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Es ist wieder Zeit, die Welt zu retten – zumindest für Fans von Call of Duty. Seit Anfang November dürfen diese nämlich die Schlachten des neuesten Teils, Vanguard, bestreiten.

Die Reise führt uns dieses Jahr zurück in die Vergangenheit, lässt uns in die Rolle einer Spezialeinheit der Alliierten schlüpfen, die in den letzten Tagen des Zweiten Weltkriegs auf geheimer Mission in Berlin landet.

Das Hauptaugenmerk liegt wie üblich auf dem Multiplayermodus. 16 Karten hat man hier für das digitale Kräftemessen zur Auswahl. Außerdem kann man sich im beliebten Zombiemodus den Horden von Untoten stellen.

Alt und trotzdem neu

All das kennt man schon von den Vorgängern. Call of Duty: Vanguard überrascht trotz abgedroschenen Settings aber mit einigen frischen Ansätzen, die für Abwechslung sorgen.

Eine große Rolle spielt dabei die Erzählweise: Zwar startet die Kampagne mit einem serienüblichen Actionspektakel samt Schießereien und Explosionen, der Versuch, ein geheimes Naziprojekt namens "Phoenix" aufzuspüren, scheitert aber – und der eigene Trupp landet in Gefangenschaft.

Ein Großteil der restlichen Kampagne wird ab sofort über Rückblicke erzählt, die uns nach Stalingrad, in den Pazifik, in die Normandie und nach Nordafrika führen.

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Unter anderem darf man ins Cockpit eines Kampfflugzeugs steigen.
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Den Spielern soll dadurch Einblick in die Vergangenheit und das Leben der eigenen Mannschaft ermöglicht werden, um die Charaktere zum Leben zu erwecken. Abwechselnd schlüpft man im Laufe der nächsten Stunden also in die Rolle aller Teammitglieder; bestehend aus Polina, einer russischen Scharfschützin, dem US-Piloten Wade, dem australischen Sprengmeister Lucas und dem britische Anführer Arthur.

Sie alle haben spezielle Fähigkeiten, orientiert an ihrer Profession. So kann man mit Lucas die Flugbahn von Granaten sehen, während Wade dank "Fokus" kurzzeitig Gegner durch Wände hindurch sieht. Arthur kann als Anführer unterdessen Angriffsbefehle erteilen. Inmitten des Chaos sorgt das von Level zu Level für etwas Abwechslung, obwohl manche Funktionen deutlich sinnvoller erscheinen als andere. Denn in der kurzen Zeit zwischen Prolog und Abspann bleiben nicht viele Momente, in denen man sich an alldem tatsächlich austoben kann. Vor allem die Befehlserteilung fühlt sich deshalb wie ein Gimmick an – unter anderem auch deshalb, weil die NPCs, egal ob Teamkollegen oder Gegner, nicht sonderlich treffsicher sind.

Vielfalt in bekannter Form

Ausschlaggebend für den anhaltenden Spielspaß ist deshalb vor allem die Vielfalt der Missionsszenarien. Natürlich muss man auch in Vanguard die bekannten Schlachtfelder in Begleitung von Panzern erobern. Hervorgestochen sind im Test aber insbesondere die Schleichmissionen, ob man nun in der Kälte des verschneiten Stalingrad Scharfschützen aus der Deckung locken musste oder im grünen Dschungel einer pazifischen Insel den feindlichen Soldaten ausweichen.

Dabei kommt es immer wieder zu spannenden Momenten, in denen man sich vor den Gegnern verstecken muss, deren Laufrouten beobachtet und getarnten Fallen ausweicht, um ja nicht erkannt zu werden.

In Stalingrad schlüpft man in die Rolle der russischen Scharfschützin Polina.
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Das bedeutet keinesfalls, dass die Entwickler vom Prinzip des Schlauchlevels, das einen ohne die Möglichkeit großer Umwege von A nach B führt, abweichen. Wer diese Art des Leveldesigns bisher nicht ausstehen konnte, wird also auch mit Vanguard nicht warm. Innerhalb dieser Einschränkungen haben die Entwickler allerdings neun abwechslungsreiche, teils sehr liebevoll gestaltete Missionen erschaffen – die man nicht links liegenlassen sollte, wenn man das Spiel auch für den Multiplayer kauft.

