Laut einer neuen Studie würden sich 90 Prozent der befragten Zivildiener retrospektiv wieder für den Wehrersatzdienst entscheiden.

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"Der Zivildienst ist unersetzbar." Diesen Schluss zog Zivildienstministerin Elisabeth Köstinger (ÖVP) aus einer Studie, die am Non-Profit-Organisations-Kompetenzzentrum der Wirtschaftsuniversität Wien im Auftrag des Ministeriums erstellt wurde. Dabei versuchten die Forscherinnen und Forscher unter der Leitung von Christian Grünhaus, den gesellschaftlichen und ökonomischen Nutzen des Zivildienstes zu ermitteln.

Nachhaltiger Einstieg ins Ehrenamt

Gegenübergestellt wurden dabei zwei Szenarien: einerseits die Beibehaltung der jetzigen Form des Zivildienstes und andererseits seine Abschaffung. Für beide Szenarien wurden die Kosten/negative Wirkungen den Leistungen/positiven Wirkungen – etwa durch Arbeitsstunden – gegenübergestellt. Diesen Berechnungen zufolge steigt das Szenario mit Zivildienst um 679 Millionen Euro jährlich besser aus. Details zur Rechnung hier in der Studie zum Download:

Die ökonomischen Vorteile sind laut der Studie allerdings nahezu ausschließlich – konkret 630 Millionen Euro – auf den sogenannten "Ehrenamtseffekt" zurückzuführen. Dieser entsteht, weil viele Zivildiener sich nach Ableisten ihrer neunmonatigen Pflicht weiter in ihren Einrichtungen engagieren und somit soziale Leistungen samt ökonomischem Gegenwert als Freiwillige erbringen. Rund 30 Prozent der Zivis blieben im ersten Jahr unmittelbar nach dem Dienst weiter an Bord, nach zehn Jahren seien im Schnitt noch 18 Prozent als Ehrenamtliche tätig. Grünhaus erblickt darin einen "nachhaltigen Einstieg in das Ehrenamt" – in zehn Jahren würden dadurch 4,3 Millionen zusätzliche Stunden geleistet.

Soziale Entwicklung

Ministerin Köstinger argumentierte, dass mithin ein Wegfall des Zivildienstes "massive Zusatzkosten" bei Ländern und Gemeinden nach sich zöge, weil neben den Zivildienern selbst auf längere Sicht auch die Zahl der Ehrenamtlichen schrumpfen würde. Aber würden sich nicht auch ohne verpflichtenden Zivildienst Männer in ihren jungen Jahren freiwillig engagieren? Dazu meinte Grünhaus, man wisse aus der Ehrenamtsforschung, dass die Mobilisierung äußerst schwierig sei. Mit Werbekampagnen könne man da etwa kaum reüssieren.

Für die Studie wurden 12.000 Zivildiener des Jahres 2019 angeschrieben, rund 3.000 Fragebögen kamen zurück und konnten ausgewertet werden. Zudem wurden die Antworten von 732 Zivildiensteinrichtungen analysiert. Demnach gaben mehr als 70 Prozent der Zivildiener an, durch ihre Tätigkeit mehr soziale Kompetenzen, Resilienz und Toleranz entwickelt zu haben.

Keine Reform bei Geld und Dauer

Rund ein Drittel der Zivildiener monierte jedoch, dass sie mit dem Gehalt ihre Lebenserhaltungskosten nicht decken können und etwa auf die finanzielle Hilfe der Eltern angewiesen sind – und das bei einer durchschnittlichen Wochenarbeitszeit von 43 Stunden. An eine Erhöhung der monetären Vergütungen denkt die Ministerin dennoch nicht, wie auf Nachfragen bei der Pressekonferenz deutlich wurde. Derzeit bemühe sie sich aber, dass Zivildiener das neue Klimaticket für die Öffis obendrauf bekämen.

Festhalten will Köstinger an der um drei Monate längeren Dauer des Zivildienstes im Vergleich zum Wehrdienst. Das System habe sich bewährt, zumal Zivildiener in den neun Monaten auch Zusatzqualifikationen erwerben könnten, zum Beispiel als Sanitäter.

Teiltaugliche ab Mitte 2022 im Dienst

Derzeit entscheiden sich rund 14.000 junge Männer pro Jahr für den Zivildienst, das ist rund die Hälfte der Tauglichen. Zu Jahresbeginn hat die Regierung die Kategorie der Teiltauglichkeit eingeführt. Laut Köstinger wurden seither bei den Stellungskommissionen 200 teiltaugliche Männer registriert, die als Zivildiener fungieren werden. Ihren Dienst sollen sie Mitte 2022 beginnen. (ta, 9.11.2021)