Laute Musik und Lichteffekte gehören zu einer Fahrzeugpräsentation wie der Karies zum Zucker. So auch beim Produktionsstart der CE 04 von BMW in Berlin. Es sind ein paar Journalisten da, die Mitarbeiter – natürlich – und honorige Personen, wie etwa ein Professor der TU, der sich für Automatisierung interessiert. Vielleicht hat man das mit der lauten Musik damals erfunden, damit die räudigen Dieselklopfer, mit dem unsäglichen Krach, den sie machen, die schöne Präsentation nicht zerstören. Weil bei einem fetten V8 gab es zwar auch immer laute Musik, aber den Sound aus dem Auspuff hat man am Höhepunkt des Events dann doch so verstärkt, dass man die Musik kaum hörte. Bei der CE 04 hätte sowieso einer dieser oft nervtötenden Bluetooth-Würschteln gereicht, mit denen uns Kopfhörer-Allergiker an ihrem schlechten Musikgeschmack teilhaben lassen. Weil die neue BMW ist ja rein elektrisch angetrieben.

Eine erste Ausfahrt vom Chef selber, in der Fabrikhalle, läutet den feierlichen Produktionsstart ein.
Foto: BMW Motorrad

Und damit ist die Nachfolgerin der C Evolution auch gleich eine Pionierin. Denn von nun an sollen "alle zukünftigen neuen Modelle von BMW Motorrad im Bereich der urbanen Mobilität 100 Prozent elektrisch sein", sagt Markus Schramm, Leiter BMW Motorrad, beim Produktionsstart.

Frankreich und Asien

1.000 Quadratmeter Montagefläche hat man im Motorradwerk in Berlin für den neuen E-Roller freigeräumt. Obwohl auf einem guten Teil der Fläche wurde ja schon zuvor der C Evolution gebaut – ein E-Roller, mit dem BMW Motorrad schon 2012 in Serie ging und der die direkte Vorlage des CE 04 ist. 8.250 Stück wurden davon gebaut. Rund 3.000 davon gingen nach Frankreich. Das ist auch wieder der Kernhoffnungsmarkt für Europa. Und in Asien rechnet sich BMW auch gute Chancen aus, den Markt zu erobern.

Supermarkt nennt man bei BMW diese Nebenabteilung, in der etwa der Lenker zusammengebaut wird.
Foto: BMW Motorrad

Über geplante Stückzahlen spricht man bei BMW nie. Auch diesmal nicht. Man redet darüber, dass man die Produktion in jede Richtung skalieren kann. Zu diesem Thema bekommt man nur kurze Sätze. Gesprächiger werden die BMW-Leut wenn sie den Schwenk zum Thema Fertigungstiefe geschafft haben. Da plaudern sie alle. Wie aus einem Guss,. Sie sind stolz darauf, dass nun so viel aus eigener Produktion kommt. Da hätte man eben bei der Produktion des C Evolution viel gelernt.

Auch eine Version für die Exekutive ist schon gebaut.
Foto: BMW Motorrad

Gelernt haben sie aber auch, dass ein C Evolution nur selten mehr als 50 Kilometer am Tag zurücklegte. Diese Erkenntnis brachte einen enormen Vorteil. Man konnte also die Reichweite mit einer Akkuladung bei rund 150 Kilometer belassen. Was heute heißt, dass das Akkupack für den CE 04 viel, viel kleiner ausfallen kann, als es beim C Evolution war. Da hat sich so viel getan, in der Akku-Entwicklung, dass die Batterie gefühlt nicht einmal halb so groß ist. Es ist aber lustig, was BMW mit der Platzersparnis macht.

Der neue Akku – bei BMW nennt man das ganz sexy "Hochvoltspeicher" – ist nun deutlich kleiner, als er im C Evolution war, obwohl die gleiche Reichweite drinnen ist.
Foto: BMW Motorrad

