Eine tausendfüßige Menschenschlange, FFP2-maskiert und entschlossen, zog am Samstag durch die Grazer Herrengasse. Mit Schildern und Trommeln, diesmal aber auch mit Kinderwägen und zumindest einem Teil der Demonstranten, die das Volksschulalter noch nicht erreicht haben, versammelten sich schätzungsweise mehr als 1.000 Personen in Graz um bessere Arbeitsbedingungen in den steirischen Kinderbildungs- und Betreuungseinrichtungen zu fordern. Die Veranstalter sprachen in einer Aussendung von über 2.000 Demonstrantinnen und Demonstranten.
Wie schon Mitte Oktober in Wien hatten für diesem Samstag die Elementarpädagoginnen und – Pädagogen der Steiermark in Graz zur Demonstration aufgerufen. Die Demo unter dem Namen "Kinderbildungsgipfel Jetzt!" forderte kleinere Gruppen und mehr Zeit für die Pädagoginnen und Betreuer, um sich ihrer eigentlichen Kernaufgabe, den Kindern, widmen zu können.
Sich unter den aktuellen Arbeitsbedingungen an den Bedürfnissen der Kinder zu orientieren, sei nämlich "nicht möglich", sagte Alexandra Obendrauf vom steirischen Berufsverband für Elementarpädagogik zum STANDARD. "Es sind einfach zu viele Kinder in der Gruppe, dazu kommen Verwaltungsaufgaben. Damit sich das alles ausgeht, müssen die Pädagoginnen und Betreuer Zeit von der Arbeit mit den Kindern abschneiden".
Kinder brauchen Profis
Dass sich an der Situation in den steirischen Kindergärten etwas ändern soll, wird seit langem gefordert. "Natürlich müssen auch mehr Betreuungseinrichtungen geschaffen werden, aber wenn diese fertig ist und sich kein Personal findet, was dann?", sagte etwa Judith Ernst von der Initiative für elementare Bildung, kurz IfeB, zum STANDARD.
Als rasch greifende Maßnahme um das Personalproblem in der Steiermark zumindest kurzfristig zu lösen, wurde am 13. Oktober 2020 ein neues Gesetz über die fachlichen Anstellungserfordernisse an steirische Elementarpädagoginnen und Elementarpädagogen beschlossen.
Das war zugleich die Geburtsstunde der Initiative #kinderbrauchenprofis". Denn viele Pädagoginnen sehen dieses Gesetz als Geringschätzung ihres Berufs an. Alexandra Obendrauf: "Das ausgebildete Personal ist frustriert, weil es so wie es jetzt läuft, seine eigentliche Arbeit nicht machen kann und verlässt die Branche. Dieses Gesetz geht auf Kosten der Bildungsarbeit, und ist eine Notlösung. Es wirkt so, als ob man mit ein bisschen einer Ausbildung, einem Crashkurs, dann in die Bildungsqualität gehen kann, die für die Kinder brauchen, das geht aber nicht. Eigentlich gehört die Ausbildung verfeinert."
Petition ohne Echo
Bereits im Frühjahr hatte die IfeB eine Petition für bessere Rahmenbedingungen gestartet und mehr als 10.000 Unterschriften gesammelt. "Bessere Rahmenbedingungen und einen Bildungsgipfel haben wir gefordert, bei dem Leute aus Wissenschaft, Politik aber vor allem aus der Praxis dabei sind, und aushandeln wie bessere Bedingungen erfüllt werden können", sagte Anna Riegler zum STANDARD. Sie ist Pädagogin im "Interkulturellen Bildungsgarten" in Graz und Teil von NeBÖ, dem Netzwerk für elementare Bildung Österreich.
Nachdem bislang alle Forderungen auf taube Ohren stießen, haben die IfeB, der Steirische Berufsverband für Elementarpädagogik und die Initiative #kinderbrauchenprofis die Demonstration am 13. November im Schulterschluss organisiert. (red, 13.11.2021)