Schreibtische zum Teilen an der hellen Fensterfront, modulare Möbel in der Mitte des Großraumbüros "Laces".

Foto: JONATHAN DANKO KIELKOWSKI

Zurück ins Büro war die Devise vieler Unternehmen in den vergangenen Wochen und Monaten. Nach dem Corona-bedingten Dauerhomeoffice sollten die Teams vielerorts wieder gänzlich zurückkehren – oder zumindest an den meisten Tagen in der Woche.

Doch nicht alle finden das gut: Homeoffice und hybride Arbeitsformen – im Büro und zu Hause – werden gewünscht, zeigen etliche Umfragen und anekdotische Evidenz. Und können die Angestellten frei entscheiden, wie viele Tage sie remote arbeiten, resultiert das oft in nur spärlich besetzten Großraumbüros. Sie ziehen das Homeoffice dem Office vor. Es sei zu laut, Besprechungsräume für Videocalls mit den Kollegen im Homeoffice oder Orte zum kreativen Austausch fehlten, sind häufige Begründungen. Die flexible Arbeitsweise, die einige in der Pandemie kennengelernt haben und sich nun im hybriden Arbeiten fortsetzt, braucht neu gestaltete Büros.

Wie sollen diese also aussehen, sodass die Beschäftigten auch gerne zurückkommen und gut arbeiten können? Einer, der sich mit Antworten auf solche Fragen beschäftigt, ist der Architekt Martin Haller von Caramel Architekten. Das Architekturbüro hat bereits einige Büros geplant – etwa von einem großen deutscher Sportartikelhersteller oder den Science Park der Uni Linz. Seit 2017 testen die Architekten sozusagen selbst in ihrem Büro mit Bar im "Kitchen Hub", Bandproberaum im Keller und Shared-Desk-Prinzip, "ob die Raummodule aus unterschiedlichen Lebensbereichen unsere Bedürfnisse nach einer differenzierten Lebenswelt im Arbeitsumfeld befriedigen".

Davon berichten Haller und seine beiden Mitgründer in ihrem Buch Arbeiten in aneigenbaren Lebenswelten. Mit Fallbeispielen, historischen Einordnungen und Exkursen zu neuen Arbeitsformen beschreiben sie eine Anleitung, wie das Büro zur "individuell aneigenbaren Lebenswelt" werden kann. Denn: "So, wie sich unsere Arbeitsweise im Büro großteils von der fremdbestimmten Abarbeitung vorgegebener Arbeitsschritte zu einer selbstbestimmten Projektarbeit entwickelt hat, sollten wir als Büronutzerinnen und -nutzer die für diese neue Arbeitsweise erforderlichen Raumangebote selbstbestimmt mitgestalten können."

Mitarbeiterbedürfnisse

Vielfach stehe aber "trotz der neuen selbstbestimmten Arbeitsweise eher der betriebswirtschaftliche Wunsch nach optimierten Abläufen durch räumlich wie personell anpassungsfähige Systeme im Vordergrund". Heraus komme dann eine Lösung, die zwar dem Management passt, aber an den Bedürfnissen der Mitarbeitenden vorbeigeht. Beziehe man sie bottom-up ein, sei die Akzeptanz der neuen Bürogestaltung höher – und nicht zuletzt auch meist die Zufriedenheit und Leistung der Mitarbeitenden.

Wie kann also ein Büro im Sinne der Mitarbeiterbedürfnisse geplant und umgesetzt werden? Im Buch wird dafür im Detail der Umbau des Bürogebäudes "Laces" des Sportartikelherstellers angeführt. Diesen haben Caramel Architekten mit der Strategieberatung M.O.O.C.ON, die auf Bürogestaltung spezialisiert ist, für die dort untergebrachten 2300 Designer, Produktentwickler und Marketingkräfte umgesetzt.

In 22 verschiedenen Befragungs- und Planungsschritten vom Entwurf bis zur Fertigstellung wurden die künftigen Büronutzer nach ihrer Meinung gefragt. Etwa welche Bedürfnisse sie haben, was im Pilotprojekt im Nebengebäude bereits gut lief. Demnach wünschten sie sich etwa mehr Räume für Meetings und Projektarbeiten, "Fokusboxen", um in Ruhe zu arbeiten, modulare Möbel und Präsentationsflächen für Entwürfe, eine Bibliothek oder einen Tischfußballtisch – die letztlich alle umgesetzt wurden.

Desksharing

Ebenso wurde erhoben, wie viele regelmäßig an ihrem Schreibtisch sitzen. Das Resultat: Im Wochenschnitt arbeiteten knapp drei Viertel an ihrem Platz, der Rest in anderen Gebäuden oder zu Hause. Die nicht genutzten Tische kamen weg, die Teams teilen sich Arbeitsplätze. Entscheidend sei beim Desksharing die Gruppengröße, sagt Haller: "Bei einer Abteilung mit 100 Personen funktioniert das nicht. Bei zwölf Tischen für 15 Personen, die im gleichen Aufgabenbereich arbeiten, schon." Wichtig sei, dass in der Umgebung drei weitere mögliche Arbeitsplätze – ein Stehtisch oder eine Fokusbox – nutzbar sind.

Fällt die Gestaltungsfreiheit am eigenen Schreibtisch weg, werde sie bei individuell gestaltbaren Möbeln umso wichtiger. Für das "Laces"-Büro entwickelten die Beteiligten unter anderem ein Bibliotheksmodul, das in sieben verschiedenen Formen aufgebaut werden kann: als kompakte Bücherablage, offene Leseplattform oder Präsentationsbox. Die Teams verhandeln demokratisch, welche Form sie wollen, und können diese neu arrangieren. Nach dem Einzug ist die Zufriedenheit laut Mitarbeiterbefragung von 25 Prozent auf 73 Prozent gestiegen.

Sind es also die fehlenden individuell gestaltbaren Räume, die die Angestellten vom Office fernhalten? "Ja, aber nicht nur. Das Homeoffice ist natürlich praktisch – solange es nicht zur Dauerarbeit führt." Besteht das Risiko nicht auch, wenn die Büros so gestaltet sind, dass Angestellte nach der Arbeit dort noch ein Bier trinken und dabei über das Projekt sprechen? Durchaus, die Grenzen seien schwer festzulegen, und es könne Gruppenzwang entstehen, weiß Haller. "Ich frage, ob jemand da ist, weil er das Gefühl hat, er muss. Falls ja, soll er das als Arbeitszeit schreiben." (Selina Thaler, 12.11.2021)