Nach der politischen Schlappe der Grazer FPÖ bei der Wahl im September, für die sie einmal mehr mit vielerorts kritisierten, menschenverachtenden Plakaten warb, folgen Rücktritte und ein Finanzskandal, der die Partei in Schockstarre hält.

Foto: der Plankenauer

Seit Wochen beuteln Enthüllungen um mögliche Extragagen und eine fragwürdige Verwendung von Klubfördermitteln die Grazer FPÖ. Und die Partei kommt nicht zur Ruhe. Am Montag wurde durch einen Artikel der Kleinen Zeitung bekannt, dass der Ex-Klubdirektor und Finanzreferent der Stadtpartei "mehrere 100.000 Euro aus öffentlichen Fördermitteln für persönliche Zwecke verwendet" haben soll. Er hat am Freitag Selbstanzeige erstattet und trat aus der FPÖ aus.

In einer Aussendung dazu schreibt der freiheitliche Landesparteiobmann Mario Kunasek, dass der Mann bereits ein umfassendes Geständnis abgelegt habe, zudem habe er die Summe auf ein Konto der Staatsanwaltschaft Graz überwiesen, um den entstanden Schaden zu tilgen. Das Geld soll von dem Beschuldigten über rund zehn Jahre abgezweigt worden sein. Für Kunasek sei es oberstes Ziel, die "Vorwürfe restlos aufzuklären und den tatsächlich entstandenen Schaden zu ermitteln".

Der mutmaßliche Missbrauch von öffentlichem Geld war auch der Grund, warum sich Ende Oktober Noch-Vizebürgermeister Mario Eustacchio und Klubobmann Armin Sippel zurückzogen und auf ihre Mandate in der kommenden Legislaturperiode verzichten. Es sollen mit Klubförderungen, die vom Geld der Steuerzahler finanziert werden, Extragagen bezahlt worden sein.

Ominöser Verein

Darunter jene für Sippel, der beim FPÖ-nahen Steirischen Verlagsverein von 2012 bis 2020 angestellt war, angeblich um dort die Parteigeschichte aufzuarbeiten. Eine Publikation, die aus dieser jahrelangen Arbeit entstand, ist nicht bekannt, doch das Rechercheteam von stopptdierechten.at fand heraus, dass sich der Verein nach über 40 Jahren just vier Tage nach der öffentlichen Erwähnung in der Causa im Oktober auflöste. Damit wird es schwieriger, Geldflüsse nachzuvollziehen.

Ein Bild aus unbeschwerteren Tagen. Ex-Klubobmann Sippel postete im Fasching 2017 dieses Bild des blauen Teams.
Foto: Armin Sippel/Facebook

Es sollen üppige Zuweisungen für "politische Arbeit und Repräsentationszwecke" an Eustacchio und Sippel überwiesen worden sein. Der Vizebürgermeister soll allein im Jahr 2019 zusätzlich 50.000 Euro erhalten haben, bei Sippel sollen es 16.000 Euro gewesen sein. Nun erhöht ein Whistleblower den Druck auf die Freiheitlichen. Unter dem Namen "fpoegrazwatch" verschickt man Excel-Tabellen, die aus der Buchhaltung der Grazer Blauen stammen sollen, an Journalisten und Grazer Gemeinderäte anderer Parteien. Es sind scheinbar lückenlose Auflistungen der Ausgaben von 2014 bis 2019, die dokumentieren sollen, wofür der Grazer FPÖ-Klub Steuergelder ausgab. Sollten die Leaks echt sein, kann das auch für Landes-FPÖ und die Bundespartei brisant werden.

Die in den Excel-Dateien genannten Zahlen decken sich mit bisher bekannt gewordenen Enthüllungen. Aber es finden sich darin auch Hinweise, dass etwa weitere größere Summen an Eustacchio mit dem Buchungsvermerk "Verfügungsmittel Klubobmann" flossen.

Partei in Schockstarre

"Ich bin in Schockstarre, ich bin fassungslos, ratlos, sonst kann ich Ihnen nichts sagen", kommentierte die Geschäftsführerin der Stadtpartei, Hedwig Staller, die Causa auf Nachfrage des STANDARD.

Auffällig ist auch, dass nicht nur ein Sommerfest der rechtsextremen Identitären gesponsert wurde, sondern auch Burschenschaften regelmäßig vierstellige Summen zugeschanzt wurden. Auch einen Suchtexperten ließ sich der Klub über die Jahre stolze Summen kosten.

Dass der geständige EX-FPÖ-Mann – er will nicht mit dem STANDARD reden – ein "Bauernopfer" sein könnte, schließt sein Anwalt Bernhard Lehofer vehement aus. Nun ermittelt die Staatsanwaltschaft.

(Colette M. Schmidt Markus Sulzbacher, 10.11.2021)