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Beim Klimagipfel in Glasgow wurde bis zuletzt noch über einzelne Formulierungen gestritten.

Foto: Reuters/YVES HERMAN

Am Ende wurde es noch emotional. "Ich entschuldige mich dafür, wie dieser Prozess verlaufen ist, und es tut mir zutiefst leid", sagte Alok Sharma, Präsident der Klimakonferenz, als er nach dem Hammer griff, um das Klimapaket von Glasgow symbolisch zu besiegeln. Seine Stimme bricht, er kämpft mit den Tränen. "Aber entscheidend ist, dieses Paket zu schützen."

Das Paket, auf das sich rund 200 Staaten am Samstagabend in Glasgow geeinigt haben, vervollständigt einige bisher ungeklärte Punkte des bereits 2015 verabschiedeten Abkommens von Paris. Das bisher verfehlte Ziel, ärmeren Ländern jährlich 100 Milliarden US-Dollar bereitzustellen, damit sie Klimaschutz finanzieren können, soll nun endlich erreicht werden. Auch der Topf für Regionen, die bereits vom Klimawandel betroffen sind, wurde von 20 auf rund 40 Milliarden US-Dollar aufgestockt. Es ist die Einsicht, dass der Klimawandel bereits da ist, auch wenn die EU, USA und andere Staaten stärkere Zusagen bremsten.

Bilanz mit Zertifikaten

Es ging in Glasgow auch darum, in welcher Weise Staaten in Zukunft ihre Emissionen melden müssen – ein trocken klingender Punkt, der aber wichtig ist, um Buchhaltungstricks zu verhindern. Beschlossen wurde auch ein globaler, umstrittener Markt für CO2-Emissionen, auf dem sich säumige Staaten ihre Bilanz mit Zertifikaten von Overachievern aufbessern können.

Staaten sollen ihre nationalen Klimaziele außerdem bis 2022 nachbessern, denn auch Teil des Pakets ist: das Bekenntnis zum 1,5-Grad-Ziel, das in Paris noch als eine Art optionaler GoldStandard in den Vertrag aufgenommen wurde. Doch inzwischen weiß man, dass zwei Grad leider zu viel sind. "Der Unterschied zwischen zwei Grad und 1,5 Grad ist für uns ein Todesurteil", brachte es die Delegierte der Malediven auf den Punkt. Der Inselstaat sinkt langsam unter den steigenden Meeresspiegel.

Streit um die Kohle

Doch weder das 1,5-Grad-Ziel noch die Klimafinanzierung oder der CO2-Markt machten die Verhandlungen zum Schluss so zäh, dass sie Sharma Tränen in die Augen trieben. Es war ein Passus zum Ausstieg aus der Kohlekraft, der die Wogen am Ende des Gipfels hochgehen ließ. Bereits in frühen Entwürfen zeichnete sich ab, dass es fossile Brennstoffe in der 26-jährigen Geschichte der Klimagipfel erstmals in das Schlussdokument schaffen würden. Bisher war man bei diesem Thema eher vage geblieben.

Doch unter dem Druck einiger Schwellenländer, darunter China und der Iran, wurde der Artikel immer weiter verwässert. War zuerst noch von einem Ausstieg aus der Kohleverstromung und dem Ende von Subventionen für fossile Brennstoffe zu lesen, waren es später nur "ineffiziente" Förderungen, die eingestellt werden sollten. Das Aus für Kohlekraftwerke bezog sich dann nurmehr auf "unverminderte" Anlagen. Solche, die ihre Emissionen mit der umstrittenen und weitgehend noch unerforschten Technik der CO2-Abscheidung und -Speicherung vermindern, könnten weiter am Netz bleiben.

"Um Himmels willen: Zerstört diesen Moment nicht!", forderte EU-Kommissar Frans Timmermans am Samstagnachmittag die Delegierten auf, den Vorschlag doch bitte anzunehmen.

Licht und Schatten

Doch auch dieser ging Indien nicht weit genug. Bei einer Plenarsitzung am Samstagabend sagte der indische Umweltminister Bhupender Yadav, dass Entwicklungsländer ein "Recht auf ihren fairen Anteil am globalen Kohlenstoffbudget" hätten – schließlich hat der reiche Norden bisher am meisten CO2 in die Atmosphäre geblasen. Der Hammer fiel letztlich also über ein Herunterfahren ("phase-down") anstatt eines kompletten Ausstiegs ("phase-out") aus Kohlekraftwerken.

Klimaschutzministerin Leonore Gewessler nannte das Ergebnis der Klimakonferenz eines "mit Licht und Schatten". China und Indien hätten die Verhandlungen stark blockiert, die Abschlusserklärung habe "nicht die Ambition, die es im Kampf gegen die Klimakrise gebraucht hätte, und auch nicht die, für die die EU so hart verhandelt hat". Das Ergebnis werde aber als Referenz für weiteres Engagement dienen. Dass fossile Energieträger in der Erklärung überhaupt vorkommen, sei schon einmal gut.

"Viel Schatten und wenig Licht" hingegen sieht WWF-Klimaexpertin Lisa Plattner. Das Ergebnis sei insgesamt ambitionslos und mit dem 1,5-Grad-Ziel nicht vereinbar, wichtige Fortschritte seien blockiert, entscheidende Punkte verwässert worden. Jasmin Duregger von Greenpeace sieht in dem Beschluss einen faulen Kompromiss. "Mit dieser Blablabla-Rhetorik werden wir die Zukunft unseres Planeten nicht sichern können", so Duregger.

"Historischer Deal"

Zumindest Timmermans hat sich den von ihm heraufbeschworenen Moment nicht zerstören lassen. Er nannte den Deal "historisch".

Tatsächlich gab es schon weniger erfolgreiche Klimakonferenzen als jene in Glasgow. Sollten alle dort gemachten Versprechen eingehalten werden, könnte die Erderwärmung erstmals unter der Zwei-Grad-Marke bleiben, was immer noch zu viel ist. Ob aus den Worten Taten werden, liegt allein an den Staaten – denn Sanktionen sehen die UN-Verträge nicht vor. (Philip Pramer, 14.11.2021)