Mit einigen sinnvollen Neuerungen schaffen es die Remakes viele Kritikpunkte der Vergangenheit zu eliminieren.

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Die Pokémon-Reihe steckt seit Jahren in einem Dilemma. Auf der einen Seite sind da die Entwickler, die von Generation zu Generation versuchen, die Monstersammelspiele mit neuen Ideen und Gameplayfunktionen frisch zu halten und weiterzuentwickeln. So hat man in den X- und Y-Editionen die Megaentwicklung eingeführt, eine Art Superentwicklung der Monster.

Diese wurde halbherzig in zwei weiteren Hauptgames implementiert, danach aber komplett gestrichen. Ein ähnliches Schicksal ereilte die Z-Attacken aus Sonne und Mond oder den Dreierkampf aus der Weißen Edition. Auf der anderen Seite sind da die Fans, die auf jegliche und vor allem unausgegorene Änderungen an ihrem geliebten Pokémon allergisch reagieren und ihren dogmatischen Unmut gegen Entwickler Game Freak in sämtlichen Foren kundtun. Denn der einzige Wunsch der Fanbase, ein klassisches Pokémon wie anno dazumal zu bekommen, in dem nur das Fangen und Kämpfen im Fokus steht und keine Neuerungen oder Open-World-Pipapo davon ablenken, der bleibt ihnen bis heute verwehrt.

Zwischen diese beiden Fraktionen, deren Standpunkte jeweils vollkommen legitim sind, tritt jetzt ein Remake der vierten Pokémon-Generation, die 2007 mit den Editionen Diamant und Perl begonnen hat. Strahlender Diamant und Leuchtende Perle könnten dank klassischen Gameplays, süßen grafischen Aufputzes und sorgfältig implementierter Neuerungen die Kluft zwischen den Fronten schließen.

Süßer, kleiner Puppen-Look

Die Remakes Strahlender Diamant und Leuchtende Perle wurden dieses Mal nicht von Hauptentwickler Game Freak, sondern von ILCA übernommen – einem Unternehmen, das bereits für den Cloud-Service Pokémon Home verantwortlich war. Für die Neuauflage der fast 15 Jahre alten Spiele hat man sich grafisch für den Chibi-Look entschieden. Charaktere wie Prof. Eibe, die Arenaleiter oder der eigene Charakter sind in einer Art Polly-Pocket-Design gestaltet – mit großem Kopf, kleinem Körper und knuffigem Aussehen.

Den realistischeren Look aus Schwert und Schild findet man als Fragment nur mehr in den Pokémon-Kämpfen wieder. Dadurch schaffen die Entwickler den schwierigen Spagat zwischen der gewohnten Optik und zeitgemäßen Konzepten. Für Gegner wie Schönheit Anya, Ass-Trainerin Yolanda oder Teenager Michael wurden zum Beispiel 3D-Modelle gestaltet, die detailgetreu von ihren Designs aus Diamant und Perl abstammen.

Weiters hat man den Top-down-Blick beibehalten, also den Blick von oben hinab auf die generalüberholte Welt von Sinnoh. Diese erstrahlt in noch bunteren Details. So besitzen Höhlen nun große Pforten in die Dunkelheit, und Wasseroberflächen spiegeln ihre Umgebung wider. Beibehalten hat man auch editionsspezifische Pokémon, was auch die legendären Monster betrifft: Die Vögel Arktos, Zapdos und Lavados gibt es nur in Perle, während die Hunde Raikou, Entei und Suicune nur in Diamant anzutreffen sind.

Der neue Chibi-Look.
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Alte Version, neue Updates

Überarbeitet wurden auch einige Gameplay-Features, die aus aktuelleren Versionen übernommen wurden. Den Typ Fee gab es in den alten Versionen noch nicht, ebenso kehrt das bei Fans eher unbeliebte Feature zurück, dass Erfahrungspunkte auf alle Monster im Team aufgeteilt werden – nicht nur auf jenes, das am Kampf teilgenommen hat. Das hebelt zwar komplett das gezielte und taktische Trainieren eines einzelnen Pokémons aus, sorgt aber für ein ausgeglichenes Kämpferteam und fördert die Fluktuation, immer wieder andere Monster ins Team zu holen.

Außerdem hat man sich fast komplett der VMs entledigt: Um Steine zu zertrümmern oder von Ortschaft zu Ortschaft zu fliegen, muss man diese Fähigkeiten keinem Pokémon mehr beibringen. Stattdessen aktiviert man sie in einer App auf dem Poketch, einer Art Smartwatch. Man kommt also nicht mehr zur unliebsamen Entscheidung, welches Monster für den Zerschneider geopfert werden muss.

