Eine Granitformation im Osten Indiens verrät einiges über die ersten Kontinente der Erde.
Foto: Subham Mukherjee

Als die Kontinente entstanden, war dies ein denkwürdiger Moment in der Geschichte des Lebens auf der Erde – immerhin bildeten diese die Heimat für jene Wirbeltiere, aus denen schließlich auch der Mensch hervorgegangen ist. Wann genau sich die ersten kontinentalen Landmassen gebildet haben und welche tektonischen Prozesse dahintersteckten, ist allerdings immer noch teilweise rätselhaft. Eine aktuelle Studie lieferte dazu nun neue, überraschende Hinweise.

Rund 4,5 Milliarden Jahre ist es her, dass sich unser Heimatplanet nach seiner glutflüssigen Geburtsphase an der Oberfläche so weit abgekühlt hat, dass Wasser nicht gleich wieder verdampfte. Ab diesem Zeitpunkt begann es zu regnen – und zwar für mehrere Millionen Jahre. Letztlich dürfte dieser Dauerregen einen weltumspannenden Ozean geschaffen haben, aus dem zunächst vermutlich nur wenige kleine Regionen herausragten.

Unerwartete Ergebnisse

Nach bisherigen Auffassungen änderte sich das, als nach der Kruste auch der obere Erdmantel weiter abkühlte: Die Oberfläche der Erde wurde stabiler und nahm an Dicke und Masse zu. Es entstanden gleichsam Schollen, die auf dem zählflüssigen Erdmantel trieben, gegeneinander drückten, was zur Auffaltung der ersten höheren Gebirge führte: Damals, vor 2,5 Milliarden Jahren, hoben sich die ersten Kontinente über die Ozeane hinaus – zumindest dachte man das bisher.

Ein Team um Priyadarshi Chowdhury von der Monash University in Melbourne (Australien) hat mithilfe von Gesteinen in Indien, die aus den ältesten kontinentalen Fragmenten stammen, diese Prozesse rekonstruiert. Dabei sind die Forscher zu unerwarteten Ergebnissen gekommen: Die untersuchten Proben lassen den Schluss zu, dass sich die ersten großen Kontinente schon vor etwa drei Milliarden Jahren über den Meeresspiegel erhoben, also deutlich früher als bisher angenommen und wahrscheinlich bevor die Plattentektonik eine relevante Rolle spielte. Grundlage dieser Erkenntnis bildet die Entdeckung der vermutlich ersten Strände der Erdgeschichte.

Uralter Strand

Sobald Landmassen über die Ozeane hinausragen, beginnen sie zu erodieren. Wind, Niederschläge und Temperaturwechsel zerkleinern Felsen allmählich zu Kies und schließlich Sandkörnern. Flüsse transportieren dieses Material ins Meer, wo es sich entlang der Küsten zu Stränden anhäuft. Was noch heute überall auf der Erde geschieht, läuft bereits seit Jahrmilliarden ab. Uralte Sandablagerungen verraten also einiges über die ersten Kontinente.

Die untersuchten Sandsteinformationen gehen vermutlich auf die ersten Strände der Erdgeschichte zurück (links). Datiert wurden sie mithilfe von Zirkonen, in denen sich winzige Mengen von Uran befinden.
Foto: Priyadarshi Chowdhury et al.

Die bislang ältesten Sandsteine, die aus urzeitlichen Stränden verdichtet worden waren, entdeckten die Forscher um Chowdhury nun im Singhbhum-Kraton, einem Stück kontinentaler Kruste, das die östlichen Teile des indischen Subkontinents ausmacht. Die Datierung gelang dem Team mithilfe darin vorkommender Zirkone, einem Mineral, das winzige Mengen an Uran enthält, das durch radioaktiven Zerfall sehr langsam in Blei umgewandelt wird. Das im Fachjournal "Pnas" präsentierte Ergebnis: Die Sandstrände, aus denen der untersuchte Sandstein hervorgegangen sein muss, lagerten sich vor mehr als drei Milliarden Jahren an urzeitlichen Küsten an.

Mehrere uralte Landmassen

Damit verraten die Zirkonkörner der Singhbhum-Sandsteine, dass vor mindestens drei Milliarden Jahren bereits eine kontinentale Landmasse in einer Region existiert hat, wo heute Indien liegt. Doch es dürfte sich damals vermutlich nicht um den einzigen Kontinent der Erde gehandelt haben: Sedimentgesteine desselben Alters fanden sich auch in den ältesten Kratonen Australiens und Südafrikas. All das deutet darauf hin, dass es bereits vor drei Milliarden Jahren mehrere kontinentale Landmassen gegeben haben muss.

Aber wie konnten sich diese Landmassen damals schon über die Ozeane erheben? Dass sie heute über die Meere hinausragen, liegt daran, dass ihre dicke, schwimmfähige Kruste wie ein Korken im Wasser auf dem Erdmantel treibt. Je mächtiger die Kruste, desto weiter ragt sie heraus. Das dürfte auch den Aufstieg der ersten Kontinente erklären: Die Forscher schlossen aus ihren Analysen, dass die rund drei Milliarden Jahre alten Granite im Singhbhum-Kraton in immer größeren Tiefen gebildet wurden, was darauf hindeutet, dass die Kruste in diesem Zeitfenster dicker wurde.

Nährstoffe für vielfaches Leben

Da Granite zu den Gesteinsarten mit der geringsten Dichte gehören, wäre die uralte Kruste des Singhbhum-Kratons mit zunehmender Dicke immer schwimmfähiger geworden. Die Wissenschafter berechneten, dass die kontinentale Kruste des Singhbhum-Kratons vor etwa drei Milliarden Jahren auf eine Dicke von etwa 50 Kilometer angewachsen und damit schwimmfähig genug war, um sich über den Meeresspiegel zu erheben.

Letztlich hatte der Aufstieg der Kontinente einen tiefgreifenden Einfluss auf das Klima, die Atmosphäre und die Ozeane der jungen Erde: Die Erosion dieser Kontinente versorgte die Küstenregionen, in denen das junge photosynthetische Leben florierte, mit wichtigen Nährstoffen. Das wiederum führte zu einem Boom bei der Sauerstoffproduktion, der der Erde letztendlich eine sauerstoffreiche Atmosphäre bescherte.

Außerdem trug die Erosion der frühen Kontinente dazu bei, Kohlendioxid aus der Atmosphäre zu binden, was zu einer globalen Abkühlung der frühen Erde führte. Tatsächlich fanden sich die frühesten Gletscherablagerungen auch in jenen drei Milliarden Jahre alten geologischen Schichten, die kurz nach dem Auftauchen der ersten Kontinente entstanden. (tberg, 15.11.2021)