Frederik Willem de Klerk war von 1989 bis 1994 Staatspräsident von Südafrika.

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Einer der bekanntesten Repräsentanten eines Landes stirbt – und kaum jemand schaut auf. Am Donnerstagmittag wurde der Tod des letzten weißen Präsidenten Südafrikas bekanntgegeben: Doch Frederik Willem de Klerk weint am Kap der Guten Hoffnung kaum einer eine Träne nach.

Er hatte die Apartheid abgeschafft und Nelson Mandela freigelassen – und dafür den Friedensnobelpreis erhalten. Doch ähnlich wie Michael Gorbatschow vermochte de Klerk die Früchte seines dringend nötig gewordenen Reformwerks niemals zu ernten: Den einen blieb er als Wolf im Schafspelz verhasst, bei den anderen ist er als Verräter an der weißen Vorherrschaft verschrien.

Präsident für den Übergang

Ein Publikumsliebling war der Jurist und Politiker der rassistischen Nationalen Partei (NP) nie. Im Februar 1989 löste er den berüchtigten Pieter Willem Botha als NP-Chef ab: Das "Krokodil" hatte sich gegenüber den für den inneren Frieden und die Wirtschaft des Landes nötigen Veränderungen als resistent erwiesen.

Dass ausgerechnet der unscheinbare Erziehungsminister zu seinem Nachfolger ernannt wurde, hatte er dem "Broederbond", der Geheimloge der weißen Afrikaner, zu verdanken: Dieser hielt das kettenrauchende Mitglied für flexibel und halsstarrig genug, um den schwierigen Job eines Übergangspräsidenten zu übernehmen. De Klerk sollte so viele weiße Privilegien wie nötig und so wenige wie möglich hergeben.

Referendum aus Verdienst

Als er im Frühjahr 1990 das Ende der Apartheid und die Freilassung Nelson Mandelas bekanntgab, war die kurze Stunde seines Weltruhms gekommen – während sich zu Hause Teile der weißen Wählerschaft entsetzt zeigten.

Sie in einem Referendum von der Notwendigkeit der Reformen zu überzeugen war de Klerks historisches Verdienst: Hätte er die Abstimmung verloren, statt sie mit einer Zweidrittelmehrheit zu gewinnen, wäre Südafrika im Bürgerkrieg versunken. Allein damit kann sein Friedensnobelpreis gerechtfertigt werden, den er ein Jahr später gemeinsam mit Nelson Mandela verliehen bekam.

Kampf ums Privileg

Die Preisverleihung löste am Kap der Guten Hoffnung eine heftige Debatte aus. De Klerk und Mandela auf eine Stufe zu stellen war vor allem für schwarze Südafrikaner eine Zumutung. Außerdem kämpfte de Klerk bei den Verhandlungen mit Mandelas Afrikanischem Nationalkongress um jedes weiße Privileg. Und schließlich galt vielen de Klerks Verwicklung in die Welle der Gewalt, die damals die Dominanz des ANC brechen sollte, als unbestreitbar.

Mandela selbst verlor gegenüber seinem Kopreisträger – den er ansonsten zuvorkommend behandelte – nur einmal die Beherrschung, als er ihm bei der Eröffnungssitzung der verfassungsgebenden Versammlung Codesa im Dezember 1991 vorwarf, einem "illegitimen diskreditierten Minderheitsregime" vorzustehen und "zur Aufrechterhaltung moralischer Standards unfähig" zu sein. Zuvor hatte de Klerk dem ANC vorgeworfen, frühere politische Vereinbarungen gebrochen zu haben. Mandelas "bösartige Attacke" habe einen Spalt zwischen sie getrieben, der "niemals ganz heilte", sagte de Klerk später.

Anhaltende Kritik

Trotzdem standen beide noch zwei Jahre lang an der Spitze der "Regierung der nationalen Einheit": Mandela als Präsident, de Klerk als sein Vize. Nach seinem Rücktritt 1996 und seinem Rückzug aus der Politik ein Jahr später sorgte de Klerk immer wieder mit Aussagen für Aufsehen, die nach Auffassung seiner Kritiker die Apartheid verharmlosten. Sein Ansehen unter der weißen Wählerschaft litt allerdings am meisten, als er seine Frau Marike verließ, um Elita, die Witwe des griechischen Großreeders Tony Georgiades, zu heiraten. Drei Jahre später wurde Marike bei einem Einbruch in ihr Haus umgebracht.

Ihr krebskranker 85-jähriger Ex-Mann starb in der Nacht zum Donnerstag im Schlaf in seiner Kapstädter Villa, wie seine Stiftung bekanntgab. (Johannes Dieterich aus Johannesburg, 11.11.2021)