Die Preisträgerinnen Raphaela Edelbauer (li.) und Anna Albinus am Montagabend.

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Wien – Zum sechsten Mal wurde am Montagabend der Österreichische Buchpreis für das beste Buch des Jahres eines österreichischen oder hier lebenden Autors sowie für das beste Debüt vergeben. Der Hauptpreis (20.000 Euro) ging dabei an Raphaela Edelbauer für Dave. Die 31-jährige in Wien geborene und lebende Autorin war vor zwei Jahren schon einmal mit ihrem Erstling Das flüssige Land über mangelnde Nazi-Vergangenheitsbewältigung in der Alpenrepublik nominiert gewesen.

Dass sie neben Sprachkunst an der Angewandten auch Philosophie studiert hat, merkt man ihren Büchern an. Furios halsbrecherische Ansätze zeichnen Edelbauers Schreiben aus: Im Kern jedes Buches platziert sie mindestens ein philosophisches Interesse, das sie mit Lust am Formulieren und Fabulieren erforscht und ausgestaltet.

Im Zentrum von Dave (Anfang dieses Jahres als Spitzentitel bei Klett-Cotta erschienen) steht eine gleichnamige Künstliche Superintelligenz. Sie steckt zwar noch in der Entwicklungsphase, Klimawandel und Wassermangel haben die Erde aber schon weitgehend unbewohnbar gemacht, verbliebene 118.998 Menschen wohnen in einer Art Labor. Technologie und Philosophie verschmelzen in dem Science-Fiction-Roman zur sozialen Dystopie. "Der Weg zu einer schmerzlosen und total vernünftigen Gesellschaft nach dem Ebenbild des Computers führt durch Überwachung und Repression", lobte die Jury den Text.

Fleißige Schreiberin

Sie nehme sich nicht sonderlich viel Zeit zwischen ihren Büchern, weil es ihr im Leben am meisten Spaß mache, zu schreiben, erklärte Edelbauer nach der Verkündung. Sie versuche aus jedem Buch etwas zu lernen und an den Aufgaben zu wachsen. So hatte sie den Gewinner-Roman schon früher einmal begonnen und wieder abgebrochen, weil sie noch nicht das literarische Rüstzeug dafür hatte, erklärte Edelbauer einmal dem STANDARD.

Seither hat Edelbauer offensichtlich dazugelernt und schon einige Preise gesammelt. Darunter für ihr Prosadebüt Entdecker 2018 den Rauriser Literaturpreis und im selben Jahr beim Bachmannpreis den Publikumspreis. Mit Das flüssige Land war sie 2019 zudem für den Deutschen Buchpreis nominiert. Eigentliches Ziel ist aber der Büchner-Preis, wie Edelbauer auf Twitter kundtut.

Zur APA sagte Edelbauer nach der Preisverleihung, es sei "ein Preis, der mir sehr viel bedeutet. Ich habe heute sehr gelitten und mir nie gedacht, dass ich den Preis gewinne." Ihr nächster Roman? Soll im Frühjahr 2023 erscheinen und Die Inkommensurablen heißen, erklärte sie weiter. "Er spielt am Vorabend des Ausbruchs des Ersten Weltkriegs in Wien und handelt von drei Jugendlichen, die bei der selben Psychoanalytikerin in Behandlung sind und parapsychologische Phänomene an sich wahrnehmen. Sie verbringen in diesem Freudentaumel bzw. dieser Weltuntergangsstimmung am Tag bevor Deutschland in den Krieg einsteigt in der Wiener Unterwelt die Nacht".

Mit dem Revolver ans Ziel

Auf der Shortlist für den nun vergebenen Österreichischen Buchpreis hatten indes auch Daniela Chana (elegant, knapp und voller überraschender Wendungen: Neun seltsame Frauen), Anna Baar (fordernd und mit leuchtenden Sätzen: Nil), Olga Flor (blickt in die Abgründe österreichsicher Mentalität: Morituri) und Ferdinand Schmalz (sehr lustig in kunstvoll gedrechselter Umgangssprache: Mein Lieblingstier heißt Winter) gestanden.

Den Debütpreis (10.000 Euro) durfte Anna Albinus für ihre fantasyhafte Kriminalgeschichte Revolver Christi (Foto.Tapeta) rund um den titelgebenden Revolver, der bei einer Ausstellung zur Tatwaffe wird, entgegennehmen. Die 1986 geborene Mainzerin lebt in Wien. Sie setzte sich damit gegen Anna Felnhofer (Schnittbild) und Clemens Bruno Gatzmaga (Jacob träumt nicht mehr) durch. Die Jury lobt darin Zeit- und Ortssprünge sowie: "Alles ist möglich in dieser Geschichte, deren Ende sich jeder Eindeutigkeit verweigert".

Der Österreichische Buchpreis wird seit 2016 vom Kulturministerium, dem Hauptverband des Österreichischen Buchhandels und der Arbeiterkammer Wien vergeben. 101 Titel aus den Bereichen Belletristik, Essay, Lyrik und Dramatik wurden diesmal von 51 Verlagen für den Hauptpreis eingereicht; 21 Titel waren um den Debütpreis im Rennen. Vergangenes Jahr hatten Xaver Bayer (Geschichten mit Marianne) und Leander Fischer (Die Forelle) gewonnen. (wurm, 8.11.2021)