29 Euro sind das Mindestgebot für die St. Laurent Reserve 2018. 30 bin ich bereit zu zahlen. Allerdings in xDai. Was das ist? Keine Ahnung.

Foto: screenshot cryptowine.at

Die niederösterreichische Landwirtschaftskammer hat ein Unternehmen gegründet, bei dem man mittels Blockchain Non-Fungible Token (NFT) von Weinen ersteigern kann. Mit Kryptowährungen. Bitte hören Sie jetzt nicht gleich auf zu lesen, nur weil diese Worte da stehen! Mir geht es doch genauso: Sobald ich "Krypto" oder "Blockchain" lese, weckt das mein Desinteresse. Vor allem, weil Unternehmen gerne auf diese trendenden Konzepte zurückgreifen, ohne dass es einen erkennbaren realen Nutzen dafür gibt.

Aber man soll sich selbst und seine Vorurteile ja immer hinterfragen, besonders als Journalist. Vielleicht ist Cryptowine.at, so heißt die Seite, ja tatsächlich revolutionär. Setzt die ganze Blockchain-Sache, die – so meine Vermutung – niemand wirklich versteht, wirklich sinnvoll in der Weinbeschaffung ein. Und irgendwann erzählen wir unseren Urenkeln, wie wir damals Wein gekauft haben. Ohne Krypto! Verrückt.

Wir kaufen ein NFT von einem Wein

Ich starte also einen Selbstversuch: Ich versuche, auf cryptowine.at eine Flasche Wein zu ersteigern. Das soll so ablaufen: Man bietet Geld für eine Flasche Wein. Wenn es genug ist, bekommt man ihn, er wird aber in einem Lager in Parndorf aufbewahrt, bis man ihn bestellt. Laut Website handelt es sich um "prämierte Spitzenweine aus Österreich mit großem Reifepotenzial und langer Lagerfähigkeit".

Wobei: Genau genommen kauft man einen NFT des Weins. Ein NFT ist ein technisches Konzept, das die Einmaligkeit eines Produkts garantiert: In letzter Zeit werden vor allem digitale Bilder gerne als NFT verkauft. Irgendjemand hat zum Beispiel Nyan Cat, eine animierte Katze aus dem Internet, für 590.000 Dollar gekauft. Ohne wirklich irgendetwas davon zu haben.

Ein NFT von Nyan Cat gehört jetzt jemandem, der nichts davon hat.
Nyan Cat

Der perfekte Weinzeitpunkt

Bei Cryptowine soll das anders sein, weil man das NFT der ersteigerten Weinflasche irgendwann gegen das echte Ding tauschen kann – idealerweise dann, wenn die Expertinnen und Experten von Cryptowine Bescheid geben, dass nun der optimale Trinkzeitpunkt für den Wein gekommen ist. Das bezieht sich aber nur auf die Weinqualität, nicht auf die Lebenssituation des Trinkenden.

Bis dahin gehört einem jedenfalls nur das NFT, damit kann man aber in der Cryptowine-App jede Menge Spaß haben. "Der Kunde kann sich mit nur wenigen Klicks seine Weine jederzeit ansehen, sortieren, liefern lassen oder sogar verschenken", erklärt Johannes Schmuckenschlager, Präsident der niederösterreichischen Landwirtschaftskammer, in einer Aussendung.

29 Euro Mindestgebot

"Wir gestalten hier einen digitalen Österreich-Weinkeller für alle", sagt Martin Karner, der Geschäftsführer von Cryptowine, zum STANDARD. Man verbinde "Weingenuss mit moderner Blockchain-Technologie". Man könne sich als Sammler tolle, seltene Weine schon jetzt sichern und trinken, wenn sie besonders gut sind. "Das ist ja der Vorteil: Ich kann mir jetzt für die Zukunft Weine sichern, die ich in zwei, drei Jahren nicht mehr bekomme", sagt Karner. Und dank der NFT-Technologie könne man sie auch leicht verschenken oder mit ihnen handeln.

Nun zur Praxis. Ich habe auf der Website die Wahl zwischen drei verschiedenen Weinen: Einen Riesling Sekt 2016, Startgebot 49 Euro. St. Laurent Reserve 2018, Startgebot 29 Euro. Eine rote Cuvée von 2015, Startgebot 69 Euro. Ich befinde mich zwar am Beginn meiner Krypto-Weinhändler-Karriere, bleibe meinen gewohnten Kriterien beim Weinkauf aber treu und wähle die billigste Variante, die St. Laurent Reserve ab 29 Euro.

Ich klicke auf den Fuchs, weil ich Füchse mag

Ein Button verlangt von mir: "Einloggen, um fortzufahren". Ein Klick darauf bringt die nächste Aufforderung: "Mit Metamask verbinden". Ich weiß nicht, was Metamask ist, aber das darüberschwebende Logo ist ein Fuchs, und der ist mir sympathisch, also klicke ich auch darauf.

