Das Spurenelement Eisen kann der Körper ausschließlich über die Nahrung aufnehmen. Besonders Frauen sind von einem Mangel betroffen.

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Als der 15-jährigen Nina beim Joggen schwindelig wird und sie nach Luft ringt, ist ihre Mutter alarmiert. Die Blutuntersuchung beim Hausarzt ergibt eine Anämie, eine Blutarmut. Nina fehlt Eisen, weswegen sie zu wenig Hämoglobin produziert. Das eisenhaltige Hämoglobin, Hauptbestandteil der roten Blutkörperchen, verleiht dem Blut nicht nur seine rote Farbe, sondern transportiert auch Sauerstoff über den Blutkreislauf in den gesamten Körper. Bei einem länger anhaltenden Eisenmangel kann der Körper nicht mehr genügend Hämoglobin herstellen. Die Symptome eines Eisenmangels sind je nach Schweregrad vielfältig und häufig unspezifisch: Müdigkeit, verminderte Leistungsfähigkeit, Kopfschmerzen, Schwindel, Atemnot bei körperlicher Anstrengung und eine blasse Haut können Hinweise sein.

Der Eisenmangel ist eine der häufigsten Mangelerkrankung des Menschen, in Europa sind etwa 20 Prozent der Frauen betroffen. "Es gibt unterschiedliche Stadien eines Eisenmangels, was bei der Behandlung berücksichtigt werden muss", erklärt der Mediziner Pierre Krayenbühl aus Uster, der seit 20 Jahren zum Thema forscht und eine Spezialsprechstunde zum Eisenstoffwechsel anbietet. So unterscheiden Ärzte zwischen einem Speichereisenmangel und einer Eisenmangelanämie. Der menschliche Körper speichert etwa drei bis fünf Gramm Eisen. Davon sind über zwei Drittel im Hämoglobin gebunden. Das restliche Drittel besteht zum größten Teil aus Speichereisen, das in Form von Ferritin in Muskeln und Leber vorkommt. Fehlt dem Körper Eisen, greift er zunächst auf die Eisenspeicher zurück, um die Hämoglobinproduktion aufrechtzuerhalten. Erst wenn die Eisenreserven erschöpft sind, sinkt auch die Hämoglobinkonzentration. "Eine Eisenmangelanämie ist seltener als ein Speichereisenmangel", so Krayenbühl.

Richtig essen

Das lebenswichtige Spurenelement, das im Körper vor allem an der Blutbildung beteiligt ist, wird über die Nahrung zugeführt. "Die Ernährung spielt entsprechend eine ganz wichtige Rolle", sagt Olav Lapaire, stellvertretender Chefarzt der Frauenklinik des Universitätsspitals Basel. Wer sich ausgewogen ernährt, nimmt normalerweise ausreichend Eisen zu sich. Besonders viel davon ist in Fleisch und Fisch. Getreide, Hülsenfrüchte und Nüsse enthalten zwar ebenfalls Eisen, allerdings ist jenes aus pflanzlicher Kost schlechter verwertbar. Ohnehin ist die Eisenaufnahme nicht sonderlich effizient: So wird das Eisen in Fleisch etwa zu 20 bis 30 Prozent aufgenommen, bei pflanzlichen Lebensmitteln sinkt die Aufnahmemenge auf maximal zehn Prozent. "Wer sich vegetarisch oder vegan ernährt, muss bewusst auf eine ausreichende Eisenaufnahme achten", sagt Lapaire.

Hinter einem Eisenmangel steckt oftmals ein gesteigerter Bedarf oder aber ein erhöhter Blutverlust. Risikogruppen sind neben Vegetariern und Veganern auch Kinder, Jugendliche und Frauen im gebärfähigen Alter. Kinder und Jugendliche brauchen in Wachstumsphasen vermehrt Eisen, und Frauen verlieren regelmäßig Eisen über die Monatsblutung. In der Schwangerschaft ist der Eisenbedarf zusätzlich erhöht.

