In der Kreisky-Ära (von 1970 bis 1983) wurde in der Bildung sehr weit nach vorne gedacht, sagt Peter Schlögl, Professer an der Alpen-Adria-Universität Klagenfurt und wissenschaftlicher Leiter des Österreichischen Instituts für Berufsbildungsforschung (ÖIBF). Das Institut gehört zu den noch heute sichtbaren Spuren dieser Zeit. Gegründet wurde es vor 50 Jahren. Es zählte zu den ersten außeruniversitären Forschungseinrichtungen dieser Art in Europa. Zu den anfänglichen Aufgaben des Instituts gehörte die Erstellung von Berufslexika und berufskundlichen Unterlagen.

Heute forscht das Institut zu unterschiedlichen berufsbildungsrelevanten Fragen wie beispielsweise den förderlichen Faktoren für mehr Frauen in technischen Ausbildungen und Berufen oder zur Kompetenzanerkennung und Validierungspraxis in der Erwachsenen- und Weiterbildung. Aber bis heute ist das Institut außeruniversitär geblieben. "Das hat Vor- und Nachteile", sagt der wissenschaftliche Leiter. Zu den Vorteilen gehöre, dass man bei den Forschungsfragen immer am Puls der Zeit sei, herausfordernd sei aber die Finanzierung. Denn die Expertise der Mitarbeiter soll ja gehalten werden.

Österreich habe die höchste Zahl an Schülerinnen und Schülern, die nach der Pflichtschule eine Form der Berufsbildung wählen, sagt Peter Schlögl.
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Ungleiche Gewichtung

Dass das Institut nach wie vor nicht an eine Hochschule angedockt hat, habe, so Schlögl, wohl auch damit zu tun, dass Berufsbildung generell nicht als echte, relevante Bildung anerkannt werde. "Dabei haben wir in Österreich die höchste Zahl an Schülern, die nach der Pflichtschule in irgendeiner Form eine Berufsbildung wählen – sei es vollschulisch beispielsweise in Handelsakademien oder Fachschulen oder durch duale Lehrberufe." Schülerinnen und Schüler an den Gymnasien machen nach der Pflichtschule nur rund 20 Prozent aus. Dennoch gebe es mehr Forschung zu allgemeiner Bildung als zur Berufsbildung.

Im Vergleich dazu gebe es in Deutschland, das ebenfalls stark auf duale Ausbildungsmodelle setze, ein Bundesinstitut für Berufsbildung (BIBB) mit 700 Mitarbeitern und in der Schweiz die Eidgenössischen Hochschule für Berufsbildung (EHB), zusätzlich werden sechs Exzellenzzentren an Schweizer Universitäten öffentlich finanziert. "In Österreich gibt es hier eine hohe Unaufmerksamkeit." Die Gründe dafür sieht Schlögl einerseits in der Ignoranz der Hochschulvertreter ("Das ist sozusagen die Schmuddelecke der Bildung") und andererseits im hohen Umsetzungspotenzial der Sozialpartner. Vertreter der einzelnen Berufsgruppen machen sich aus, was in ein modernes Berufsbild gehöre. "In der Schweiz gibt es dazu schon seit vielen Jahren spezifische wissenschaftlich evaluierte Verfahren für die Berufsbildentwicklung." In Österreich passiere sehr viel en passant, kritisiert er. "Aber wenn ich ein guter Tischler bin, muss ich noch lange kein guter Ausbildner sein." Hier klarere Vorgaben zur Ausbildungsverpflichtung in den Unternehmen zu machen wäre sinnvoll.

Internationaler Vergleich

In anderen Feldern sei aber die Akzeptanz der Berufsbildungsforschung gestiegen. Dazu zähle etwa die international vergleichende Forschung. "Man hat sich davon verabschiedet, dass die deutschsprachigen Länder mit ihrer dualen Ausbildung Unikatsformen sind, die es sonst nirgends auf der Welt gibt. Mittlerweile lernt man auch von anderen Ländern, wie es gehen kann." Und auch bei politischen Reformprojekten, wie beispielsweise der Ausbildungspflicht bis 18, der Einführung der Berufsreifeprüfung oder der Erarbeitung des Nationalen Qualifikationsrahmen (NQR), wurde auf wissenschaftliche Begleitung gesetzt, ergänzt Schlögl. "Ohne wissenschaftliche Begleitung wären diese Vorhaben wohl an ideologischen Widerständen gescheitert."

Was insgesamt zur Qualitätshebung der Berufsbildungsforschung beitragen könnte, wären einschlägige Forschungsprogramme. "In der Schweiz wurden bei der Novellierung des Berufsbildungsgesetzes 2004 bestimmte Themen identifiziert, die mit Forschungsmitteln ausgestattet wurden." Solche strategischeren und strukturelleren Maßnahmen wären auch in Österreich wünschenswert, genauso wie eine Novelle des Berufsbildungsgesetzes. Das Gesetz stammt aus dem Jahr 1969. "Der Begriff Berufspädagogik findet sich dort kein einziges Mal, aber bis heute steht noch das Züchtigungsverbot bei der Ausbildung drinnen. (Gudrun Ostermann, 16.11.2021)