Elvis beim Haarschneider.

Foto: imago/Cinema Publishers Collecti /Cinema Legacy Collection/The Hollywood Archive

Als der König starb, war ich acht Jahre und neun Tage alt. Ich erinnere mich gut an diesen heißen Sommertag. Am Abend flimmerten bunte Bilder vom letzten Weg des Elvis Presley über den großelterlichen TV-Schirm. Die Farbtupfer waren Blumenkränze und ebenso zahlreich wie die verheulten Gesichter der Menschen rund um Graceland.

Ich hatte keine Ahnung, wer da in einem Leichenwagen zu einem Mausoleum gekarrt wurde. Die Großmutter meinte: "Ich mochte ihn lieber als die Beatles." Opa nippte an seinem Achterl Kalterer See und strich über seinen schneeweißen Bart.

Sein Ende war also mein Anfang. Mit ihm. Schon bald war Elvis mit mir und seinem Mystery Train abgefahren. Binnen kurzer Zeit wurde ich zu seinem Fan, Jünger und alles sammelnden Ministranten, der Schilling für Schilling für die nächste LP sparte, bis ich wieder die nötigen 160 zusammenhatte. Irgendwann waren es dann 130 LPs. Sie drehen sich noch immer und sind mein Schatz. Rille für Rille.

Von Graceland nach Wien

An Elvis’ Grab in Memphis habe ich es bis heute nicht geschafft. Doch vor drei Monaten hatte ich meine erste leibhaftige Begegnung mit dem King, auch wenn das für Nicht-Elvis-Fans etwas übertrieben klingen mag. An meinem Geburtstag, ziemlich genau 44 Jahre nach Elvis’ Tod, hielt ich Ihn in Händen. Irgendwie. Ein kleines bisschen wenigstens.

Meine Liebste schenkte mir ein Haar vom King, das den weiten Weg aus dem Internet und von den USA nach Wien hinter sich hatte, wo Elvis sich zeitlebens nie blicken ließ. Bis zu diesem Tag. Irgendwie. Okay, es ist nicht seine Tolle, auch keine Strähne, aber es ist ein Haar vom König des Rock ’n’ Roll! Ob es echt ist?

Auf dem Kärtchen mit dem Haar steht geschrieben, dass es von Elvis’ Friseur Homer "Gil" Gilleland in Graceland abgeschnitten wurde. Angeblich machte der schon Elvis’ Eltern Gladys und Vernon die Haare. Bei meinem Haar handelt es sich um eine Limited Edition, no na, schließlich wachsen Haare nicht ewig. Es trägt die Nummer 114/200. Auf der Rückseite des eingeschweißten Billets aus dem "EP Museum" gäbe es auch einige Worte von Homer Gilleland zu lesen, wären sie nicht so krakelig geschrieben.

Das kostbare Stück.
Foto: Seywald

Nun ist natürlich jedem bekannt, dass Elvis’ Haupt-Friseur eigentlich Larry Geller hieß, aber man muss kein Superstar sein, um dann und wann den Friseur zu wechseln. Das kommt auch bei unsereins vor. Aber lassen wir diese Haarspaltereien, hierbei handelt es sich nicht um einen investigativen Artikel, sondern um ein Glaubensbekenntnis an ein Haar.

Was das Härchen gekostet hat? Ich möcht’ schon bitten, es handelt sich um ein Geschenk. Ich bin stolz und happy über diese Spur zum König und halte sie in Ehren. Sie ist in jedem Fall eine bessere Reliquie als eine Unterhose von Tom Jones, wie mein irischer Freund Austin sehr trocken konstatierte.

Nixon und Nancy

Stellen Sie sich nur vor, vielleicht hat Ursula Andress dieses Haar im Film Fun in Acapulco gekrault, bevor Elvis todesmutig und fesch frisiert vom Felsen in die Fluten sprang. Vielleicht sahen über eine Milliarde Menschen inklusive mir dieses Haar bei der Satellitenübertragung der Show Aloha from Hawaii am 14. Jänner 1973. Sie wissen schon, das ist jener legendäre Auftritt, an dessen Ende er sein Cape in die kreischende Menge schleudert.

Das Cape wäre auch eine Reliquie. Und was für eine! Eventuell ist mein kleines Heiligtum auch ein haariger Zeitzeuge von Elvis’ Begegnung mit Muhammad Ali oder mit Richard Nixon im Oval Office. Oder jener mit Nancy Sinatra, deren Papa Elvis gern als Schwiegersohn gesehen hätte.

Zweifelhafte Genforscher

Und wenn es doch nicht echt ist? Trotz beiliegendem Zertifikat eines gewissen Mr. Jeremy Pearce, der sich Eigentümer des "EP Museum" nennt! Von der Farbe her könnte das Härchen auch vom Popo unseres Katers Karl stammen. Vielleicht wurde es vom Fußboden eines räudigen Frisiersalons in Memphis aufgekehrt. Dann wäre es wenigstens ein Haar aus Elvis’ Heimatstadt. Oder hat sich der Friseur gar selbst das Haar ausgezupft? Nun, es wäre immerhin ein Haar von Elvis’ Friseur.

Würde es wirklich jemand übers Herz bringen, einen Elvis-Fan, der seiner Ikone ewige Treue schwor und an deren Todestag eine schwarze Armbinde trägt, zu bescheißen? Papperlapapp. Es ist mir egal, für mich ist dieses Haar echt. Schluss, aus, fertig! Ich glaube daran und summe Elvis’ Gospelsong "I Believe".

Größere Sorgen bereiten mir zweifelhafte Genforscher, die vielleicht auf der Suche nach Elvis’ Haaren sind, um aus deren DNA einen neuen Elvis zu klonen. Mein Haar kriegen sie nicht, denn es kann nur einen König geben. Und der "has left the building". Dann schon lieber ein Härchen von Kater Karl. Davon habe ich mehr als genug. (Michael Hausenblas, RONDO exklusiv, 8.1.2022)