Es stellt sich heraus, dass Metamask so etwas wie ein allumfassendes Geldbörsel für Kryptowährungen ist. Oder so. Ganz habe ich es nicht verstanden, aber dafür bin ich auch nicht da. Würde ich Kryptowährungen verstehen, wäre ich längst auf einer Party und würde einem gelangweilten Menschen sehr ausführlich davon erzählen.

Kreditkartendaten? Hier bitte, unbekannte Website

Ich installiere also Metamask in meinem Browser. Was kann schon schiefgehen? Der Fuchs sitzt neben der Adresszeile, jetzt würde ich gerne Wein kaufen. Cryptowine will aber etwas anderes von mir: "Hol dir xDai auf ramp.network" steht da jetzt. Was soll ich mir wo holen? Wieder einmal kenne ich mich nicht aus. Mich beschleicht der Verdacht, dass ich wirklich nicht die Zielgruppe für dieses Angebot bin. Zum Glück sind gute Webseiten heute so gebaut, dass man auch ohne viel Ahnung weiß, wo man klicken muss, um zu bekommen, was man will – und so finde ich mich bei Ramp irgendwie zurecht.

Ramp scheint so etwas wie eine Wechselstube für Kryptowährungen zu sein. Oder zumindest für xDai. xDai ist, das verrät mir Google, eine Kryptowährung, die an den US-Dollar gekoppelt ist. Ich weiß, dass ich 29 Euro für das Mindestgebot brauche, also wechsle ich diese Summe in xDai. Ich gebe meine Kreditkartendaten ein (auch hier: Was kann schon schiefgehen?), klicke mich durch den Prozess, und Ramp teilt mir höchst erfreut mit, dass die Transaktion geklappt hat.

Zu wenig xDai

Jetzt kann ich also Wein kaufen! Ich wechsle wieder rüber auf cryptowine.at. Da steht aber immer noch: "Hol dir xDai auf ramp.network". Ich bin verwirrt und schaue in mein Metamask-Börsel. Doch da ist nichts. Panik macht sich in mir breit: Habe ich meine Kreditkartendaten irgendeinem Betrüger in einer Clickfarm auf den Philippinen geschickt, der damit jetzt Schabernack treibt? Wo sind meine 29 Euro oder meine 33,27 xDai? Wie soll ich jetzt zu meinem Kryptowein kommen?

Das Geld ist nicht weg, das ist alles, was Sie wissen müssen. Der Weg dorthin führte über viele Google-Suchanfragen, Reddit-Foren und FAQ-Seiten, aber am Schluss konnte ich meine wertvollen xDais in meine Metamask importieren. Der letzte Rest an Vergnügen, den mir mein Weinkauf bereiten sollte, ist nun verflogen. Gleichzeitig stecke ich jetzt auch schon zu tief drin. Ich fühle mich wie ein Hacker, der illegale Aufträge für einen Geheimdienst erledigt und nicht mehr aussteigen kann, weil die Agenten zu viel über ihn wissen. Einen Laptop und einen Kapuzenpulli habe ich schon.

Liebe Buchhaltung ...

Jetzt kann ich aber wirklich meinen Wein kaufen. Dachte ich. Doch Cryptowine fordert mich immer noch auf, mir xDai zu besorgen. Ein Blick auf meine Rechnung zeigt mir, dass ich genau 29 Euro bezahlt, aber nicht den genauen Gegenwert in xDai erhalten habe: 2,50 Euro hat die Transaktion gekostet. Ich kaufe also mit ein paar Euro extra-xDai. Wieder mit 2,50 Euro Gebühren. Das wird ein interessantes Gespräch mit der STANDARD-Buchhaltung.

Jetzt klappt es tatsächlich. Ich biete 30 Euro für die St. Laurent Reserve, ein Euro über dem Mindestgebot. 90 Flaschen davon werden auf Cryptowine versteigert. Die Höchstbietenden erhalten die NFTs. Alle bezahlen dabei das niedrigste erfolgreichste Gebot – vielleicht ist das ja meines. Auktionsende ist am Donnerstag.

Kommen bald Kryptomehl und Kryptokuh?

Bald soll auf Cryptowine ein größeres Angebot an Weinen zur Verfügung stehen. In Zukunft, erzählt mir Karner, könnte man das Angebot sogar noch auf andere landwirtschaftliche Produkte ausdehnen. Kryptokäse also? Kryptomehl? Eine Kryptokuh? Karner denkt eher an wertvolle Schnäpse.

Eine andere Neuerung kommt schon mit dem neuen Jahr, sagt Karner: Ab Jänner soll man auch einfach mit Kreditkarte bezahlen können. Ohne xDai, Metamask und den ganzen Kryptostress. Damit erreiche man dann auch Leute, "die überhaupt nichts mit Krypto am Hut haben – die weinaffin sind und es cool finden, wenn sie ihren digitalen Österreich-Weinkeller zusammenstellen können". Das hat er mir leider erst nach meiner nervenaufreibenden Angebotslegung gesagt. (Sebastian Fellner, 10.11.2021)