Raphaela Scharf behauptet, von ihrem Ex-Chef, Wolfgang Fellner, begrapscht worden zu sein. Der "Österreich"-Chef verliert seine Unterlassungsklage nicht rechtskräftig in erster Instanz.

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Die Klage des "Österreich"-Herausgebers Wolfgang Fellner gegen seine Ex-Mitarbeiterin Raphaela Scharf ist in erster Instanz abgewiesen worden. Das erstinstanzliche Urteil des Arbeits- und Sozialgerichts Wien liegt dem STANDARD vor und ist nicht rechtskräftig. Fellner hat Scharf auf Unterlassung der Behauptung geklagt, er habe sie bei einem Fotoshooting im Mai 2019 begrapscht.

Das Gericht hielt fest, dass eine der beiden Parteien die Unwahrheit sagen muss, aber nicht festgestellt werden könne, welche. "Im gegenständlichen Verfahren konnte weder der inkriminierte Griff auf das Gesäß der Beklagten durch den Kläger noch der Vorwurf der bewussten Lüge der Beklagten bewiesen werden", heißt es im Urteil. Gleichzeitig habe es keine Gründe gegeben, an Scharfs oder an Fellners Glaubwürdigkeit zu zweifeln.

In einem Teil des Urteils wurde die Vorsitzende Richterin Andrea Mayrhofer etwas allgemeiner. Eine Unterlassungsklage solle keinesfalls dazu dienen, sexuell Belästigten "den Mund zu verbieten".

Rami: "Großer Erfolg"

Fellner sprach in einer Aussendung von einem "salomonischen Urteil" und kündigte Berufung an. Das Urteil ist somit nicht rechtskräftig. Eine von Fellners Anwältinnen, Kristina Venturini, sagte, dass Fellner vom Vorwurf der sexuellen Belästigung "eindeutig freigesprochen" worden sei.

Scharfs Anwalt Michael Rami sprach von einem "großen Erfolg gegen einen mächtigen Verleger". Das Gericht habe sich von der Stimmung, die Fellner verbreitet habe, nicht beirren lassen. Rami forderte eine Entschuldigung Fellners für sein Verhalten.

Erstes Urteil

Dieses nicht rechtskräftige Urteil ist das erste in der Belästigungscausa, das nicht die Medienberichterstattung Fellners über die laufenden Verfahren betrifft. Scharf arbeitete als Moderatorin bei Oe24.tv und wurde im Mai 2019 von Fellner fristlos entlassen, nachdem sie Vorwürfe der sexuellen Belästigung erhoben hatte. In einem anderen noch anhängigen Verfahren geht sie gegen die Entlassung vor.

Klage eingeschränkt

Fellner schränkte die Unterlassungsklage Ende Mai auf den konkreten mutmaßlichen Vorfall beim Fotoshooting ein. Das mutmaßliche Verhalten Fellners bei den zuvor stattgefundenen Abendessen mit seiner Ex-Mitarbeiterin und seine Whatsapp-Kommunikation mit ihr standen somit nicht mehr im Zentrum des Verfahrens.

Das Gericht urteilte auch über die Glaubwürdigkeit der geladenen Zeugen. Keiner habe den mutmaßlichen Vorfall unmittelbar wahrgenommen. Das bedeute aber nicht, dass der mutmaßliche Griff auf das Gesäß nicht stattgefunden habe, führt das Gericht aus. Die Tathandlung wäre in Sekundenschnelle ausgeführt, selbst aufmerksame Beobachter der Szene hätten diese nicht wahrnehmen müssen. Zudem sei es zu Körperkontakt zwischen Fellner und Scharf während des Shootings gekommen, weil Fellner sich sehr dicht neben und teilweise auch hinter Scharf gestellt habe.

Ob eine absichtliche Berührung des Gesäßes stattfand, konnte nicht festgestellt werden. Die beiden Aussagen Fellners und Scharfs seien als "einzig aussagekräftiges, unmittelbares Beweismittel" verblieben. Weil beide "als gleich glaubwürdig" erachtet wurden, wies das Gericht das Unterlassungsbegehren ab.

Zeugin "authentisch"

Das Gericht schenkte auch jener anderen Frau Glauben, die im Verfahren als Zeugin von einem "Klapser" auf ihr Hinterteil durch Fellner berichtete. Die Schilderungen seien "überaus authentisch" gewesen.

Als für das Verfahren wenig von Relevanz bewertete das Gericht den Akt jener Frau, die Fellner im Jahr 2016 in Paris sexuell bedrängt und belästigt haben soll. Fellner bestritt damals jedwede Belästigung und erstattete Gegenanzeige wegen Verleumdung. Beide Ermittlungsverfahren wurden mangels Beweisen eingestellt.

Weiteres Verfahren

Am Donnerstag wird vor dem Straflandesgericht Wien ein weiterer Vorwurf der sexuellen Belästigung gegen Fellner verhandelt: Seine Ex-Mitarbeiterin Katia Wagner klagt ihn wegen übler Nachrede, da er ihre Anschuldigungen, über die DER STANDARD berichtet hatte, als "frei erfunden" bezeichnete. (Laurin Lorenz, 8.11.2021)