Investigative Heimlickeiten

Statt den Roller deutlich kompakter zu machen, setzt BMW weiterhin auf ein Trumm von einem Roller, mit einem Radstand wie eine Harley, und baut unter dem schwebenden Sitzbankerl ein Helmfach ein. Wie die CE 04 mit dem Radstand um die Kurve geht – vor allem wenn man auch den eher konservativen Lenkkopfwinkel und das hohe Gewicht mit bedenkt –, wissen wir leider noch nicht. Fahren war uns nicht erlaubt. Nur looky-looky. Aber als knochentrockener Investigativler, der ich nun einmal bin, setzte ich mich zumindest kurz auf den Bock, als keiner aufpasste. Es ist gemütlicher, als es aussieht. Und nach meinen Erfahrungen mit der nun doch schon in die Tage gekommenen C Evolution befürchte ich, dass sich die CE 04, trotz aller Bedenken, ziemlich agil bewegen lässt und die Herzen der Fahrdynamiker im Sturm erobern wird. Von den BMW-Leuten war diesbezüglich nicht viel rauszukriegen. Die kamen über die Erzählungen von Ampelstarts nicht hinaus und verloren sich dann in einem Kichern und Glucksen, wie man es sonst nur von kleinen Kindern erwartet.

Das Orange soll nicht KTM herausfordern, sondern stammt vom Orange der Hochvoltkabel bei E-Mobilen.
Foto: BMW Motorrad

In 2,6 Sekunden sprintet die CE 04 aus dem Stand auf Tempo 50 km/h. Kicher. Glucksl. Ihre Höchstgeschwindigkeit liegt bei 120 km/h. Räusper. Hüstel. Sie hat eine Leistung von 31 kW, 42 PS. Hüstel. Räusper. Und sie ist in 45 Minuten von 20 auf 80 Prozent schnellgeladen, in vier Stunden und 20 Minuten an der Haushaltssteckdose. Kratz. Kratz. Sie hat ab Werk drei Fahrmodi, ein weiterer, "Dynamic", ist optional erhältlich. Geld zähl. Ach ja, sie kostet 12.150 Euro, und der Akkus ist fix verbaut und kann zum Laden nicht entnommen werden. Stampf. Stampf.

Ganz im gleichen Fischteich fischen Piaggio und BMW mit ihren Rollern nicht.
Foto: Piaggio

Piaggio 1

Sehr wohl herausnehmen kann man den Akku der Piaggio 1. Und die Italienerin ist deutlich kompakter, leichter und um 2.999, respektive 3.999 Euro, auch noch viel billiger als die BMW. Wie das geht? Nun ja, die Piaggio ist ein Moped und in der großen Active-Version auch noch nur bis zu 60 km/h schnell – mit einer Reichweite von 85 Kilometern. Die kleine Version, ohne Namenszusatz, kommt 55 Kilometer weit. Wir sind also in einer ganz anderen Liga als bei der BMW. Darum darf die Italienerin auch mit sechs Stunden länger zum Vollladen brauchen. Der 1,4 kWh-Akku aus der Mopedversion ist zehn Kilogramm schwer, der 2,3 kWh-Akku der größeren Version wiegt 15 Kilogramm. Piaggio verspricht, dass auch nach 800 Ladezyklen die Akkus noch eine Kapazität von 70 Prozent hätten und "einwandfrei einsetzbar" seien. Na ja, ein paar Kilometer Reichweite wird man bei einer geringeren Kapazität schon auch mit abgeben.

Und noch einmal ganz was anderes. Schon elektrisch, aber ein echtes Motorrad. Die Zero.
Foto: Zero Motorcycles

Eine Reichweite von bis zu 365 Kilometern gibt Zero für die neue 2022er SR, die SR/F und die SR/S an. Gut, da muss man ein bisserl genauer hinschauen. Die Reichweitenangabe gilt für die Stadt, bei 113 km/h Dauergeschwindigkeit sind es 182 Kilometer. Und die Angabe gilt mit dem neuen 14,4+ kWh-Akku in Kombination mit dem Power Tank. Gemeinsam kommen die Akkus so auf fast 21 kWh.

App-Store statt Tuner

Mit der neuen Modellreihe führt Zero auch neue Lithium-Ionen-Akkus ein, die um 20 Prozent leistungsstärker sind als die Vorgänger und nun das Kürzel + am Ende tragen. Und ein Cypherstore kommt jetzt auch. Da kann man Updates freischalten für schneller Laden, schneller Fahren oder schneller Wasweißich. Anders gesagt, das, was früher die Werkstatt war, ist jetzt im Wischtelefon. Gratis wird der Spaß trotzdem nicht sein. (Guido Gluschitsch, 14.11.2021)