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Von der arktischen Tundra über den Regenwald von Yucatán bis zur Savanne in Tansania würden sich bei der Kindererziehung gewisse Gemeinsamkeiten zeigen, schreibt Michaeleen Doucleff. Welche, hat die US-Journalistin in ihrem Buch zusammengefasst. (Symbolbild)

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Es waren die ständigen Wutanfälle ihrer Tochter Rosie, die Michaeleen Doucleff an ihre Grenzen brachten. Sie wusste nicht mehr weiter, lag in den frühen Morgenstunden wach. Komplett erschöpft dachte sie an den nächsten Tag mit der Dreijährigen. An den nächsten Streit ums Schuheanziehen, an das nächste Wüten, Treten und Beißen, auf das sie als Mutter mit gewohnter Nervosität und Strenge reagieren würde. Das kann doch nicht sein, dachte Doucleff, warum ist das so ein Kampf? Warum hört Rosie nicht auf mich?

Bei einer Dienstreise erlebte die Wissenschaftsjournalistin dann, wie es auch ganz anders gehen kann. Sie sah, wie Kinder wie selbstverständlich Geschirr abwuschen, bereitwillig mit ihren Geschwistern teilten oder sich bei einem Tobsuchtsanfall schnell wieder beruhigten. Für sie ein Erlebnis, das ihr die Augen öffnete – und zu anderen Reisen in andere Ecken der Welt führte, gemeinsam mit Rosie. Ihre Beobachtungen schildert Doucleff in ihrem Buch "Hunt, Gather, Parent", das in den USA ein Beststeller geworden ist. Kürzlich erschien es auch auf Deutsch im Kösel-Verlag. Was machen indigene Gemeinschaften anders, und was sagt die Wissenschaft dazu? Wir haben mit der Autorin gesprochen.

STANDARD: Für die Recherche zu Ihrem Buch sind Sie in ein Maya-Dorf auf der mexikanischen Halbinsel Yucatán gereist, in die Arktis zu den Inuit und in eine Jäger-Sammler-Gemeinschaft nach Tansania. Sie wollten herausfinden, wie Eltern dort ihre Kinder erziehen. Was hat sie am meisten überrascht?

Doucleff: Wie gut sich Eltern und Kinder verstehen. Da gab es kein Nörgeln, kein Schreien, kein Diskutieren – kein Drama. Natürlich sind die Kinder manchmal laut, vor allem die kleinen. Aber die Eltern werden nie laut, wirklich nie.

Es hat mich auch überrascht, wie großzügig, nett und hilfsbereit die Kinder sind. Sie teilen mit ihren Geschwistern, ohne dass sie dazu aufgefordert werden. Ich erinnere mich noch gut an ein kleines Mädchen in Tansania, dem ich einen Muffin aus dem Flugzeug angeboten habe. Sie nahm ihn ganz langsam entgegen, sah in an und brach gleich ein kleines Stück für ihren Bruder ab. Das restliche Stück hat sie nicht einfach aufgegessen, sie hat es in der Hand behalten, um ihrem Bruder später mehr davon zu geben. Sie hat das von sich aus getan. In Yucatán hat eine Zwölfjährige gleich nach dem Aufstehen den Abwasch gemacht, ohne dass sie jemand darum gebeten hätte.

STANDARD: In Ihrem Buch beschreiben Sie, wieso westliche Eltern so überfordert sind. Der Grund sei, dass sie kaum Unterstützung haben – und auch niemanden, der ihnen zeigt, wie Erziehung eigentlich geht. Wann ist das verloren gegangen?

Doucleff: Zigtausende Jahre wurden Kinder in größeren Gruppen großgezogen. Da waren immer mindestens fünf Erwachsene um sie herum. Im Lauf der vergangenen tausend Jahre schrumpfte die westliche Familie zusammen und besteht meist lediglich noch aus Mutter, Vater und zwei Kindern, vielleicht noch einem Hund und einer Katze. Nicht nur Oma und Opa sind abhandengekommen, sondern auch Tante Heidi und Onkel Karl, eine Vielzahl von Nachbarn und Besuchern. Und plötzlich waren die Eltern komplett auf sich gestellt.

Durch diese Isolation haben die Mütter und Väter auch ihre Lehrer verloren. Erziehung ist eine Fähigkeit, die man sich von anderen abschauen kann. Aber wir haben niemanden, von dem wir uns abschauen können, wie man ein Kleinkind mit Wutanfall beruhigt oder ein Mädchen dazu bringt, seinen kleinen Bruder nicht zu hauen. Wir müssen es selbst herausfinden. Und vertrauen dabei oft auf Ratgeber, die völlig veraltete und nutzlose Ratschläge geben.

