei erfahren hätten, dass die Bundesregierung die Maßnahmen verschärft. Also entweder hat das Ministerium selbst noch nicht gewusst, was bei den Beratungen herauskommt, oder hat es uns nicht mitgeteilt. Es ist immer schwierig, Ankündigungen von Freitagabend übers Wochenende bis Montagfrüh umzusetzen. Ich dachte, das hätten wir hinter uns. Dazu muss man wissen: Unis haben eine rechtliche Sonderrolle und waren bisher stets von den Covid-Verordnungen ausgenommen. Das Rektorat muss trotzdem verantwortungsvolle Entscheidungen treffen.

STANDARD: Wie war das Feedback auf die neuen Regeln?

Vitouch: Es gab die ganze Palette. Auf der einen Seite habe ich einen regelrechten Shitstorm abbekommen, auf der anderen breite Unterstützung für einen, ich zitiere, mutigen und verantwortungsvollen Schritt. Von den Lehrenden kamen übrigens fast ausnahmslos positive Rückmeldungen. Und in einer Pandemie kann man als Rektor nicht Everybody's Darling sein, sondern muss manchmal unpopuläre Entscheidungen treffen.

STANDARD: Die FPÖ Kärnten sprach in einer Aussendung davon, dass "man diese Form der Ausgrenzung nicht tolerieren dürfe". Was entgegnen Sie?

Vitouch: Die 2G-Regel bedeutet nicht, dass jemand sein Studium nicht fortsetzen kann. Ungeimpfte Studierende können nicht an Präsenzveranstaltungen teilnehmen. Es gibt aber Ausnahmen, etwa eine vierwöchige Übergangsfrist. Bei Prüfungen gilt entweder die 2,5G-Regel oder man muss stattdessen etwa eine Seminararbeit verfassen. Mir ist klar, dass die Fronten verhärtet sind, aber letztlich ist es eine Güterabwägung, was zumutbar ist und was nicht. Wir stehen an einem Scheideweg. Wir hatten die große Hoffnung, dass uns die vierte Welle erspart bleibt. Jetzt trifft sie uns heftiger als gedacht. Nun ist die Frage, wie es für die Gesellschaft weitergeht, ohne von einem Lockdown in den nächsten zu schlittern.

Und die Impfung ist das beste Instrument dafür, die Pandemie zu verkürzen. Darüber gibt es einen klaren wissenschaftlichen Konsens. Gleichzeitig habe ich aus wissenschaftlicher Sicht noch kein gutes Argument gehört, warum die Impfung so schlimm sein soll, dass man sie ablehnt. Diese unangenehmen Wahrheiten muss man manchmal deutlich aussprechen. Vernunft und Verantwortungsbewusstsein wird man von angehenden Akademikern in erhöhtem Ausmaße erwarten dürfen. Die Forderung nach einem Grundrecht auf Unvernunft teile ich nicht. Als Nächstes diskutieren wir dann darüber, ob eine Winterreifenpflicht zumutbar ist oder nicht, wenn sich jemand mit Sommerreifen wohler fühlt. Es geht nicht nur um das Individuum, sondern das soziale Miteinander. Selbst wenn mein Risiko, schwer an Covid zu erkranken, bei null läge, würde ich mich impfen lassen.

STANDARD: In Ihrer Mail an die Studierenden haben Sie sich auf die "strikt wissenschaftliche Basis" berufen und geschrieben: "Jene, die all das kategorisch von sich weisen, müssen beizeiten beginnen, darüber nachzudenken, ob eine Universität das Richtige für sie ist." Die ÖH-Vertretung Ihrer Uni spricht sich zwar für die Impfung aus, kritisierte aber die Vorgehensweise des Rektorats und dass dieses sich kein Urteil darüber erlauben dürfe, "wer an eine Universität gehört und wer nicht. Eines ist ganz klar, Bildung ist für alle da." Was sagen Sie dazu?

Vitouch: Wir haben uns nach dem 25. Oktober auf eine 2,5G-Regel geeinigt. Darüber hat auch unsere Vizerektorin für Lehre mit der ÖH gesprochen. Diesmal war es sehr kurzfristig, das stimmt. Wir haben am Montagvormittag mit dem ÖH-Vorsitz gesprochen und werden dies auch fortsetzen. "Bildung für alle" ist ein beliebter ÖH-Kampfbegriff, der so aber nicht zutrifft. In der Praxis braucht man die Matura oder Studienberechtigung und muss andere Zulassungshürden nehmen. Im Studium braucht man positive Noten. In einer Pandemie haben Unis einen meinungsbildenden Auftrag. Wir sollten den Anspruch haben, auf der Höhe der Wissenschaft zu sein und nicht vereinzelten Internetmeinungen zu folgen. Oder wie Karl Kraus sagte: In zweifelhaften Fällen entscheide man sich für das Richtige.

STANDARD: Für Universitätspersonal, das keine Präsenzlehre anbietet, gilt 2,5G bis Anfang 2022. Was passiert, wenn die Betroffenen bis dahin nicht geimpft sind? Sind Sie rechtlich abgesichert?

Vitouch: Die Regeln sind genauso gut oder schlecht abgesichert, wie die Lockdowns in den vergangenen Semestern. Ob in der aktuellen Pandemielage 2G eine unsachliche Differenzierung ist, müssten letztlich Gerichte entscheiden. In den USA gibt es Höchstgerichtsurteile, die eine Impfpflicht an Unis als verfassungskonform sehen. Ausgerechnet im Land of the Free, das Liberalismus, Grundrechte und Selbstbestimmung so hochhält. Aber man will eben das Campusleben ermöglichen. Wir ermutigen alle, sich impfen zu lassen. Für reine Bürokräfte gibt es eine längere Übergangsfrist bis 10. Jänner. Danach müssten wir Leute ins Homeoffice schicken, und dann wäre die Frage, ob das ein auf Dauer tragbarer Zustand wäre. Das müssen wir arbeitsrechtlich prüfen. Es wird wohl Sanktionen oder Nachteile geben. Vielleicht hat sich ja die Pandemielage bis dahin gebessert – die Hoffnung stirbt zuletzt.

STANDARD: Sie haben gesagt, dass ungeimpfte Studierende ihr Studium fortsetzen können. Ist bei Ihnen alles leicht auf Hybrid- beziehungsweise Online-Lehre umstellbar?

Vitouch: Ich hoffe, dass sich unsere Lehrenden in den vergangenen drei Semestern ein gutes Repertoire an Technik und Möglichkeiten erarbeitet haben, um Formen der Teilnahme einzuräumen. Es liegt an ihnen, wie sie es umsetzen. Das ist beileibe nicht ohne für sie, aber es wird Wege geben. (Andreas Gstaltmeyr, 9.11.2021)