Othmar Bajlicz in seinem Club, dem Chelsea. Den gibt es seit 35 Jahren. Die Aufnahme ist 15 Jahre alt, aber er sieht immer noch gleich aus.

Foto: Fischer

Die Institution manifestiert sich in der Erscheinung ihres Gründers. Betrachtet man Othmar Bajlicz, so scheint die Zeit stillzustehen: schwarzes Sakko, kleines Wohlstandsbäuchlein, schwarze Haare, immer alles im Blick. So, wie er heute ausschaut, sah er eigentlich immer aus. Er würde jetzt Einspruch erheben und von seiner aktiven Zeit reden, jener, als er als Fußballer zum Beispiel Meister mit Wacker Innsbruck wurde.

Aber seit er 1986 im achten Bezirk das Chelsea aufgesperrt hat, sieht er weitgehend unverändert aus. Dass er ein Mann der Langstrecke ist, beweist auch sein Club. Das alte Chelsea in der Piaristengasse war in einem Wohnhaus untergebracht. Im dortigen Keller spielten in den ersten Jahren Bands wie Soundgarden, Die Goldenen Zitronen, Die Toten Hosen und dutzende andere. Doch das konnte ob der beträchtlichen Lautstärke mit den hochwohlgeborenen Lodendamen vom ersten Stock nicht lange gutgehen. Auch die Burschenschaft ums Eck sah sich in ihrer Kulturpflege irritiert.

Wiederauferstehung am Gürtel

Im September 1994 sperrte das Chelsea zu – um am 8. Juni 1995 in drei Gürtelbögen Wiederauferstehung zu feiern. Damals wurde mit EU-Geldern der vom Rotlicht geprägte Wiener Gürtel umgestaltet, das Chelsea war der erste Club, der sich in der einst verruchten Nachbarschaft einnistete und seit damals mehr als einen Puff überlebt hat. Bis heute zählt das Chelsea dort zu den erfolgreichsten und beliebtesten Treffpunkten für ein vornehmlich studentisches Publikum und jene, die das in den letzten 35 Jahren einmal waren und vom bürgerlichen Leben nur unzureichend domestiziert wurden.

Othmar Bajlicz war einer der Ersten in der Stadt, die den Bedarf an Livemusik und Nachbesprechung bei entsprechender Verköstigung erkannten und zufriedenstellten. Er kannte das von vielen Besuchen in England, so etwas wollte der Musikfan auch in Wien. Und egal ob ein Konzert in seinen Räumen stattfand oder, sagen wir, draußen in der Szene Wien, später wurde im Chelsea nachbesprochen, zu Musik von DJs – noch so ein Novum, das das Chelsea mitkultiviert hat. Nicht selten war es zur Sperrstunde draußen schon hell, nicht selten wusste man am Abend nichts Genaueres über den Heimweg.

Musikmagazin und DJ-Lines

Über die Jahre wurde das Chelsea zur kulturellen Institution, mit dem Chelsea Chronicle leistete sich Bajlicz einige Jahre lang sogar ein eigenes Musikmagazin; wie viele Konzerte bei ihm stattgefunden haben, weiß er wohl selbst nur noch ungefähr. Seit Jahren bespielt er den Club erfolgreich mit wechselnden DJ-Lines (da ist etwa der 80s-Club von DJ Ant mit 20 Jahren Laufzeit ebenfalls ein Rekordhalter in der Stadt) und einer Grundversorgung mit europäischem Fußball auf mehreren Großbildschirmen. EM und WM sowieso.

Zum 35. Geburtstag gibt es eine Reihe von Konzerten: Den Auftakt macht am Mittwoch der britische Punk-Veteran T. V. Smith, an den nächsten Tagen folgen Konzerte von Acts wie Bulbul, Franz Fuexe, eine Honigdachs-Labelnight mit Fate, Kizmet & MDK sowie Kardinator, Gigs von Austrofred, Clara Luzia, Attwenger, Skero & BumBumkunst und anderen mehr.

Programm genug, um den alten Gedächtnislücken ein paar neue hinzuzufügen. Prost. (Karl Fluch, 9.11.2021)