Rossi und seine neun Maschinen, mit denen er Weltmeister geworden war.

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Rossi mit seinem aktuellen Rennhobel.

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Rossi und seine Fans.

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Ciao, ciao, ciao!

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Im Hinblick auf sein Abschiedsrennen hat ihm das Team am Donnerstag eine Überraschung bereitet. Auf einer Bühne standen in Reih' und Glied alle neun Rennmaschinen, mit denen Valentino Rossi in seiner 26 Jahren langen Karriere Weltmeister geworden war: Die Aprilia 125 des Jahres 1997, mit der er in Brünn seinen ersten Titel gefeiert hatte, die Aprilia 250 von 1999, die drei Hondas aus den Jahren 2001 bis 2003 mit 500 und 1000 Kubikzentimetern, und schließlich die vier Yamahas der Jahre 2004, 2005, 2008 und 2009 mit 1000 und 800 Kubikzentimetern. Rossi ist der einzige Motorradrennfahrer, der Weltmeister in vier Kategorien wurde: bei den 125ern, den 250ern, den 500ern und in der MotoGP.

115 Siege

Nach 431 Grand-Prix-Rennen, 235 Podestplätzen und 115 Siegen trennen den 42-Jährigen nun noch die 27 Runden von Valencia von seinem Karriereende. "Ich hoffe, dass mir beim Überfahren der Ziellinie nicht die Tränen kommen", erklärte Rossi. Das passiere ihm eigentlich selten – "ich ziehe es vor, zu lachen." Der härteste Moment sei ohnehin jener gewesen, als er im Juni nach dem Rennen in Assen den Entschluss gefasst habe, aufzuhören. "Ich hätte gerne noch ein wenig weitergemacht, aber ich musste mir eingestehen, dass ich nicht mehr mit den Jungen mithalten konnte." Tatsächlich stammt der letzte Weltmeistertitel aus dem Jahr 2009; den letzten GP-Sieg errang Rossi 2017. Bei seinem letzten Heimrennen in Misano am 19. September wurde er Zehnter.

Ikone

Dass Valentino Rossi seit zwölf Jahren seinem 10. Titel hinterher fuhr, tat seiner enormen Popularität freilich keinen Abbruch: Rossi ist in Italien längst zum rasenden Denkmal geworden, zu einer Fahrer-Ikone. Das hat nicht nur mit seinen früheren Erfolgen zu tun, sondern vor allem mit seinem Mut und seiner schon fast tänzerisch anmutenden Fahrweise, aber auch mit seinem Humor und seiner Selbstironie: Seine Possen und Einlagen sind legendär. Einmal begab er sich mit einer aufblasbaren Puppe auf die Ehrenrunde, ein anderes Mal in einem Robin-Hood-Kostüm. Sein Charme und sein Witz haben ihn weit über den Kreis der Motorsport-Fans bekannt und beliebt gemacht; seine Kombination aus Fahrkunst und Showtalent ist einzigartig. Rossis Status in Italien ist vergleichbar mit dem von Roger Federer in der Schweiz.

Ehrendoktorwürde

"Dottore Rossi" – die Universität von Urbino hatte ihm 2005 die Ehrendoktorwürde im Fach "Werbung und Kommunikation" verliehen – hatte die Rennfahrerei von Anfang an im Blut: Schon sein Vater und Manager Graziano, Jahrgang 1954, gewann drei Grand Prix in der 250-er Klasse. Vom Vater übernahm er auch seine legendäre Startnummer 46. Apropos 46: Der Zufall wollte es, dass sein Abschiedsrennen auf den 14. 11. 21 fällt: Die Summe der drei Zahlen ergibt 46. Und das letzte Rennen findet in der 46. Kalenderwoche statt. "Es war nicht einfach, den lieben Gott davon zu überzeugen, das Rennen auf diesen Tag zu legen", scherzte Rossi. Auch seinen Witz hat Valentino von seinem Vater geerbt: Graziano gab seinem Sohn mit auf den Weg, dass "das Benzin im Herzen mehr Kraft hat als jenes im Tank" – und dass die "allegria", die Fröhlichkeit, das Wichtigste sei.

Tanz am tödlichen Abgrund

Allerdings hat auch Rossi in seiner langen Karriere dunkle Momente erlebt – der Ritt auf den über 300 km/h schnellen Rennmaschinen ist, auch für die Talentiertesten der Zunft, immer auch ein Tanz am tödlichen Abgrund. Stark getroffen hat Rossi insbesondere der tragische Unfalltod seines jungen Freundes und Rennfahrerkollegen Marco Simoncelli im Oktober 2011. "Es war sehr hart, ein wirklich dramatischer Moment. Der Tag in Sepang, der Moment nach dem Rennen, war einer der schlimmsten meines Lebens. Ein Moment, in dem man sich fragt: ,Wie sollen wir weitermachen, verdammt?'", erinnerte sich der neunfache Weltmeister vor einem Monat, am 10. Todestag Simoncellis. Rossi selber hatte in 26 Jahren Rennfahrer-Karriere nur einen ernsthaften Unfall, auf der Strecke von Mugello: Er brach sich im Training das rechte Schien- und das Wadenbein und musste auf drei Rennen verzichten.

Schwerverdiener

Seine Akrobatik in der Todeszone hat Valentino Rossi zwischenzeitlich zum bestverdienenden Sportler Italiens gemacht – in den besten Zeiten verdiente er rund 40 Millionen Euro jährlich, mehr als jeder Fußballstar. Beim Ausfüllen der Steuererklärung nahm er es nicht immer so genau: Im Jahr 2007 wurde Rossi von den italienischen Steuerbehörden beschuldigt, zwischen 2000 und 2004 Einkünfte in Höhe von 160 Millionen Dollar nicht deklariert zu haben. Rossi löste das Problem mit einer Nachzahlung in der Höhe von 35 Millionen Euro. Seinen Status als Idol hat diese Affäre aber nicht langfristig beschädigt.

Neue Karriere

Nun dreht "Dottore Rossi" dem MotoGP-Zirkus den Rücken zu – aber den Rennstrecken wird er treu bleiben: Er plant eine zweite Karriere Auto-Rennfahrer. Die Idee ist nicht ganz neu: Bereits 2005 wollte ihn der Formel-1-Rennstall von Ferrari als Nachfolger von Michael Schumacher unter Vertrag nehmen und bot dem Zweirad-Superstar für drei Saisons 60 Millionen Euro. Der Plan zerschlug sich, doch in den letzten Jahren nahm Rossi am Steuer eines Ferrari 488 GT3 verschiedentlich an Langstreckenrennen teil, "spaßeshalber", wie er jeweils sagte. In Zukunft will er seine neue Leidenschaft aber ernsthaft betreiben: "Ich werde weiterhin ein Racer sein", versicherte Rossi unlängst im italienischen Fernsehen. "Sonst wird es mir noch langweilig." (Dominik Straub aus Rom, 13.11.2021)