STANDARD: Wie beispielsweise, dass man ein Baby nicht füttern sollte, wenn es Hunger hat, sondern alle zwei Stunden?

Michaeleen Doucleff mit ihrer Tochter Rosie bei einer Recherchereise in der Arktis. Von Inuit-Eltern lernte Doucleff, anders mit der Dreijährigen umzugehen.
Quelle: Doucleff

Doucleff: Diese Regel wurde von einem britischen Arzt für ein Findelhaus formuliert. Sie war im Grunde genommen der Versuch, die Säuglingsbetreuung zu industrialisieren. Denn die Schwestern mussten sich ja gleichzeitig um hunderte Babys kümmern. Die Kinder dann zu füttern, wenn sie Hunger haben, wäre logistisch gar nicht machbar gewesen. Interessanterweise hat sich die Zwei-Stunden-Regel bis heute gehalten. Wenn man in andere Teile der Welt schaut, sieht man jedoch, dass das vollkommen unnatürlich ist: Babys werden dort nonstop gefüttert. Es gibt keine Regeln fürs Füttern. Das Problematische an diesen Erziehungsratschlägen: Sie basieren nicht auf medizinischen Studien, noch nicht einmal auf traditionellem Wissen.

Als meine Tochter Rosie ihre ersten Wutanfälle bekam, habe ich viel nachgelesen, um herauszufinden, was uns helfen könnte. Die Tipps aus den Büchern haben die Situation aber nur noch schlimmer gemacht. Wir haben ständig gestritten, ständig gab es Machtkämpfe, und es wurde herumgeschrien. Zu sehen, wie die Eltern in Yucatán, in der Arktis, in Tansania mit ihren Kindern umgehen, hat mir sehr geholfen. Ich habe dort Erziehungsstrategien beobachtet, die auf der ganzen Welt angewandt werden.

STANDARD: Eine davon ist, weniger Aktivitäten speziell für Kinder zu machen, also etwa weniger auf den Spielplatz, in den Zoo oder in Kindermuseen zu gehen. Wieso soll das schlecht sein?

Doucleff: In den letzten hundert Jahren haben wir zwei Welten erschaffen: die Erwachsenenwelt und die Welt der Kinder. In der einen spielt sich das "normale" Leben ab: Menschen arbeiten, machen den Haushalt, haben Pflichten. Die andere ist eine Art Fantasiewelt. Dort geht es nur um das Kind, es gibt spezielles Essen, spezielle Aktivitäten und vor allem ständige Unterhaltung. Psychologen, die andere Kulturen erforschen, sagen: Indem man Kinder ständig in dieser Fantasiewelt verweilen lässt, tut man ihnen nichts Gutes. Sie lernen nie, sich in der normalen Welt zurechtzufinden. Irgendwann ziehen sie aus und sind völlig unselbstständig. Wenn man Kinder hingegen in die Erwachsenenwelt einbezieht, lernen sie zu kooperieren und Teil des Teams, der Familie zu sein.

Meine Tochter hatte nach so einem Tag voller kindzentrierter Aktivitäten immer eine Art Kater. Sie war total unleidlich, nachdem wir bei einem Kindergeburtstag waren, mit ihr gespielt haben und sie Kindersendungen haben anschauen lassen. Der Grund: Sie wollte ihr Fantasieland nicht mehr verlassen. Mittlerweile habe ich das alles abgeschafft.

STANDARD: Wirklich alles?

Doucleff: Tatsächlich. Wir haben angefangen, wieder mehr Dinge zu tun, die mein Mann und ich gemacht haben, bevor Rosie da war. Wandern zum Beispiel. Auch wenn die Routen nun leichtere sind. Am Sonntagmorgen machen wir alle zusammen Pancakes, dann putzen wir zusammen das Haus oder arbeiten im Garten. Später gehen wir zusammen zum Markt, am Nachmittag gehen wir zum Strand oder treffen uns mit Freunden. Wir haben ein paar nette Bars gefunden, wo die Erwachsenen nett zusammensitzen können und die Kinder Platz zum Spielen haben. Sie sehen also: Manches mussten wir ein bisschen abwandeln, aber wir achten nun mehr darauf, dass wir alle eine gute Zeit haben.

