Im Tigray-Konflikt setzen Soldaten sexuelle Gewalt als Waffe ein. (Symbolbild)

Foto: AFP / Amanuel Saleshi

Nairobi /Mekelle (Tigray) / Addis Abeba – In Äthiopien sollen Rebellen der Volksbefreiungsfront von Tigray (TPLF) Frauen, die einer anderen Volksgruppe angehören, aus Rache vergewaltigt haben. Die Vergewaltigungen sollen in der Stadt Nifas Mewcha, in der Region Amhara stattgefunden haben, berichtete die Menschenrechtsorganisation Amnesty International am Mittwoch. In dem eskalierenden Konflikt mit der TPLF, wird die Zentralregierung von Milizen aus Amhara unterstützt.

Mit knapp 115 Millionen Einwohnern ist Äthiopien das Land mit der zweitgrößten Bevölkerung Afrikas. Der Vielvölkerstaat, der lange als Stabilitätsanker der Region galt, droht durch die Kämpfe zu zerfallen, die Zentralregierung ist geschwächt. Der Konflikt zwischen Addis Abeba und TPLF, der vor etwa einem Jahr in Tigray begann, hat sich mittlerweile auf weitere Landesteile ausgeweitet. Gemeinsam mit Rebellen der Oromo Liberation Army (OLA) rückt die TPLF auf Addis Abeba vor. Allen Konfliktparteien wird vorgeworfen schwere Menschenrechtsverletzungen begangen zu haben.

Amnesty: Ausmaß der Brutalität verstörend

Amnesty sprach mit 16 Frauen, die berichteten, von Kämpfern der TPLF vergewaltigt worden zu sein. 14 dieser Frauen seien Opfer von Massenvergewaltigungen geworden, sagte Amnesty. Teilweise sollen die Vergewaltigungen vor den Augen der eigenen Kinder stattgefunden haben. Rebellen der TPLF sollen die Vergewaltigungen als Racheakte für die sexualisierte Gewalt von äthiopischen Streitkräften gegenüber Frauen in Tigray bezeichnet haben, berichtete Amnesty. Äthiopien befinde sich in einem Teufelskreis der Gewalt, die immer weiter eskaliere, sagte Franziska Ulm-Düsterhöft, die Afrika-Expertin der Organisation. "Das Ausmaß der Brutalität auf allen Seiten des Konfliktes ist verstörend."

Annemarie Schlack, Geschäftsführerin von Amnesty International Österreich, forderte in einer Aussendung am Mittwoch von der äthiopischen Regierung, "als dringenden ersten Schritt den sofortigen und ungehinderten humanitären Zugang zu allen vom Konflikt betroffenen Gebieten in Nordäthiopien zu ermöglichen." Außerdem müsse die äthiopische Regierung sicherstellen, dass alle Vorwürfe sexueller Gewalt umgehend, effektiv, unabhängig und unparteiisch untersucht werden, so Schlack.

Friedensnobelpreisträger in der Kritik

Die österreichische Hilfsorganisation Jugend Eine Welt berichtete am Mittwoch, dass am Hauptsitz ihres Don-Bosco-Partners in der Konfliktregion Tigray mindestens 17 Priester, Ordensleute und Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die aus Tigray und Eritrea stammen, festgenommen worden seien. In unmittelbarer Nähe des Berufsbildungszentrums der Salesianer Don Boscos in Mekelle seien zudem am 29. Oktober Bomben gefallen, wobei nach ersten Berichten 14 Menschen gestorben und mehr als 20 verletzt worden seien. "Wir sind bestürzt über das brutale Vorgehen gegen die Salesianer Don Boscos in Äthiopien", so der Gründer und Geschäftsführer von Jugend Eine Welt, Reinhard Heiserer, in einer Aussendung. Die Ordensleute und ihre Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen müssten unverzüglich wieder freigelassen werden, fordert er.

Regierungschef und Friedensnobelpreisträger Abiy Ahmed steht für sein Vorgehen gegen die TPLF international stark in der Kritik. Ihm werden Kriegsverbrechen und eine de facto Blockade Tigrays vorgeworfen. Der Konflikt hat den Norden des Landes in eine schwere humanitäre Krise gestürzt. (APA, 10.11.2021)