Oberösterreichs Landeshauptmann Thomas Stelzer (ÖVP) wollte einen Lockdown abwenden, jetzt kommt er ab Montag für Ungeimpfte.

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Linz – Über einen regionalen Lockdown für Ungeimpfte wollte das Gesundheitsministerium mit den Landeshauptleuten von Salzburg und Oberösterreich am Freitag erneut bei einem Krisengipfel beraten. Denn bis Donnerstag wirkten die Positionen verhärtet. Während der Bund die beiden Problemländer für alle, die nicht geimpft oder genesen sind, dichtmachen will, stemmte man sich dort zuletzt noch gegen die härteren Maßnahmen.

Auf oberösterreichischer Seite hieß es vor dem neuerlichen Krisengipfel zuerst, dass es keinen schnellen Sanktus für einen Lockdown für Ungeimpfte geben werde. Landeshauptmann Thomas Stelzer (ÖVP) wollte erst einmal die "etwaige verfassungsrechtliche Rechtsgrundlage" prüfen. Zur Wochenmitte plädierte er noch dafür, die Auswirkung der 2G-Regel abzuwarten.

Lang wurde die Auswirkung der 2G-Regel dann jedoch nicht abgewartet: "Die Situation ist dramatisch, daher lösen wir die fünfte Stufe des Stufenplans des Bundes aus und planen ab Montag einen Lockdown für Ungeimpfte", bestätigte Landeschef Stelzer dem STANDARD. Die Bedingung dafür: "Sofern es rechtlich ein grünes Licht vom Bund gibt bzw. der Bund die Rechtsgrundlage schafft."

Zieht ganz Österreich nach?

Noch bevor Stelzer sich zu dieser Entscheidung durchrang, hatte Bundeskanzler Alexander Schallenberg (ÖVP) erklärt: Er verstehe nicht, warum sich die geimpfte Mehrheit von der ungeimpften Minderheit "in Geiselhaft" nehmen lassen sollte. Ein Lockdown für Ungeimpfte sei eine "sehr harsche Maßnahme", aber offenbar notwendig. "Wir stehen auf dem Stufenplan wenige Tage vor dem Lockdown für Ungeimpfte", hatte Schallenberg in Vorarlberg gesagt. Und: "Wollen wir dorthin? Natürlich nicht."

Für Schallenberg ist die Impfung inklusive des dritten Stichs der "einzige Wellenbrecher" aus der Pandemie, die "Drohkulisse" eines möglichen Lockdowns, so hoffe er, müsse genug dazu beitragen, die Impfquote in Österreich zu steigern. Zusätzlich will er eine Impfpflicht für bestimmte Berufsgruppen diskutieren.

Stelzers Einlenken dürfte aber auch den Beratungen, die seinem Vorpreschen vorangegangen sind, geschuldet sein: Den ganzen Tag über standen Beratungsgespräche mit Expertinnen und Experten sowie den Sozialpartnern auf dem Plan. Dort diskutierte man über das Für und Wider eines lokalen Lockdowns für Ungeimpfte. Dem Vernehmen nach soll es auch zu einem massiven Herunterfahren von Veranstaltungen kommen, ebenso scheint eine Ausweitung der Maskenpflicht beschlossene Sache.

Kein Lockdown für Ungeimpfte in Salzburg

Doch der Lockdown in Oberösterreich ist erst die halbe Miete für Gesundheitsminister Wolfgang Mückstein (Grüne), der in der "Kleinen Zeitung" auch wieder das Homeoffice empfiehlt, "wo immer das möglich ist". Die Corona-Infektionen steigen zwar bundesweit rasant und das Gesundheitswesen ächzt von Ost bis West unter der steigenden Belastung. Doch neben Oberösterreich hat insbesondere auch Salzburg mit extrem hohen Sieben-Tage-Inzidenzen rund um die 1000er-Marke zu kämpfen. Von den 11.975 am Donnerstag gemeldeten Neuinfektionen entfallen 2778 Ansteckungen auf Oberösterreich, 1.487 auf Salzburg. Die Sieben-Tage-Inzidenzen pro 100.000 Einwohnerinnen und Einwohner liegen damit mittlerweile bei 1.193 und 1.142.