In anderen Kulturen ändern Menschen ihr Leben auch nicht komplett, wenn sie Kinder bekommen– sie beziehen sie in ihr Leben ein. Natürlich gibt es kinderspezifische Aktivitäten, die ein Kind gerne machen will, aber es sind nicht die Eltern, die sie dort hinschleppen. Das Kind spielt Fußball, weil es gerne Fußball spielt.

STANDARD: Beschäftigen wir uns zu viel mit unseren Kindern?

Doucleff: Ich finde schon. Wir sind Dauerunterhalter für unsere Kinder, ihre Eventmanager. Das wäre in anderen Kulturen undenkbar. Was wir auch tun: Wir wollen ständig, dass sie sich in etwas verbessern, erwarten ungeduldig ihren nächsten Entwicklungsschritt. Wir sind nicht in der Lage, einfach mal still zu sein und ihnen beim Spielen zuzuschauen, um herauszufinden: Worin ist mein Kind gut? Wofür interessiert es sich?

Außerdem nehmen wir ihnen alles ab, anstatt dass wir ihnen beibringen, einen Beitrag zum Familienleben zu leisten. Sie lernen, dass sie kleine VIPs sind, keinen Beitrag leisten müssen. Kein Wunder, dass sie mit neun nicht mehr helfen wollen, wenn wir sie dann plötzlich dazu auffordern.

STANDARD: Bei den Maya, sagen Sie, waschen Kinder freiwillig das Geschirr ab. Sie sind überaus achtsam, teilen, und ihnen fällt immer auf, wenn etwas gebraucht wird. Wie kann das überhaupt sein?

Doucleff: Im Spanischen gibt es dafür sogar ein Wort, "acomedido". Ebenso wie sie lesen oder schreiben lernen, lernen Kinder in indigenen Gemeinschaften in Mexiko auch die Fähigkeit, acomedido zu sein, also hilfsbereit und aufmerksam. Die Eltern erziehen sie dazu, indem sie sie bei der Arbeit einbeziehen – so wie wir das vorhin besprochen haben. Sie machen sich zunutze, dass Kinder eine Art angeborenen Willen zum Helfen haben. Beobachten Sie einmal ein Kleinkind: Es ist ganz erpicht darauf zu helfen. Wahrscheinlich, weil es in der Nähe seiner Eltern sein möchte.

Wichtig dabei: Geben Sie Ihrem Kind keine unnötigen Aufgaben, nur damit es beschäftigt ist. Sondern echte Aufgaben, zu denen es jedoch in der Lage ist. Zum Beispiel: Wisch den Tisch ab! Räum das Buch weg! Hol mal den Staubsauger! Kinder mögen das Gefühl, beteiligt zu sein. Schön langsam kann man die Herausforderungen steigern.

STANDARD: In Österreich haben Kinder lange Zeit bei der Arbeit geholfen, in der Bäckerei, im Geschäft. Dass sie es nicht mehr tun müssen, wird als Errungenschaft gesehen. Außerdem gelten Kinder nicht als besonders hilfreich. Meine Mutter hat immer zu mir gesagt: "Ohne dich bin ich schneller!", und mich spielen geschickt.

Doucleff: Kinder haben Hunderte von Jahren geholfen – ob in einem Geschäft in Österreich oder in der Savanne in Tansania. Dadurch, dass man den Kindern vor hundert Jahren gesagt hat: "So, jetzt hilfst du nicht mehr!", ist auch etwas verloren gegangen. In den Familien, die ich für mein Buch befragt habe, müssten die Kinder auch nicht unbedingt helfen. Weder in Mexiko noch in der Arktis bei den Inuit noch in Tansania. Die Eltern schaffen die Arbeit auch ohne sie. Es geht also nicht ums Müssen, sondern darum, dass das Helfen auch Vorteile fürs Kind hat, für die Familie als ganze. Es schafft ein Gefühl der Zusammengehörigkeit. Und es geht ja auch nicht darum, acht Stunden im Geschäft zu stehen, sondern um einen kleinen Beitrag.

Eltern in Amerika und Europa denken immer, das Kind würde nur herumalbern, wenn sie es helfen lassen. Und dass alles viel schneller erledigt ist, wenn sie es alleine machen. Maya-Mütter sehen das ganz anders. Sie sagen: Die Kinder sind zwar jetzt noch nicht sehr hilfreich, aber sie helfen zu lassen ist die einzige Art, ihnen zu zeigen, wie es geht. Wenn ein kleiner Bub herbeiläuft, um seiner Mutter beim Wäscheaufhängen zu helfen, aber alles nur auf den Boden wirft, freut sich die Mutter, dass sich das Kind überhaupt dafür interessiert. Die Unordnung, die er verursacht, nimmt sie dafür bereitwillig in Kauf. Sie sieht sie als eine Art Investment.