An der Story selbst hat man nicht herumgeschraubt. Noch immer wählt man eines von drei Starter-Pokémon aus, muss die Revolutionspläne von Team Galaktik durchkreuzen, während man nebenbei auch noch der beste Pokémon-Trainer der Region werden soll. Beschwerliche Aufgaben für ein Kind.

Sheinux setzt Donnerschock ein.
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Im Untergrund-Labyrinth

Aber nicht nur der Puppen-Manga-Cutie-Stil ist neu. Die aus Diamant und Perl bekannten Untergrundhöhlen, ein unterirdisches Labyrinth, heben sich in den Remakes als extrem gemausertes Feature hervor. In den Alt-Versionen war das eher ein spielerisches Gimmick, um nach Schätzen und Fossilien in Wänden zu graben – keinesfalls ein spielzeitfüllender Modus. Nun ist das Höhlensystem ein Ort, an dem man auf seltene Pokémon stoßen kann. Ein Togepi auf Level 33 nur wenige Stunden nach Spielbeginn? Nur her damit!

Die Höhlen sind nun ein Hort für Sammler und Strategen, die das ultimative Team zusammenstellen wollen. So stößt man in der Magmagrotte vor allem auf Pokémon des Typs Feuer oder Gestein, in einer Kristallkammer leben Geister- und Psycho-Kreaturen, während man in der gemischten Großgrotte Normal-Monstern und Wasserbestien begegnet. Die Höhlen sind über ganz Sinnoh verstreut, in jeder davon spawnen die verschiedensten Kreaturen bereits zu Beginn im Level-30-Bereich, Tendenz steigend. Verlässt man die Höhle und tritt wieder ein, kann es sein, dass komplett andere Monster herumlaufen.

Das Höhlenupgrade ist nicht nur ein idealer Ort, um sich alle Pokémon zu schnappen, sondern auch um sein Team aufzuleveln. Auch das Anlegen einer Geheimbasis kehrt in den Remakes zurück und erhält eine neue Funktion: Unter den ausgegrabenen Schätzen finden sich Statuen von Pokémon. Stellt man zum Beispiel mehrere Abbilder von Pflanzen-Pokémon in seine Basis, tauchen in den passenden Höhlen vermehrt Monster dieses Typs auf. Sobald der Onlinemodus verfügbar ist, kann man auch mit Freunden in den Höhlen Monster raiden.

In der Magmagrotte kann man selten Feuer-Pokémon fangen.
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Auch die Geheimbasis kehrt zurück. Die platzierten Statuen haben Einfluss darauf, welche Pokémon im Untergrund erscheinen.
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Mehr Monster zum Sammeln

Ich weiß noch, dass ich es damals auf Dauer ziemlich langatmig und uninteressant fand, in den Stollen nach Schätzen zu graben. In der Neuauflage ist es das komplette Gegenteil, es zieht einen richtig in den Bann, die unterirdischen Höhlen zu erkunden. Man weiß nie, welche Pokémon auftauchen, wie stark sie sind, ob sie sich fangen lassen und ob man nicht auf eine seltene Bestie trifft. Es ist dieses Gefühl von Spannung und Nervosität vor dem Neuen, Unbekannten, das einem Remake ansonsten fehlt. Man weiß ja, was auf einen zukommt, man kennt die meisten Pokémon bereits.

Ein großer Nachteil von Diamant und Perle waren immer schon die Pokémon. Von den damals über 100 neuen Monstern fehlte es fast komplett an Feuer-Pokémon, viele Entwicklungsstränge, vor allem von Käfer- und Pflanzen-Pokémon, waren im Lauf des Spiels irgendwann unbrauchbar, weil sie zu schwach gegen starke Trainer waren. Der Rest der Liste waren Baby-Pokémon oder monströse Weiterentwicklungen altbekannter Monster. Der Untergrund in Strahlender Diamant und Leuchtende Perle macht dieses Manko wieder wett. Jeder Besuch ist eine Überraschung, welches Pokémon aus anderen Versionen auftaucht.

(Fehlende) Liebe zum Detail

Vielleicht ist man schon etwas müde von den steten Änderungsversuchen der Serie, aber ein Pokémon wie damals zu spielen, das die nostalgische Atmosphäre so tadellos einfängt, tut einfach gut. Das liegt auch an den Details, die sich auf die Urversionen rückbesinnen, oder den vielen kleinen Verbesserungen. Für die Pokémon-Wettbewerbe kann man sich nun extravagante Kostüme besorgen, um bei den Schönheits- oder Coolness-Wettbewerben noch mehr hervorzustechen.

