Auch wenn das Spiel technisch nicht ganz vorne mitspielt, das Design der From-Software-Spiele ist immer einzigartig.

Foto: From Software

"Warum spielt man sowas?", soll sich ein Redakteur beim STANDARD gefragt haben, als er zum gefühlt 45. Mal "Ihr seid gestorben" am Bildschirm lesen musste. Ja, "Elden Ring" stapft frohgemut in die großen und wenig verzeihenden Fußstapfen der bisherigen From-Software-Games, namentlich "Dark Souls" oder auch "Bloodborne". Nach ein paar Stunden im Spiel muss man aber auch als ambitionierter Gelegenheitsspieler neidlos anerkennen, dass hier ein Action-Spiel mit großen Ambitionen und noch mehr Potenzial wartet.

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Offene Welt

Im derzeit abgehaltenen Netzwerktest, der noch bis zum 15. November andauert, dürfen ausgewählte Medien und vorangemeldete Spieler das erste Gebiet des Spiels auf Playstation 5 oder PC frei erkunden. Das ist ungewohnt, denkt man an die zwar verzweigten, aber dennoch schlauchartigen Levels der "Dark Souls"-Spiele, die ohne Zweifel die geistigen Vorgänger von "Elden Ring" sind.

Zu Beginn wählt man eine von fünf Klassen aus, die sich in zahlreichen Attributen unterscheiden, etwa Kraft, Ausdauer und diverse magische Fähigkeiten. Danach startet man mit einem bereits optisch ansprechend aussehenden Charakter in die Welt. Wie von Games des Herstellers gewohnt, erklärt das Spiel nicht allzu viel, sondern lässt den Spieler selbst alles entdecken. Immer wieder findet man aber Notizen am Boden, die man auch selbst anlegen kann, in denen andere Spieler auf potenzielle Feinde hinweisen oder andere Tipps geben. Diese können natürlich wahr oder auch falsch sein – was der Entdeckungsreise eine zusätzliche Facette verleiht.

In der aktuell für den Netzwerktest verfügbaren Version verlässt man schon nach wenigen Minuten eine kleine Höhle, und der erste Abschnitt breitet sich vor unseren Augen aus wie die offenen Arme einer uns wohlgesonnenen Elfe. Da fliegen Vögel am Himmel, das Gras wiegt sich im Wind, und so manch bunter Fleck giert nach unserer Aufmerksamkeit. Viele dieser Flecken sind sammelbare Pflanzen oder Materialien, die es im Inventar zu verstauen gilt, um sie später in Heiltränke oder Waffenverbesserungen zu investieren.

Schleichen geht jetzt einfacher und erweist sich als äußerst hilfreich.
Foto: From Software

So weit also viele bekannte Elemente, die man als "Dark Souls"-Spieler in den letzten Jahren erlernen durfte. Die wirklich große Änderung im Vergleich, im wahrsten Sinne des Wortes, ist die große offene Welt, die sich dem Spieler offenbart. Diese lässt freies Erkunden zu, was, reitet man auf seinem Ross dahin, sehr an Spiele wie etwa "Zelda: Breath of the Wild" erinnert. Vor allem auch deshalb, weil es ähnlich wie das Nintendo-Game an allen Ecken und Enden kleine Überraschungen parat hält, die den Aufwand auch belohnen.

So viel das Erkunden Spaß macht, die eigenen Wurzeln kann das Spiel nicht verleumden. So sind Animationen und Bewegungsgeschwindigkeit noch immer an die engen Levels der Vorgänger angepasst – hier darf man keine großen Sprünge erwarten oder ein neues Gameplay-Konzept, das der offenen Welt mehr Rechnung trägt. Die Kämpfe machen aber wieder gewohnt viel Freude, sofern man als Erster zuschlägt. Das eigene Ableben ist nämlich auch in "Elden Ring" nach ein bis drei Schlägen der Gegner erreicht und man darf den Schriftzug "Ihr seid gestorben" einmal mehr über den Bildschirm rinnen sehen. In blutroter Schrift, versteht sich.

Auf die Seite rollen, blocken, Angriffe in zwei Stärken und Magieattacken lassen sich gut einsetzen, um Wölfe, Ritter und ähnliche Widersacher in ihre Schranken zu weisen. Die teils bockige Kamera macht das Leben zwar oft nicht einfacher, aber eine gewisse Leidensfähigkeit bringt man als From-Software-Fan ohnehin mit zum Joypad.

Beritten kann jetzt auch gekämpft werden. Primär braucht ihr euer Reittier aber, um die große Welt zu erkunden.
Foto: From Software

Gemeinsam

Ins virtuelle Gras zu beißen gehört zum Spiel einfach dazu. Nach eurem Ableben gilt es, euren Körper und die bis dahin verdienten Runen wieder aufzusammeln. Diese sind wichtig, um eure Fähigkeiten zu verbessern. An den Leuchtfeuern des Spiels kann ebendies erledigt und zudem das Inventar verwaltet werden.

Also viel Bekanntes, was uns der Entwickler hier liefert – auch unbarmherzige Bossgegner. So warteten im ersten Abschnitt etwa ein dick gepanzerter Ritter auf uns sowie ein feuerspeiender Drache. Hier hilft das Herbeirufen anderer Spieler, die euch im Kampf unterstützten können. So kann man das Frustlevel zumindest punktuell ein wenig nach unten drücken.

Generell scheint "Elden Ring" mit seinen vielen Einstellungsmöglichkeiten, was den eigenen Charakter betrifft, und den neuerdings sehr zugänglichen Schleichangriffen etwas einsteigerfreundlicher zu werden als bisherige Spiele des Entwicklers. Das Kampfsystem bleibt allerdings knochenhart und verzeiht keinerlei Fehler.

Ersteindruck

Als Kenner, aber nicht unbedingt Liebhaber der From-Software-Spiele muss der Autor dieser Zeilen seinen Frust und seine Frage, warum man sich mit Videospielen so geißeln muss, hinten anstellen und professionell beurteilen, was "Elden Ring" bietet. Neben einer spannenden Open World, die derzeit allerdings noch unter der verstaubten Steuerung leidet, wartet mit dem Spiel eine wohl würdige Fortsetzung der "Dark Souls"-Reihe, auch wenn sie punktuell neue Ansätze versucht und sich ein wenig breiter aufstellt.

Die Gefahr, dass sich From Software mit dem Spiel verläuft, ist unwahrscheinlich, auch wenn die offene Welt nicht ohne Lehrgeld für Entwickler und Spieler entstehen wird. Das Feedback im Netz ist in jedem Fall überwiegend positiv – und so können sich Fans der Materie Ende Februar 2022 vorsichtshalber schon jetzt im Kalender rot markieren. Nach der letzten Verschiebung um einen Monat darf man wohl hoffen, dass dieses Zeitfenster verlässlich eingehalten wird. (aam, 12.11.2021)