Mithilfe von Sensoren oder Kameras im Auto soll sich in Zukunft erkennen lassen, ob der Fahrer betrunken ist.

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Einige Gruppen bezeichnen ihn als "Straßenkiller Nummer eins": Alkohol am Steuer. Mehr als 10.000 Menschen kommen in den USA jährlich in Zusammenhang mit Alkohol bei Verkehrsunfällen ums Leben, heißt es von der National Highway Traffic Safety Administration. Für rund ein Drittel aller Verkehrsunfälle seien betrunkene Autofahrer verantwortlich. Auch in Österreich gab es im vergangenen Jahr laut Statistik Austria mehr als 2000 Alkoholunfälle im Straßenverkehr. Bei immerhin rund sieben Prozent aller Verkehrsunfälle spielte laut der Statistik Alkohol eine Rolle.

In den USA will man dieses Problem nun auch mithilfe neuer Technologie in den Griff bekommen. Ab 2026 müssen dort alle neuen Autos mit einer Technologie ausgestattet sein, die betrunkene Autofahrer frühzeitig erkennt und sie am Weiterfahren hindert, heißt es in einer neuen Verordnung des US-Kongresses, die Teil des einer Milliarde US-Dollar schweren Infrastrukturpakets von Präsident Joe Biden ist.

Konkret heißt es darin, dass die neue im Auto eingebaute Technologie das Fahrverhalten eines Fahrers im Hintergrund überwachen und bei einer festgestellten Beeinträchtigung durch Alkohol das Weiterfahren verhindern soll. Welche Technologie genau dafür eingesetzt werden soll, wird allerdings nicht vorgegeben. Darauf wolle man sich aber noch in den nächsten Jahren einigen. Bis zum Ende des Jahres soll es schon erste kommerzielle Autos mit der Anti-Alkohol-Technologie geben, heißt es von der Organisation Automotive Coalition for Traffic Safety.

Zündschlosssperren

Schon jetzt müssen manche Menschen in den USA, die betrunken beim Autofahren erwischt wurden, sogenannte Alkohol-Zündschlosssperren verwenden. Um das Auto zu starten, muss der Fahrer dafür in ein eingebautes Gerät zur Messung des Atemalkohols blasen. Erst wenn der Alkoholwert unter dem gesetzlichen Grenzwert liegt, kann das Auto gestartet werden.

Auch in der EU wird bereits seit längerem zu Zündschlosssperren geforscht und damit experimentiert. Laut Studien seien Zündschlosssperren 40 bis 95 Prozent effektiver als Führerscheinabnahmen oder Strafen darin, zu verhindern, dass Menschen, die bereits einmal betrunken am Steuer erwischt wurden, rückfällig werden. Ab 2024 müssen deshalb die meisten Neuwagen in der EU auch eine Schnittstelle für den Einbau eines Atemalkoholgerätes besitzen, heißt es in einer EU-Verordnung. In Österreich sind Alkohol-Zündschlosssperren rechtlich nicht vorgeschrieben.

Überwachung durch Kameras und Sensoren

Allerdings halten einige Verkehrsexperten Zündschlosssperren nicht für eine praktikable Technologie, um bald großflächig in Ländern wie den USA zum Einsatz zu kommen. Viele Autofahrer würden sich wohl daran stören, vor jeder Fahrt eine Atemkontrolle abgeben zu müssen, so das Argument.

Stattdessen plädieren einige Experten dafür, Kameras einzusetzen, um das Fahrverhalten zu überwachen. Einige Autobauer hätten diese Kameras bereits jetzt in Neuwagen installiert, um die Aufmerksamkeit der Fahrerin oder des Fahrers zu kontrollieren und bei Zeichen von Müdigkeit, Bewusstlosigkeit oder anderen Einschränkungen Warnsignale abzugeben und im weiteren Verlauf das Auto automatisch zu verlangsamen und es von selbst an den Straßenrand fahren zu lassen.

Theoretisch könnten aber auch Sensoren im Auto, die den Alkohol in der Luft rund um den Fahrer messen, zum Einsatz kommen. Diese sollen laut Entwickler erkennen können, ob es sich bei der betrunkenen Person um den Fahrer oder lediglich um einen Beifahrer handelt. Ebenso ließe sich mithilfe von Sensoren im Einschaltknopf oder im Lenkrad der Alkoholspiegel in den Kapillargefäßen des Fingers der Fahrerin oder des Fahrers messen.

Ethische Bedenken

Während die Befürworter der neuen Technologie argumentieren, dass diese jährlich tausende Leben retten könne, warnen Kritiker vor den ethischen und datenschutzrechtlichen Folgen. Es handelt sich um viele Bedenken, denen ähnlich, die auch bei selbstfahrenden Autos aufkommen. Denn wenn das Auto mithilfe von Kameras von selbst erkennen soll, ob ein Fahrer betrunken ist, und dann die Kontrolle übernimmt, wer übernimmt dann die Verantwortung, wenn doch jemand oder etwas zu Schaden kommt? Soll dann der Hersteller, Programmierer oder doch der betrunkene Fahrer selbst haften? Und ab welchem Punkt soll das Auto überhaupt entscheiden, die Kontrolle über das Fahrzeug zu übernehmen?

Zudem stellt sich die Frage, was mit den Daten passiert, die von den Kameras und Sensoren im Auto gesammelt werden. Wären diese Daten vor Gericht verwertbar? Auf jeden Fall müsse sichergestellt werden, dass die Daten nicht in die Hände der Versicherungen oder der Autohersteller selbst gelangen, sagen einige Experten.

Nicht vor Schummlern gefeit

Nicht zuletzt sind auch noch einige technischen Fragen offen: Eingebaute Kameras und Sensoren müssen wohl äußerst effektiv und sensibel genug sein, um eine Beeinträchtigung durch Alkohol richtig zu erkennen – vor allem dann, wenn man den Umstand bedenkt, dass einige Menschen versuchen werden, die Kontrolle durch bestimmte Tricks zu umgehen, sagen Experten.

Ohnehin werden noch einige Jahre vergehen, bis die Auswahl der konkreten Technologie feststeht. Und da die Veränderung dann erst Neuwagen betrifft, könnte es noch mehr als ein Jahrzehnt dauern, bis die neue Technologie tatsächlich einen Großteil der Autofahrer betrifft. Bleibt zu hoffen, dass bis dahin auch alle ethischen, rechtlichen und technischen Bedenken geklärt sind. (Jakob Pallinger, 12.11.2021)