Die WKStA erhebt Anklage gegen Christoph Chorherr.

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Wien – Nun ist es entschieden. Die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) erhebt in der Causa Chorherr rund um Spenden für den von ihm einst initiierten Verein S2Arch Anklage. Und die hat es in sich: Die Anklage wegen des Vorwurfs des Missbrauchs der Amtsgewalt, der Bestechung und Bestechlichkeit richtet sich gegen zehn Personen sowie 21 Verbände, also Unternehmen, die Spenden an den in Südafrika tätigen Verein geleistet haben. Das gab die WKStA am späten Mittwochnachmittag in einer Aussendung bekannt.

Auch der frühere Wiener Gemeinderat und Planungssprecher der Grünen in Wien, Christoph Chorherr selbst, zählt zu den Angeklagten, ihm werden Bestechlichkeit und Amtsmissbrauch vorgeworfen. Chorherr bestätigte am Abend via Twitter eine Anklageerhebung gegen ihn. Eine strafrechtlich relevante Schuld sieht er jedoch nicht.

Gemäß Aussendung der WKStA wird dem Ex-Amtsträger (die Behörde nennt keine Namen) vorgeworfen, er habe "für die Einflussnahme auf das Zustandekommen von diversen Immobilienprojekten in Wien und für das Herbeiführen der jeweiligen Beschlussfassung über diese Projekte im Gemeinderat Spenden an den Verein S2Arch gefordert, angenommen oder sich versprechen lassen." Daraus lässt sich folgern, dass es um Vorteile für seine Initiativen, aber nicht für ihn persönlich gegangen sein soll.

Unschuldsvermutung

Die anderen Angeklagten sollen diese Vereinsspenden geleistet haben und sich bei Flächenwidmungen und Ähnlichem Vorteile erwartet haben. Chorherr ist bis Jänner 2018 im Vorstand des Vereins gewesen. Im Wiener Gemeinderat war er bis Februar 2019 Mandatar. Im selben Jahr legte er seine Mitgliedschaft bei den Grünen wegen der laufenden Ermittlungen zurück.

Alle Beschuldigten haben die genannten Vorwürfe bis jetzt stets zurückgewiesen; für alle gilt die Unschuldsvermutung. In der Anklageschrift, die dem STANDARD vorliegt, finden sich etliche bekannte Immobilienunternehmer und -unternehmen. Darunter, auch wie berichtet, der Industrielle und Immobilieninvestor Michael Tojner, der von 2009 bis 2013 bei der Ithuba Capital AG tätig war, die auch zu den Spendern gehörte. Auch er hat zuletzt alle Vorwürfe zurückgewiesen.

Prominente Beschuldigte

Tojners Wertinvest hat das Projekt Heumarkt entwickelt, auf diesem Areal beim Wiener Eislaufverein will er bekanntermaßen ein Immobilienprojekt samt Turm hochziehen. Diese Pläne hatten bei den Grünen grobe innerparteiliche Turbulenzen ausgelöst – aber auch solche mit der Unesco rund um den Weltkulturerbestatus der Innenstadt. Chats aus dem Ermittlungsakt zeigten laut "Profil" ein nahes Verhältnis zwischen Tojner und Chorherr: "Danke Sie sind großartig", schrieb der Unternehmer dem Grünen-Politiker einst. In der Anklageschrift wird Tojner und einem ebenfalls angeklagten Geschäftsfreund viel Platz eingeräumt – was nicht zuletzt daran liegen dürfte, dass etliche Korrespondenz zu finden gewesen ist.

Neben etlichen Schwergewichten der Bau- und Immobilienbranche findet sich auf der Liste der (nicht rechtskräftig) Angeklagten auch ein Ex-Banker, der als Großspender für den Verein S2arch galt. Er hat laut Anklageschrift 2012 rund um ein Projekt im Wien-Döbling eine Spende in der Höhe von 400.000 Euro veranlasst, dazu seien zwischen 2011 und 2017 für andere Projekte weitere 779.000 Euro gekommen.

Projekte und Spenden

Der Verein S2Arch hat als Träger von "Ithuba" unter anderem Schulprojekte in Südafrika gefördert und finanziert. Betrieben werden zwei Schulen für benachteiligte Kinder. Dieser Beschuldigte ist mit einem Antrag auf Einstellung des Verfahrens im Frühling 2020 gescheitert. Er hatte unter anderem argumentiert, dass die Spenden in keinem Konnex zu Immobilienprojekten in Wien gestanden seien.

