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Der Jamtalferner im Silvrettagebirge wird ebenso wie zahlreiche andere Gletscher der Region in den nächsten Jahrzehnten verschwinden.
Foto: REUTERS/Lisi Niesner

So wie die meisten der rund 1.000 Gletscher in den österreichischen Alpen setzt die Erderwärmung auch den Eiskappen in der Silvretta zu (Videos), an der Tirol, Vorarlberg und die Schweiz Anteile haben. Drei Gletscher auf österreichischer Seite dieses Gebirgszugs sind seit 2006 komplett abgeschmolzen: Der Fluchthornferner Süd, der Litzner Gletscher Ost und eine dritte Eismasse, die nur eine wissenschaftlich Bezeichnung hatte, erklärte Andrea Fischer vom Institut für Interdisziplinäre Gebirgsforschung der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) in Innsbruck. In den nächsten 15 Jahren wird dort auch der Jamtalferner verschwinden, immerhin einer der 30 größten Gletscher Österreichs.

In früheren Gletscher-Inventaren war es durch den hohen Anteil an blankem Eis relativ einfach, die Gletscher klar abzugrenzen, etwa mit Luftaufnahmen, sogenannten "Orthofotos". Doch die Eismassen werden immer kleiner und von Geröll bedeckt. "Sie werden nach und nach unsichtbar, einem Laien würden sie vielfach gar nicht mehr auffallen", sagte Fischer.

Hochpräzise Laser-Scans

Erstmals hat sie gemeinsam mit Kolleginnen und Kollegen nun ein Gletscher-Inventar vorgelegt, das auf zwei Datensätzen von hochpräzisen Laser-Scans ("LiDAR") der Silvretta-Region basiert. Damit hat sie festgestellt, dass die Fläche der Silvretta-Gletscher seit 2006 um rund ein Drittel zurückgegangen ist, wie sie nun im Fachjournal "The Cryosphere" berichtet.

Solche Scans werden mithilfe von laserbestückten Flugzeugen erzeugt, die das Gelände sehr genau vermessen. "Von allen Verfahren zur Erzeugung von digitalen Höhenmodellen ist LiDAR mit einer Genauigkeit von wenigen Zentimetern und einer Auflösung von ein mal ein Metern das bei weitem genaueste Verfahren", betonte Fischer die Vorteile etwa gegenüber Radar-Methoden, wie sie von Satelliten aus eingesetzt werden. Mit diesen erhalte man etwa 50-mal-50-Meter-Pixel, "da hat man auf einem österreichischen Gletscher in der Breite drei Pixel, da sehe ich keine Details". Durch die Laser-Scans wird dagegen die Bewegung und die Schmelze der verborgenen Eisflächen sichtbar.

Der Gletscher V am Schnapfenkuchl im Jahr 1954 und im Vorjahr.
Foto: data.gv.at/Montage

Immer mehr unsichtbare Gletscher

Auch mit Orthofotos, die mit einer Auflösung von 0,5 Metern gar nicht so schlecht seien, sei diese präzise Modellierung der Oberfläche wie durch das Laserscan-Höhenmodell nicht möglich. Dabei gebe es wesentlich größere Fehler, speziell wenn es um die Detektion dieser verborgenen Eisreste geht.

Und die Zahl dieser unsichtbaren Gletscher nimmt zu, verweist Fischer auf die im Vergleich etwa zur Großglockner-Region oder den Westalpen tiefer gelegenen Silvretta-Gletscher, weshalb dort das Abschmelzen rascher vonstatten gehe. Das oberflächliche Verschwinden des Eises mache es aber zunehmend schwieriger, seine weitere Entwicklung zu beobachten.

Dabei sollte man "auch die Gletscherreste nicht aus den Augen verlieren", mahnt Fischer. Denn die schuttbedeckten Eisreste können das Gelände destabilisieren und das Aufkommen von Vegetation verlangsamen. "Das Abgleiten des Schuttes auf den Gletscherresten und ausbrechende Wasseransammlungen können zu Muren und Steinschlag führen, der Straßen, Schutzhütten, Wanderwege und andere Infrastruktur beschädigt. Die Probleme reichen also bis ins Tal", so Fischer.

Unaufhaltsame Entwicklung

Die Wissenschafter rechnen damit, dass Ende des Jahrhunderts nur mehr etwa zehn Prozent der Fläche der Alpengletscher übrig sein werden, in den Ostalpen noch etwas weniger. "Diese vom anthropogenen Klimawandel getriebene Entwicklung lässt sich nicht mehr aufhalten, wir müssen also versuchen, die Situation genau zu beobachten, damit wir Probleme frühzeitig erkennen können", betonte Fischer. Sie empfiehlt daher, alle drei bis fünf Jahre eine Laservermessung der Oberfläche durchzuführen.

Erkenntnisse, die dabei gewonnen werden, könnten in Zukunft in höher liegenden Regionen wie dem Himalaya hilfreich sein, wo einerseits mehr Zeit bleibe, andererseits aber die Abhängigkeit der Menschen vom Schmelzwasser höher sei. Damit könnte man sowohl das Gefahrenpotenzial als auch die verfügbaren Wasserressourcen besser abzuschätzen. (red, APA, 10.11.2021)