Ebenso fallen die exquisit gestalteten Pokémon-Kämpfe auf: Ein Kampf in einer Wassergrotte ist gesäumt von Felsbrocken und von Klippen mit herabströmenden Wasserfällen, ein Arenakampf gleicht fast einer Kathedrale, da sich im Hintergrund Buntglasfenster majestätisch auftun. Umso mehr enttäuschen dann fast lieblose Umgebungen, wo man sich nur auf einer weiten Wiese wiederfindet und der Kraterberg alleine die Szenerie bestimmt.

Eben hier erlauben sich die Games die größten Schnitzer. Während manche Kampfhintergründe oder Orte schon fast mit Details überfordern, leiden andere wiederum an Lieblosigkeit und Kargheit. Sinnohs grafischer Aufputz ist auch mehr eine neue Lackschicht als eine Grundsanierung: Ein Blick auf die Wälder, die die Routen einzäunen, zeigt zum Beispiel ein und denselben Baum tausendmal kopiert und eingefügt. Wasserbereiche, schneebedeckte Hänge oder finstere Höhlen sehen auf den ersten Blick schön gemacht aus, können aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass hier kaum Leben, kaum Abwechslung zu finden ist. Zu gleich wirken die Landschaften teilweise. Für ein detailverliebtes Spiel ist das schade.

Landschaften fühlen sich oft leer an oder wirken wie Copy-and-Paste. Mehr Detailverliebtheit wäre wünschenswert gewesen.
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Grafische Zukunft?

Als die Remakes bekanntgegeben wurde, folgte eher Skepsis, ob der niedliche Polly-Pocket-Look wirklich zu Pokémon passen würde. Die Antwort ist: ja, aber. Der gewählte Grafikstil greift nur wenig in das Flair der Ursprungsversionen ein. Jenen, die sich einen realistischeren Look gewünscht hätten, begegnen die Entwickler mit einem Kniff: Während der Kämpfe sind die Charaktere keine Püppchen mehr, sondern in richtigen Proportionen dargestellt.

Auch wenn der Stil ideal zu den Remakes passt, so sollte er auch nur bei diesen verwendet werden. Ich würde es lieben, die Gold-Version in einer neuen und verbesserten Version in ähnlichem Stil wiederzuerleben. Ein komplett neuer Pokémon-Teil in diesem Look wäre nicht zeitgemäß, zu altbacken würde er wirken. Auch wenn die Reminiszenz perfekt gelungen ist, Schwert, Schild und das für Jänner angekündigte Pokémon Legends: Arceus sind der grafische Weg, den die Serie gehen sollte.

Die Kämpfe sind dynamisch und eindrucksvoll gestaltet.
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Auch technisch schwächelt das Game: Längere Ladezeiten zwischen Ortswechseln, bei der Entwicklung von Pokémon oder aber auch in Kämpfen bei der Auswahl der Attacken fallen zwar auf, halten sich aber im Rahmen. Dafür passiert es öfter, dass alle Sounds verschwinden, wenn es zum Beispiel regnet, man gleichzeitig mit dem Fahrrad unterwegs ist und dann seinen Item-Beutel öffnet.

Pokémon, die einem in Strahlender Diamant und Leuchtende Perle nun hinterherlaufen können, werden teilweise hinter dem Spieler hergezogen. Scheinbar wurde kein Algorithmus eingebaut, der die Schritte des Spielers nachverfolgt. Da kann es schon mal sein, dass man sein Luxtra über den gesamten Bildschirm ohne Bewegungsanimation schweben sieht, weil man zu schnell vorgelaufen ist. Das sind natürlich nur Kleinigkeiten und sollten mit Updates behoben werden können.

Fazit

Strahlender Diamant und Leuchtende Perle sind nicht die perfekten Remakes, dafür verharren sie grafisch einfach zu sehr in alten Zeiten. Aber die Spiele sind so gut gemacht, wie man es sich von einer Neuauflage nur wünschen kann.

Die Games schaffen es, die Atmosphäre klassischer Pokémon-Spiele meisterhaft einzufangen und mit Finesse die eingearbeiteten Neuerungen zu erweitern. Die Untergrundhöhlen, einst langweiliges Beiwerk zum Graben nach Schätzen, sind nun ein Gebiet, das einen dazu verführt, jeden Winkel und jedes dort lebende Pokémon zu entdecken. Der Chibi-Look stört oder irritiert nicht, ganz im Gegenteil: Um den altvorderen Games treu zu bleiben, ist das Design ideal. Die Kämpfe sind dynamisch und eindrucksvoll gestaltet, das Gameplay für Anfänger wie Veteranen ausgeglichen justiert, und für Fans gibt es genug Neuerungen, die einen erneuten Besuch in Sinnoh rechtfertigen.

Wer von Schwert und Schild enttäuscht war, findet in Strahlender Diamant und Leuchtende Perle seine Wiedergutmachung. (Kevin Recher, 17.11.2021)