3.000 Workshops zu Extremismusprävention werden finanziert.

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Kurz nach dem islamistischen Terroranschlag in der Wiener Innenstadt 2020 traten der damalige Bundeskanzler Sebastian Kurz und Innenminister Karl Nehammer (beide ÖVP) vor die Presse. Eine Botschaft zog sich dabei durch die Statements: Die Gesellschaft müsse jetzt zusammenstehen. "Unser Feind sind niemals alle Angehörigen einer Religionsgemeinschaft, niemals alle Menschen, die aus einem bestimmten Land kommen", sagte etwa Kurz. Und Nehammer: "Kein Terroranschlag wird es schaffen, dass unsere Gesellschaft gespalten wird."

Es war eine Botschaft, die für manch politischen Beobachter in dieser Deutlichkeit durchaus überraschend war. Es war aber auch eine Botschaft, die bereits wenige Tage später stark in den Hintergrund rückte. Im Vordergrund standen in den Monaten danach vor allem strafrechtliche Verschärfungen im Rahmen des Antiterrorpakets; erinnert sei hier etwa an den neuen Straftatbestand bezüglich religiösen Extremismus oder die Öffnung des Maßnahmenvollzugs für Terroristen.

Workshops mit Experten

Erst in zweiter Linie kam man in der Öffentlichkeit auf Deradikalisierungsprogramme zu sprechen, und überhaupt sehr selten auf Maßnahmen, die der Vorbeugung von Radikalisierung dienen sollen. Acht Millionen Euro sollen in den nächsten drei Jahren zusätzlich für Radikalisierungsvorbeugung in die Hand genommen werden – das wurde bereits vergangenes Jahr beschlossen. Zwei Millionen Euro werden auf den Bildungsbereich entfallen, der Rest wird auf Sozialprojekte, Projekte in Sportvereinen und Familienberatungsstellen aufgeteilt.

Nun werden nach und nach konkrete Projekte präsentiert. So gab das Bildungsministerium kürzlich bekannt, dass 3.000 Workshops zum Thema Extremismus an Schulen finanziert werden. Externe Fachexperten sollen an Schulen kommen und Kurse im Umfang von etwa drei bis vier Stunden abhalten. Starten soll das Projekt nächstes Semester. Man müsse "konsequent gegen radikale Tendenzen vorgehen", sagte Bildungsminister Heinz Faßmann (ÖVP).

Es ist eine Initiative, die dem grünen Koalitionspartner wichtig ist. In einem Hintergrundgespräch betonte Sibylle Hamann, Bildungssprecherin der Grünen, das "konstruktive Arbeitsverhältnis" mit dem Bildungsministerium, das Projekt trage zudem eine "starke grüne Handschrift". Es gehe darum, "Resilienz gegen extremistische Ideologien herzustellen, Ausgrenzung zu verhindern und Hetzern den Boden zu entziehen".

Die Workshops sollen von NGOs durchgeführt werden, die Qualitätssicherung übernehmen das Institut für Rechts- und Kriminalsoziologie an der Uni Innsbruck (IRKS) und die Beratungsstelle Extremismus. Derartige Workshops sind keine Premiere, sie fanden an einzelnen Schulen schon bisher statt. Neu ist aber, dass künftig sowohl die Organisation als auch die Kosten für interessierte Schulen entfallen.

Sanfter Druck

Verpflichtung für die Durchführung der Workshops gibt es keine. Man sei sich darüber im Klaren, dass die, die sich freiwillig für derartige Projekte melden, nicht immer die seien, die es am dringendsten brauchen würden, meint Hamann. Deshalb sei es schon denkbar, dass Bildungsdirektionen bei einzelnen Schulen die Durchführung anregen.

Ebenso aufgestockt sollen "mobile interkulturelle Teams" werden, die bereits jetzt an Schulen unterwegs sind. Diese kümmern sich um psychosoziale Hilfe und sind insofern indirekt auch für Extremismusprävention von Relevanz. Diese werden mit sieben Millionen Euro vom Bund gefördert, genauso viel kommt jeweils noch von den Ländern und aus einem EU-Projekttopf.

Was den Sozialbereich betrifft, sind vorerst grobe Eckpunkte bekannt: Finanziell abgesichert werden soll etwa das Angebot von Traumabewältigungstherapie für Menschen mit Kriegs- und Gewalterfahrung – ein Bereich, der seit Jahren mit geringen Mitteln haushalten muss. Ausgebaut werden sollen zudem Familienberatungsstellen sowie entsprechende Projekte im Vereinssport. (Vanessa Gaigg, 8.11.2021)