Powerautorin! Raphaela Edelbauer publiziert seit 2009, seit 2017 macht sie rasant Karriere. Neuerdings ist sie zudem Magistra der Philosophie.

Foto: Victoria Herbig

Raphaela Edelbauer nimmt ihre Arbeit als Schriftstellerin sehr ernst. Das zeigt sich etwa daran, dass sie ihre Zeit am liebsten schreibend verbringt, oder daran, dass sie am Tag nach dem Gewinn des Österreichischen Buchpreises für ihren Roman Dave (Anfang des Jahres bei Klett-Cotta erschienen) über eine künstliche Intelligenz zeitig im Flieger von Wien zurück nach Mülheim an der Ruhr sitzt, wo sie gerade Stadtschreiberin ist. Wir erreichen sie unterwegs.

STANDARD: Sie hatten keine lange Nacht zum Feiern eingeplant?

Edelbauer: Ich habe auch nicht mit dem Preis gerechnet.

STANDARD: Warum nicht?

Edelbauer: Weil Dave ein komplexes Buch ist. Das Buch ist zwar sehr erfolgreich bei Leuten, die diese Form der Literatur mögen, aber dass fünf Leute in einem Raum sitzen und sich dafür entscheiden, ist noch einmal etwas anderes.

STANDARD: Was ist "diese Form der Literatur"?

Edelbauer: Dave hat etwas an sich, das die meisten als Science-Fiction beschreiben. Auch wenn ich mir da nicht ganz so sicher bin.

STANDARD: Sie sind nicht mit der Absicht ans Werk gegangen, Science-Fiction zu schreiben?

Edelbauer: Es war eher umgekehrt, die Fragestellungen, die mich bei der Arbeit interessiert haben, haben einfach in dem Genre gespielt: Was ist das Bewusstsein? Wird es jemals künstlich zu reproduzieren sein oder nicht?

STANDARD: Sie haben "Dave" über zehn Jahre immer wieder überarbeitet, weil Ihnen anfangs das Handwerkszeug gefehlt hat, den Roman zusammenzuhalten. Wo mussten Sie dazulernen?

Edelbauer: Eigentlich überall. Aber Figurenkonzeption ist nicht meine Stärke und wird auch nie meine Stärke sein, weil es einfach nicht mein Fokus ist. Wichtiger ist mir, dass ich nicht 20-mal dasselbe Buch schreibe, nur weil ich das schon kann. Mein nächstes Projekt wird wieder extrem anders.

STANDARD: "Die Inkommensurablen" soll 2023 erscheinen. Ihre Bücher bündeln immer philosophische Ideen. Worum wird es diesmal gehen?

Edelbauer: Es geht um das Verhältnis von Einzelpsyche und Massenpsyche am Vorabend des Ersten Weltkriegs. Im Zentrum steht die Frage, was eine Idee ausmacht und wie sie massenpsychologisch wirksam wird. Dieser soziale Aspekt interessiert mich sehr. Gerade jetzt, da es wegen Corona zu – man könnte schon fast sagen – Massenhysterien kommt.

STANDARD: Woher kommt eine solche Buchidee?

Edelbauer: Keine Ahnung, das kommt einfach, und meist habe ich den Plot dann als Ganzes im Kopf. Ich nehme an, solche Ideen sind das Ergebnis von viel Arbeit, die in andere Texte fließt, oder sie tauchen auf, wenn beim letzten Projekt Fragen offengeblieben sind. Für das nächste Buch hatte ich die Idee, als ich in Irland in einer Tropfsteinhöhle war und mich diese Formationen beeindruckt haben. Aber das ist dann nur der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen bringt. Mineralien sind solche Sachen, die mich schon als Kind interessiert haben und wo ich schon als Jugendliche Notizen gemacht habe.

Raphaela Edelbauer

STANDARD: Ihre Interessen sind extrem breit gefächert, von Mnemotechnik bis zu Videospielen.

Edelbauer: Videospiele sind die am meisten unterschätzten Medien für die Kunst. Dahinter steckt so viel narratives Potenzial und zeitgenössische Art, Stoffe zu bearbeiten!

STANDARD: Wie sieht Ihr Schreiballtag aus?

Edelbauer: So, dass alle zwei Jahre ein Roman entsteht. Dazwischen schreibe ich aber noch anderes und eigentlich zu viel, weil ich Probleme habe, zu Aufträgen Nein zu sagen. Ich werde aber Lesungen einschränken. Ich möchte die Qualität meiner Literatur steigern und kann dabei nicht ständig herumfahren.

STANDARD: Was bedeuten große Preise so früh?

Edelbauer: Ich finde es beruhigend, dass man solche Preise auch ganz am Anfang einer Karriere bekommen kann. Dass es der Österreichische Buchpreis ist, freut mich besonders. Denn einerseits will man eine grantige Schriftstellerin sein, die auf Österreich schimpft, trotzdem ist man froh, in der literarischen Tradition wahrgenommen zu werden.

STANDARD: Ihr Ziel ist ja der Büchner-Preis ...

Edelbauer: Ich habe gerne unerreichbare Ziele. Diese Egotrips, wie Euros zu zählen oder sich zu überlegen, wie viele Bücher man in den letzten Tagen verkauft hat, finde ich kleinlich. Außerdem habe ich über kurzfristige Erfolge keine Kontrolle. Da hilft die Vogelperspektive. Ich kann nur sturschädelig weiterarbeiten. (Michael Wurmitzer, 10.11.2021)