Nach den Yoga-Übungen noch kuschelige Socken anziehen und Decke holen – und ab vor die Lieblingsserie. So schön könnte Männlichkeit sein.

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Ich muss Ihnen etwas gestehen. Etwas, das ich schon so lange mit mir herumtrage, dass ich es nicht mehr für mich behalten kann. Ich weiß nicht, wie ich es sagen soll, aber, puh, am besten einfach raus damit: Seit einigen Jahren bin ich nun schon Mitglied im Club der falschen Kerle.

Das ist auch der Grund, warum ich diese Texte hier schreibe. Manchmal sitze ich mit meinen unechten Jungs zusammen, und dann lachen wir über die Dinge, die echte Kerle, ganze Männer und harte Typen machen müssen, um sich ihre Männlichkeit echtheitszertifizieren zu lassen. Dann wiederum ist uns zum Heulen zumute, wenn wir daran denken, dass alle anderen Typen immer noch Fußballbegeisterung, Sackkratzen, lautes Herumbrüllen oder Harte-Entscheidungen-Treffen performen müssen, um als mannhaft zu gelten.

Das ist so langweilig, zäh und ermüdend, dass wir uns entweder sehr unmännlich darüber freuen, bei diesem Männlichkeitsgehampel nicht mehr mitzumachen, oder extrem unmännlich mit denen mitleiden, die immer noch am Hampeln sind. Um uns auf andere Gedanken als Hampelmänner zu bringen, backen wir mehrstöckige Torten, erzählen uns rührende oder lustige Anekdoten über unsere Kinder, gucken Tanzfilme und verwöhnen uns gegenseitig mit Pediküren. Manchmal begeistern wir uns auch für Fußball, kratzen uns am Sack, brüllen herum oder treffen harte Entscheidungen. Aber wir drehen uns anschließend nicht um und suchen in den Augen anderer nach Männlichkeitszertifizierungen dafür.

Wenn wir auseinandergehen, beschwören wir den Zusammenhalt unserer Gemeinschaft bei der literarischen Figur, die wir uns als Schutzpatron erwählt haben. Bartleby, der Schreiber aus der gleichnamigen Erzählung von Herman Melville. Jener Angestellte also, der als Schreibgehilfe für seinen Vorgesetzten unermüdlich Verträge kopiert, aber mit den Worten "Ich möchte lieber nicht" jede andere Tätigkeit ablehnt. Bis zu dem Tag, an dem er mit diesen Worten schließlich auch das Vertragskopieren ablehnt. Gut, Bartleby lehnt schlussendlich auch das eigene Überleben in ihm nicht genehmen Verhältnissen ab, und so weit gehen wir nur metaphorisch. Wir lehnen es ab, uns an die Vorschriften zu halten, mit denen angeblich notwendigerweise Männlichkeit belegt werden muss. Diese Not existiert nämlich überhaupt nicht.

Es tut nicht Not, sexistische Sprüche zu reißen, Frauen abzuwerten und auf Homosexuelle herabzublicken. Es tut nicht Not, sich bis zur Erschöpfung abzurackern, für die Karriere bereitzuhalten, in Ärsche zu kriechen oder der Arsch zu sein, in den es zu kriechen gilt. Es tut auch nicht Not, permanent einen auf Sportficker zu machen, der alle Frauen rumkriegt und nie an etwas anderes denkt. Diese Not ist lediglich inszeniert. Männlichkeit, so wie sie leider immer noch viel zu oft erzählt und vermittelt wird, soll das Gegenmittel in einem behaupteten Katastrophenfall sein: Wenn ihr jetzt nicht ranklotzt, die Zähne zusammenbeißt und alles runterschluckt, dann wird das hier nichts. Wenn ihr nicht mitmacht, dann fliegt der ganze Laden in die Luft. Tatsächlich ist echtheitszertifizierte Männlichkeit nach wie vor die eigentliche Katastrophe. Sie ist nicht zuletzt auch der Grund dafür, dass sich Österreich dieses Jahr die Europameisterschaft in Femiziden sichert.

Zumindest in dieser Sache sollten wir uns alle darauf einigen können, dass wir sie nicht wollen. Wenn ich Sie also frage, ob Sie Lust an der Macht hätten, Frauen einzuschüchtern und ihnen Gewalt anzutun, um Ihre Interessen durchzusetzen, dann werden Sie wohl "Ich möchte das nicht!" antworten können. Und womöglich werden Sie sogar feststellen, dass sich der Satz für Sie richtig gut anfühlt. Hey, wollen Sie vielleicht so tun, als hätten Sie Interesse an Sport, obwohl Sie es sich viel lieber auf der Couch mit Schokolade vor 'ner Serie gemütlich machen würden? Ihr Einsatz. Hätten Sie vielleicht Lust, einer Kollegin vorgezogen zu werden, die genauso viel drauf hat wie Sie, aber länger dabei ist? Ihr Einsatz. Wollen Sie weiterhin so tun, als wären Sie in Ihrem eigenen Leben nur die Aushilfskraft, die an Wochenenden "auch mal die Kinder nimmt"? Ihr Einsatz.

Bunte Schirmchen

Aber vielleicht wollen Sie dem Club der falschen Kerle nicht beitreten, weil Sie unsere Motive in Zweifel ziehen. Immerhin erzählt man sich überall, dass wir uns nur zusammengetan haben, weil wir alle kleine Schwänze haben, keine Frauen abkriegen, in unserem Job nicht vorankommen und uns vor körperlichen Auseinandersetzungen fürchten. Schon möglich. Vielleicht sind wir im Club der falschen Kerle, weil wir keine echten sein können. Oder wir wollen einfach nicht. Wenn Sie einmal damit angefangen haben, übergriffige Zuschreibungen und Geschlechterrollenzwangsjacken mit "Ich möchte lieber nicht" abzulehnen, werden Sie feststellen, dass es gar nicht darauf ankommt, ob Sie Männlichkeitszwängen nicht nachgeben können oder wollen. Sondern darauf, was Sie für sich und Ihre Mitmenschen stattdessen möchten. In diesem Sinne sind Sie herzlich in den Club der falschen Kerle eingeladen. Als Einstandsgetränk gibt es einen harten Scotch, einen fluffigen alkoholfreien Cocktail mit buntem Schirmchen oder was immer Sie möchten. Es kommt ganz auf Sie an. (Nils Pickert, 14.11.2021)