STANDARD: Sie haben auch beobachtet, dass Maya-Familien ihre Kinder nicht loben oder belohnen. Was tun sie stattdessen?

Doucleff: Sie lächeln und nicken, und mehr braucht es eigentlich nicht. Ein einfaches Danke würde es ebenso tun.

Lob ist eine eher neue Erziehungsmethode und in der Wissenschaft nicht unumstritten. Eine Folge von zu viel Lob kann sein, dass das Kind irgendwann darauf angewiesen ist. Es strengt sich nur noch an, weil es gelobt werden will. Außerdem ist Lob wirklich unnötig, um Kinder zu motivieren. Sie sind von sich aus motiviert – alleine ein Klettergerüst hinaufzuklettern oder ein Bild zu malen ist für sie schon Antrieb genug.

Weit wirksamer als Lob ist es auch, den Beitrag des Kindes einfach zu akzeptieren, so wie er ist. Ich habe bei den Maya beobachtet, wie ein Mädchen seiner Mutter dabei helfen wollte, Tortillas zu formen, und das Ergebnis sah wirklich schrecklich aus. Ihre Mutter hat sie trotzdem herausgebraten. Sie nörgelte nicht herum, kritisierte nicht, manchmal zupfte sie den Teig noch etwas zurecht, aber dabei beließ sie es. Und das Kind war glücklich, weil es einen Beitrag geleistet hatte.

STANDARD: An einer Stelle Ihres Buches schlagen Sie vor, am besten alle Spielsachen wegzuwerfen. Ist das nicht sehr radikal?

Doucleff: Man könnte umgekehrt auch fragen, ob es nicht radikal ist, so viele Spielsachen zu Hause zu haben. (lacht) Die Menge an Spielzeug, die Kinder in Amerika und Europa heutzutage besitzen, ist absurd. Und sie ist sicher nicht die Norm, wenn man sich in anderen Teilen der Welt umsieht. Es scheint fast so, als wollten Eltern ihren Kindern ihre Liebe zeigen, indem sie ihnen etwas kaufen. Aber damit vermitteln sie ihnen nur, dass Dinge mehr wert sind als Beziehungen.

Außerdem sind die Kinder von dem ganzen Spielzeug total überreizt und spielen in Wirklichkeit ohnehin nicht damit. Ich habe mittlerweile alle Sachen von Rosie weggegeben, mit denen sie nicht regelmäßig spielt. Sie hat sich nie beschwert, es war ihr total egal. Jetzt haben wir nur noch eine kleine Spielecke mit einem Kindertisch. Rosie hat dort ihre Bücher, Papier und Bastelzeug. Sie beschäftigt sich viel länger mit den Sachen als vorher. Spielzeug ist wie Lob: komplett unnötig.

Bei den Inuit schimpfen Eltern ihre Kinder übrigens auch nicht, sondern machen den Kindern die Konsequenzen ihrer Handlungen bewusst. Sie sagen nicht: "Hör auf, mit den Steinen zu werfen!", sondern: "Du könntest jemanden mit den Steinen treffen." Zu meiner eigenen Überraschung funktioniert das sehr oft.

STANDARD: Zu einem Thema, das viele Eltern beschäftigt: Wutanfälle. Sie schreiben, dass die Kinder der Maya, die Kinder der Inuit oder der Hadza in Tansania keine Wutanfälle haben. Wie kommt das?

Doucleff: Doch, überall auf der Welt haben Kinder Wutanfälle. In diesen Gesellschaften ist es nur so, dass sie recht früh wieder verschwinden. Ich glaube, das liegt an der Art und Weise, wie Eltern mit einem Wutanfall umgehen. Sie bleiben komplett ruhig. Sie ignorieren ihr Kind nicht, aber regeln ihre eigene Energie herunter. Sie sind da für ihr Kind, nehmen es in den Arm oder legen ihm eine Hand auf den Rücken und sprechen leise mit ihm. Die Ruhe überträgt sich sofort auf das Kind. Und mit der Zeit lernt es, wie es seine Gefühle selbst in den Griff bekommt.

Indigene Gemeinschaften haben auch ganz andere Erwartungen an Kinder – sie sehen es nicht als unpassend, sondern als selbstverständlich an, dass Kinder manchmal wütend, irrational und wild sind. