Eine bedauernswerte Bekannte hatte kürzlich nacheinander telefonisch mit zwei Unternehmen zu tun: einer der größten Versicherungen des Landes und einer ebenso großen Bank. Die "Gespräche" fanden an einem helllichten Freitag bzw. Samstag statt, hernach war die Lady aber fix und fertig, denn der Verlauf beider Telefonate erwies sich, wie erwartet, als ein und dieselbe Tortur.

Erst vier Takte schleimig-sanfte Hintergrundmusik, dann die Stimme, entweder mit anlassigem Unterton oder einer ausgeprägt pompösen Note, so als rezitiere ihr Besitzer im Hauptberuf Hölderlin und Rilke und sei nur aus Versehen hierhergeraten.

Telefonate mit Großunternehmen können einen schnell in die Verzweiflung treiben.
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Die Stimme sagt, wie sehr sie sich über den Anruf freue, und schickt den Anrufer durch einen mehrstufigen Hindernisparcours: Wenn Sie dies wollen, drücken Sie die Eins, wenn Sie jenes wollen, drücken Sie die Vier. Sodann bittet sie "um einen Augenblick Geduld", man werde "so bald wie möglich" weiterverbunden.

Von nun an ist klar, was einem blüht. Binnen fünf Minuten wird man ungeduldig sein, nach zehn nervös, nach fünfzehn sehr nervös, nach zwanzig verzweifelt, nach dreißig wirft man wutentbrannt das Handy ins Korn.

Das also ist der Fortschritt. Wäre ja noch schöner, wenn Großunternehmen ihre Telefonzentralen ausreichend bestückten! Das könnte ja die Dividende schmälern! Die Zeitersparnis durch technologische Errungenschaften muss der Gegenwartsmensch sohin darauf verwenden, sich musikalischen Schleim auf die Ohrmuschel schmieren und sich von Tonbandschleifen nasführen zu lassen. Und beides nicht zu knapp. Es wäre besser, wenn einem das Tonband ehrlich beschiede, man solle doch seine große Notdurft verrichten gehen. Oder wenn sich gar niemand meldete. Wie bei der MA 35. Dann käme man sich wenigstens nicht veräppelt vor.

Müßig zu erwähnen, dass es ein intimes phänomenologisches Naheverhältnis von Tonbandstimmen und Politikerdiskursen gibt, bei welch Letzteren das Publikum – Beispiele: Corona, Erderwärmung, Verhüttelung, Versiegelung etc. etc. – seit Jahren in der Warteschleife hängt. Für Politiker ist das identische Jobprofil – folgenloses freches Schwätzen – natürlich ein Vorteil. Wenn’s im Parlament oder im Kanzleramt nicht klappt, könnte man ja immer noch ins Callcenter gehen. (Christoph Winder, 13.11.2021)