Flüchtlinge campieren an der Grenze Polens mit Belarus.
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Asylsuchende haben ein Anrecht auf ein faires Verfahren, sobald sie Staatsboden betreten haben, und dürfen ohne Prüfung nicht abgewiesen werden: Dieses Prinzip ist fest im europäischen Recht verankert. Als im Jahr 2015 Millionen von Flüchtlingen in Griechenland und Italien ankamen, stieß es allerdings an praktische Grenzen. Denn die Aufnahme schafft massive Anreize für ein illegales Schlepperwesen, das den Zweck des Asylrechts untergräbt. Dennoch hielt man in der EU grundsätzlich an diesem Recht fest.

Doch in den vergangenen zwei Jahren entstand eine neue Situation: Autoritär regierte Nachbarstaaten missbrauchen die europäische Rechtsordnung und nutzen sie – und die Migranten – als politische Waffe. Anfang 2020 schickte die Türkei Tausende über den Grenzfluss Evros nach Griechenland, und nun geht das geächtete Regime in Belarus einen Schritt weiter, indem es Menschen bewusst aus dem Nahen Osten einfliegt, damit sie dann in Polen und Litauen eindringen.

Europäische Staaten dürfen sich das nicht gefallen lassen. Die Aufnahme dieser Migranten in ein Asylverfahren würde Alexander Lukaschenko bloß dazu verleiten, den Zustrom noch zu verstärken. Gleichzeitig darf man sie nicht im Grenzgebiet erfrieren lassen. Es braucht daher neue Modelle, etwa humanitäre Korridore mit sofortiger Rücksendung in die Heimatländer, um diese aggressiv angezettelte Krise zu bewältigen. Das Asylrecht, wie wir es kennen, ist dafür nicht geeignet. (Eric Frey, 12.11.2021)