Kommen mehrere Faktoren zusammen, begünstigt das einen Eisenmangel: Nina etwa ist im Vorjahr zehn Zentimeter gewachsen, ernährt sich vegetarisch und hat eine starke Menstruation. "Wenn junge Frauen womöglich auch noch wenig essen, weil sie schlank bleiben wollen, können sie rasch in einen Eisenmangel rutschen", so Krayenbühl.

Die Behandlung eines Eisenmangels richtet sich nach dem Schweregrad: Sinkt der Ferritin-Wert bei gesunden Erwachsenen unter 15 µg/l, liegt laut WHO ein (Speicher)-Eisenmangel vor. Sinkt gleichzeitig auch die Hämoglobinkonzentration unter 120g/l, diagnostizieren Ärzte eine Eisenmangelanämie.

Unterschiedliche Behandlungsarten

Bei einem moderaten Eisenmangel sind Eisentabletten die erste Wahl bei der Behandlung. Die Therapie kann sich allerdings über mehrere Monate hinziehen, da das Eisen in den Tabletten ebenfalls nur zu wenigen Prozenten aufgenommen wird. "Das restliche, nicht aufgenommene Eisen führt dazu, dass die Tabletten nicht so gut vertragen werden und die Therapie oft vorzeitig abgebrochen wird", so Krayenbühl, der deswegen eine niedrig dosierte orale Eisentherapie empfiehlt, auch um das Mikrobiom zu schützen. Die üblich dosierten Eisentabletten verursachen häufig Magen-Darm-Beschwerden wie Übelkeit, Blähungen oder Verstopfung.

Schlägt die orale Therapie nicht an, wird sie nicht vertragen oder leiden Patienten bereits an einer schweren Blutarmut oder bestimmten Krankheiten, kommen Eiseninfusionen ins Spiel. Hierbei wird ein Eisenpräparat intravenös direkt in die Blutbahn gespritzt. "Das Eisen wird auf diese Weise schneller aufgenommen und die Symptome klingen rascher ab", erklärt Lapaire. Auch Nina bekommt zu Beginn Eiseninfusionen, um ihren Hämoglobinwert rasch zu stabilisieren.

Eiseninfusionen sind in den vergangenen Jahren allerdings in Verruf geraten: Sogenannte Eisenzentren, von denen es in der Schweiz insgesamt 70 Stück gibt, verabreichen die Infusionen auch Frauen mit Ferritin-Werten deutlich über 15µg/l, wenn diese an vermeintlichen Eisenmangelsymptomen wie Müdigkeit leiden. Dabei ist unklar, wie sehr ein Eisenmangel ohne Anämie überhaupt Beschwerden verursacht.

Eiseninfusionen können in seltenen Fällen allergische Reaktionen auslösen – und man kann den Körper mit Eisen auch überladen, da dieser Eisen aktiv nicht ausscheiden kann. So müssen Menschen, die aufgrund eines Gendefekts an der Eisenspeicherkrankheit leiden, also zu viel Eisen aufnehmen, wöchentlich zum Aderlass. Dauerhaft überhöhte Eisenwerte können Organe schädigen und werden mit bestimmten Krebsarten in Verbindung gebracht.

So würden weder Lapaire noch Krayenbühl Eiseninfusionen über einem Grenzwert von 30 µg/l empfehlen. Krayenbühl räumt aber eine Grauzone zwischen einem Ferritin-Wert von 15 bis 30 µg/l ein. "Zum einen unterliegt die Ferritin-Messung auch gewissen Schwankungen, zum anderen muss man in dieser Grauzone von tatsächlich sehr knappen Eisenreserven ausgehen."

Eine Eisenwertkontrolle empfiehlt Lapaire vor allem Schwangeren. Wichtig sei aber, dass Frauenärzte junge Frauen für das Thema sensibilisieren. Ninas Eisenwerte haben sich nach fünf Monaten erholt. Die junge Frau nimmt dreimal die Woche eine Eisentablette und lässt ihre Eisenwerte vierteljährlich kontrollieren. (Juliette Irmer, 15.11.2021)