Die Grüne Wirtschaft ortet in den Werbeausgaben der Wirtschaftskammer Imagepolitur für deren Präsidenten Harald Mahrer und die ÖVP.

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Wien – Die diversen Wirtschaftskammerorganisationen in Österreich gaben im ersten und zweiten Quartal 2021 rund 7,5 Millionen Euro für Werbeschaltungen aus. Und die Wirtschaftskammer Österreich investiert vor allem in den Boulevard und bei Ö3, obwohl die Unternehmerinnen und Unternehmer andere Medien bevorzugen würden, kritisiert die Grüne Wirtschaft. Deren Bundessprecherin, Sabine Jungwirth, sieht das Problem in erster Linie bei Wirtschaftskammer-Präsidenten Harald Mahrer. Er würde "die Kammergelder für Selbstdarstellung und Imagepolitur" nutzen. Die Wirtschaftskammer weist die Kritik zurück.

Die Grüne Wirtschaft hat anhand der Medientransparenzdatenbank analysiert, welche Medien im ersten Halbjahr 2021 zum Zug gekommen sind, und konstatiert bei den Schaltungen ein "krasses Missverhältnis" zwischen Boulevard- und Qualitätsmedien – vor allem bei den Werbegeldern der Bundeswirtschaftskammer WKÖ.

Ö3 und Boulevardmedien

So hat die Wirtschaftskammer Österreich (WKÖ) im ersten und zweiten Quartal insgesamt 2,66 Millionen Euro in Werbung investiert, wovon fast 900.000 Euro an den ORF flossen und hier speziell an Ö3 (730.000 Euro). Die drei größten Boulevardmedien Österreichs, "Kronen Zeitung", die Mediengruppe Österreich und "Heute", erhielten laut Aufschlüsselung der Grünen Wirtschaft rund 794.000 Euro.

Zum Vergleich: Im STANDARD wurde im ersten Halbjahr 2021 um 50.560 Euro geworben, in der "Presse" um 58.000 Euro, in den "Salzburger Nachrichten" um 32.500 Euro. In der Wiener Stadtzeitung "Falter" wurde weder von der Bundesorganisation noch auf Länderebene ein Inserat geschaltet.

Grafik: Grüne Wirtschaft

Die Grüne Wirtschaft hat die Werbegelder in Relation zum Mediennutzungsverhalten der Selbstständigen sowie der Unternehmerinnen und Unternehmer gesetzt. Die Daten der Reichweitenanalyse (Print, Radio, TV) unterteilt nach Berufsgruppen hätten ergeben, dass Selbstständige bzw. Unternehmer überdurchschnittlich oft Qualitätszeitungen konsumieren.

Wo sich Unternehmer informieren

Zum Beispiel lesen laut Erhebung der Grünen Wirtschaft nur drei Prozent der Unternehmer die Gratiszeitung "Heute", die Wirtschaftskammer inserierte dort jedoch allein im ersten Halbjahr um fast 200.000 Euro. Ähnlich sei das Bild in Bezug auf die Mediengruppe Österreich: Während nur 3,3 Prozent der Unternehmer "Österreich" konsumieren, inseriert die WKÖ dort über 130.000 Euro, so die Grüne Wirtschaft. Den STANDARD und die "Presse" würden mit 10,7 Prozent bzw. 6,8 Prozent weit mehr Unternehmerinnen und Unternehmer lesen.

"Selbstdarstellung und Imagepolitur" Mahrers

Sabine Jungwirth, die Bundessprecherin der Grünen Wirtschaft, sagt: "Die Gelder werden nicht dort hingelenkt, wo sich die Unternehmerinnen und Unternehmer informieren, sondern es wird vor allem in den Boulevard investiert." Finanziert durch die Pflichtmitgliedsbeiträge, pumpe die Wirtschaftskammer jedes Jahr "enorme Summen" in Inserate, und: "WKÖ-Präsident Harald Mahrer nutzt wieder einmal die Kammergelder für die Selbstdarstellung und Imagepolitur sowie zur einseitigen Beeinflussung der Öffentlichkeit zur Unterstützung seiner ÖVP-Parteifreunde."

Wirtschaftskammer: Mediaagentur schaltet und waltet

Die Wirtschaftskammer Österreich weist die Kritik, dass der Boulevard bevorzugt werde, auf STANDARD-Anfrage zurück: "Die WKÖ hat einen Rahmenvertrag mit der Mediaagentur Mediacom und vergibt Schaltungen nach den Kriterien Thema, Dialoggruppen, Reichweite, Conversions und Content – selbstverständlich stets unter Einhaltung der Bestimmungen des Medientransparenzgesetzes." Die werblichen Aktivitäten würden darauf abzielen, "Unternehmertum in Österreich zu stärken, den Konsum anzukurbeln – was speziell in der Corona-Krise von Bedeutung war und ist – und die Mitgliedsbetriebe über Service-, Förder- und Bildungsangebote sowie die aktuelle Rechtslage zu informieren".

Bei den hohen Summen für Ö3 und den Boulevard handle es sich um Aktionen, "die auf die Unterstützung stark von der Corona-Krise getroffener Betriebe abzielen, etwa um Menschen zum Besuch der Gastronomie oder von Kinos bzw. Events zu motivieren". (omark, 9.11.2021)