Salzburg zieht beim Lockdown für Ungeimpfte wie in Oberösterreich vorerst nicht mit, verschärft aber die Maßnahmen. Konkret wird die FFP2-Maskenpflicht erweitert, es gibt Einschränkungen in der Gastronomie, eine Ausweitung von 2G auf weitere Bereiche sowie umfassende Kontrollen. Das gab Salzburgs Landeshauptmann Wilfried Haslauer (ÖVP) am Donnerstagabend in einer Aussendung bekannt. Die zusätzlichen Restriktionen – etwa auch das Verbot der Ausschank auf Gelegenheitsmärkten – werden ab Montag, 15. November gelten. Haslauer hatte zuvor bereits zu bedenken gegeben, dass der Lockdown für Ungeimpfte schwer bis gar nicht zu kontrollieren sei.

Grünenchef für geschlossene Gastro

Der Salzburger Grünen-Chef hingegen preschte bereits am Donnerstag vor und forderte "eine umgehende Kontaktreduktion für alle. Nur so können wir die vierte Welle brechen." Er vermeide zwar den Begriff Lockdown, sagte Heinrich Schellhorn zum STANDARD. Aber: "Es braucht Kontaktreduktionen, Veranstaltungsverbote, und auch die Gastronomie sollte für zwei Wochen dichtmachen."

Der Epidemiologe Hans-Peter Hutter sieht zwar keine Möglichkeit, dass man jetzt noch an einer Kontaktreduktion vorbeikommt. Gewisse Treffen müssten vermieden werden – "zum Beispiel solche in Vereinen", sagt er dem STANDARD. Den Lockdown für Ungeimpfte kann sich Hutter aber nicht vorstellen – auch praktisch. In Salzburg verweist man allerdings darauf, dass es einen bundesweiten Stufenplan für die Bekämpfung der Pandemie gibt. Dessen fünf Stufen sind an die Auslastung der Intensivstationen geknüpft.

Stufenplan nicht in Stein gemeißelt

Wobei der Plan nicht in Stein gemeißelt ist, wie man zuletzt gesehen hat: Mit den derzeit 420 in Österreich belegten Intensivbetten ist zwar die Stufe 3 mit einer 2,5G-Regel vorgesehen. Doch seit dieser Woche gilt Stufe 4 – die eigentlich erst ab 500 Belegungen vorgesehen war – und die 2G-Regel. Ein Lockdown für Ungeimpfte wäre das Vorziehen der Stufe 5, die ab 600 belegten Intensivbetten schlagend wird.

"Was wir bisher gemacht haben, hat nicht gereicht", sagt die Virologin Dorothee von Laer von der Med-Uni Innsbruck dem STANDARD. Sinken die Zahlen nicht, müssten andere Möglichkeiten ausgeschöpft werden. "Dazu gehört auch eine Kontaktbeschränkung", sagt sie. Offen lässt sie, ob ein Lockdown Ungeimpfte oder alle treffen soll. "Wir brauchen rasch eine Inzidenzkontrolle, da die Intensivstationen mit Verzögerung reagieren." Die Politik müsse jetzt entscheiden. "Wie viele Corona-Tote will man tolerieren, was ist den Mitarbeitern in den Intensivstationen und im Krankenhaus zuzumuten?" Das sei eine gesellschaftliche Entscheidung: "Ansonsten soll die Politik klar sagen: Wir wollen die Zahlen nicht senken, es sollen mehr Leute sterben."

Primar Knotzer vom Klinikum Wels war in der ZiB2 zu Gast.
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Auch Johann Knotzer, Primar und Leiter der Intensivmedizin im Klinikum Wels, gab in der "ZiB2" zu bedenken, dass sich der Anstieg der Infektionszahlen erst verspätet auf den Intensivstationen des Landes auswirken würden. Wenn die Zahlen in den nächsten Tagen weiterhin steigen würden, wären die Intensivstationen auch noch "ein, zwei, drei Wochen, vielleicht länger" belastet. Auf seiner Station seien mehr als zwei Drittel der Patienten ungeimpft, und der Rest sei vorbelastet, etwa mit einer Organtransplantation. Knotzer betont: Die jetzige Corona-Welle sei eine "Pandemie der Ungeimpften", das zeige die Lage auf seiner Intensivstation. (Vanessa Gaigg, Oona Kroisleitner, Markus Rohrhofer, Stefanie Ruep, 11.11.2021)