Die WKStA sieht das anders und zählt in ihrer 47-seitigen Anklageschrift (dazu kommt noch ein Anhang) alle Projekte auf, die sie in Zusammenhang mit den Spenden sieht. Da geht es etwa um Bauvorhaben in Wien-Mariahilf, am Wiener Donaukanal, an der Donau, in der Donaustadt oder rund um den Hauptbahnhof oder den Heumarkt – und viele mehr.

"Gewogene Amtstätigkeit" erwartet

In der Begründung der Anklage argumentieren die Korruptionsstaatsanwälte, dass die Zahlungen, die Chorherr "bekannt oder von ihm (...) auch explizit angefragt waren", mit der Person des Magister Chorherr als Gemeinderat und Mitglied der Wiener Stadtregierung, mit den Projekten und der Erwartung einer (...) gewogenen Amtstätigkeit " zusammengehangen seien. Zahlung und Amtstätigkeit seien ursächlich miteinander verknüpft gewesen, so die Vertreter der Anklagebehörde.

Egal ob sie nun als Sponsoring, Spenden, Versteigerungserlös oder Lizenzgebühr bezeichnet worden seien, hätten sie "in keinem (zulässigen) wirtschaftlichen Austauschverhältnis" gestanden. Chorherr seinerseits habe in Gemeinderat und Stadtregierung bei der Flächenwidmung der Projekte mitgewirkt – "ohne die Vorteilsgewährungen (...) offenzulegen und seine Befangenheit anzuzeigen", heißt es in der Anklageschrift. Seit Eintritt der Grünen in die Stadtregierung habe sich eine "massive" Erhöhung der Spenden gezeigt.

Chorherr bestreitet Vorwürfe

Chorherr selbst hatte im Mai dieses Jahres einen Antrag auf Diversion eingebracht. Wie damals berichtet hatte sein Anwalt Richard Soyer argumentiert, sein Mandant habe sich keine Pflichtwidrigkeit zuschulden kommen lassen. Er sei sich aber – flapsig nacherzählt – der schiefen Optik bewusst. Im Herbst 2017 hatte sich Chorherr so verteidigt: "Niemals habe ich jemandem, weil er oder sie gespendet hat, einen Vorteil bei einem Widmungsverfahren – soweit ich daran beteiligt gewesen bin und ich das auch hätte beeinflussen können – verschafft."

Laut Anklageschrift hat Chorherr einen Einfluss der Spenden auf seine Tätigkeit bestritten –aber eingeräumt, dass "seine Tätigkeit als Amtsträger zeitgleich mit seiner Vereinsobmannschaft" wegen der Spenden an den Verein vor dem Hintergrund der geltenden Korruptionsbestimmungen "ein Fehler" gewesen sei. Es sei ihm bewusst, dass dadurch der Eindruck entstehen konnte, es gäbe einen Zusammenhang zwischen Spenden und seiner Tätigkeit als Planungssprecher für die Grünen.

"Subtile" Einflussnahme

Chorherr war ab 1991 im Wiener Landtag und Gemeinderat gesessen, ab 1996 im Ausschuss für Stadtplanung und Stadtentwicklung. Ab 2011 wurden die Grünen in diesem Bereich wichtiger: Damals war Maria Vassilakou Vizebürgermeisterin und Stadträtin für unter anderem Stadtentwicklung geworden. Die Magistratsabteilung 21 für Stadtteilplanung und Flächennutzung ressortierte zu ihr. Gemäß Ermittlern hat sich ergeben, dass einige der nun in der Anklage aufgelisteten Spenden zeitnah zu Widmungsersuchen oder sonstigen in die Zuständigkeit der MA 21 fallenden Ansuchen erfolgt seien.

In der Anklageschrift heißt es dazu, die "Einflussnahmen" auf die MA 21 seien "derart subtil" erfolgt, dass sie deren Sachbearbeitern nicht aufgefallen seien. Sie alle haben als Zeugen nämlich angegeben, dass alles ordnungsgemäß abgelaufen und es zu keinen Interventionen gekommen sei.

Ein Großverfahren

Sollte die Anklage rechtskräftig werden (etwaige Einsprüche also ins Leere laufen), wird Chorherrs politische Karriere ihr Nachspiel vor dem Straflandesgericht Wien haben. Die Strafdrohung für Missbrauch der Amtsgewalt liegt bei sechs Monaten bis zu fünf Jahren; für Bestechlichkeit sind es ein bis zehn Jahre.

Die WKStA will fast 30 Zeugen geladen wissen, darunter Ex-Vizebürgermeisterin Vassilakou oder Neos-Chefin Beate Meinl-Reisinger. (Renate Graber, Fabian Schmid, 10.11.2021)