Wer ausschließlich nach einem tiefgründigen Singleplayer-Erlebnis mit ausgefeilten Charakteren und Bösewichten – bei Vanguard gibt es gleich zwei von ihnen – sucht, wird mit dem neuesten Teil aber nicht unbedingt glücklich.

Der Multiplayer

Das mag auch daran liegen, dass der Fokus des Shooters seit vielen Jahren auf dem Multiplayer-Teil liegt. Hier gibt es insgesamt 16 Karten, um in unterschiedlichen Spielmodi gegeneinander anzutreten. Für das eigene Loadout, also die Ausrüstung, mit der man in den Kampf startet, kann man zwischen insgesamt 38 Primär- und Sekundärwaffen wählen.

Die große Auswahl bietet Abwechslung, unter anderem, weil man bis zu zehn Aufsätze gleichzeitig verwenden kann. Diesbezüglich muss allerdings angemerkt werden, dass es aufgrund der ständigen Neubalancierung des Spiels – wie auch in früheren Teilen – bestimmte Aufsatzkombinationen und Waffen geben wird, die als "Meta" gelten, also die besten Ergebnisse erzielen. Will man in einer Lobby mithalten, ist die Auswahl deshalb gar nicht mehr so groß.

Skill Based Matchmaking

Apropos mithalten: Seit einigen Jahren setzt Call of Duty auf Skill Based Matchmaking (SBMM). Das soll dafür sorgen, dass man sich stets Gegnern gegenübersieht, die zumindest genauso gut im Spiel sind wie man selbst. Unter anderem will man damit sicherstellen, dass auch Anfänger und Gelegenheitsspieler Spaß haben und nicht in einer Lobby mit Halbprofis landen.

Unter anderem gibt es eine Schneemap, inspiriert von der Kampagne.
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In der Praxis bedeutet das allerdings auch, dass man jede Runde sein Bestes geben muss. Denn das SBMM ist gnadenlos getrimmt. Ein entspanntes Spiel ist kaum mehr möglich, wenn man nicht auf dem laufenden Band sterben will. Das hängt auch mit der kurzen Time To Kill (TTK) zusammen. Wirkliche Gunfights gibt es nicht, wer das beste Aim, die schnellste Reaktion und Internetverbindung hat, gewinnt. Für Gamer mit schwachen Nerven ist Vanguard also nichts.

Vor allem Youtuber, wahrscheinlich aber auch frustrierte Spieler wird das zum Reverse Boosting bewegen. Heißt: Sie lassen sich in Lobbys besonders oft töten und machen wenig Abschüsse, damit ihre Statistiken schlechter werden – um dann gegen Anfänger antreten zu können, was wiederum diese frustrieren dürfte.

Suchtpotenzial trotz Bugs, Bugs, Bugs

Außerdem kämpft das Spiel zum Launch mit einigen Bugs. Unter anderem scheint es Probleme mit dem Netcode zu geben. Auf der Xbox Series X traten während des Tests immer wieder Packet Bursts und Latenzvarianzen auf. Das Spiel zeigte an, dass der NAT-Typ des Testers "moderat" sei. Dabei scheint es sich jedoch um einen weiteren Fehler zu handeln. Sowohl in den Xbox-Einstellungen als auch in Call of Duty: Warzone wurde dieser nämlich als "offen" bestätigt. Ähnliche Verbindungsprobleme konnten in anderen Serienteilen nicht festgestellt werden.

Trotz alldem macht das Spiel sehr viel Spaß. Immer wieder kommt es zu Situationen, in denen man das gegnerische Team dominiert und man Killstreak um Killstreak freischaltet. Das hat Suchtpotenzial, man will immer weiterspielen und das nächste Match gewinnen. Manchmal fühlt man sich fast in alte Zeiten zurückversetzt, als man in Black Ops oder Modern Warfare Stunden versenkte und die Konsole nicht ausschalten wollte.

Man kann bis zu zehn Aufsätze auf den Waffen anbringen.
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Für die besonders ambitionierten und talentierten Spieler gibt es außerdem wieder eine Belohnung, wenn man 30 Gunkills erreicht, ohne zu sterben. Einerseits erhält man eine "Nuklear"-Medaille, andererseits eine V2-Rakete. Zündet man diese, ist das Spiel beendet und automatisch gewonnen.

Unter den 16 Maps gibt es schon jetzt einige, die besonders positiv hervorstechen. Besonders beliebt ist der Remake von Dome, gefolgt von Das Haus. Bei beiden handelt es sich um kleine, geradlinige Karten mit besonders viel Action.

Der Level-Grind

Motivierend ist tatsächlich auch das Prozedere des Waffen-Upgrades, mit dem man die eine oder andere Stunde totschlagen kann. Insgesamt 70 Level gibt es, und mit jeder neuen Stufe erhält man Zugang zu neuen Aufsätzen und die Möglichkeit, neue Tarnungen freizuschalten. Der Fortschritt wird Anfang Dezember zu Warzone übertragen, wenn das Battle-Royale-Game eine neue Karte spendiert bekommt.

Auch hinsichtlich der Spielmodi gibt es dieses Jahr ein paar neue Schmankerl. Neben den üblichen Verdächtigen wie Team Deathmatch, Frei für Alle und Eroberung findet man in der Auswahl auch Patrol. Der Modus gleicht Hardpoint, man muss also einen dezidierten Punkt auf der Karte möglichst lange halten und Punkte sammeln. Der Unterschied: Das Ziel bewegt sich über die Map, sobald ein Spieler draufsteht, was eine frische Spieldynamik mit sich bringt. Zusätzlich gibt es einen eigenen 2vs2- und 3vs3-Modus.

Erstmals gibt es außerdem zerstörbare Map-Elemente wie Holzwände, verbarrikadierte Fenster und Türen. Was auf den ersten Blick nach einem Gimmick klingt, schafft in der Praxis durchaus frische Spieldynamiken, weil es neue Routen eröffnet und man zum Beispiel Gegner aus einer Richtung flankieren kann, die sie nicht erwarten.

So sieht es aus, wenn das Field of View auf 80 gestellt ist.
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Und so viel sieht man bei einem Field of View von 120.
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Wer eine Xbox Series X oder PS5 besitzt, dürfte sich zudem darüber freuen, dass man endlich das Blickfeld anpassen kann. Bisher war dieses standardmäßig auf 80 festgelegt, jetzt liegt das Maximum bei 120 – wie es in der PC-Version des Spiels bereits üblich ist. Das macht einen enormen Unterschied, weil man sehr viel mehr von der eigenen Umgebung sieht.

Die Untoten

Der STANDARD-Test hat sich vor allem auf den Multiplayer und Singleplayer konzentriert. Allerdings scheint der eigentlich beliebte Zombiemodus in der Community derzeit für Unmut zu sorgen. Fans vermissen rundenbasierte Karten, auch die Split-Screen-Funktion wurde gestrichen. Außerdem ist es nicht möglich, das Spiel zu pausieren – selbst wenn man allein spielt.

Es bleibt zu hoffen, dass Sledgehammer Games auf die enttäuschte Fanbasis hört und neue Inhalte im Rahmen kommender Updates nachliefert.

Fazit

Call of Duty: Vanguard hat eine regelrechte Kehrtwende eingelegt. Während der offenen Beta drohte sich eigentlich schon abzuzeichnen, dass das Spiel ein Flop wird. Tester waren damals enttäuscht vom Sounddesign, dem Gunplay und dem allgemeinen Spielgefühl.

Dieses Feedback haben sich die Entwickler zu Herzen genommen. Auf zahlreiche Kritikpunkte wurde eingegangen, wodurch insbesondere der Multiplayer trotz Kinderkrankheiten schon jetzt für spaßige Spielstunden sorgt. Aber auch der Storymodus, so kurz die Kampagne auch sein mag, enttäuscht nicht. Klar, es ist noch immer ein Schlauchlevel-Shooter. Aber die meisten Missionen wissen mit stimmungsvoller Gestaltung und einem für Call of Duty abwechslungsreichen Gameplay zu überzeugen. Das bedeutet: Fans können sich ohne große Bedenken in die Schlacht stürzen. (Mickey Manakas, 13.11.2021)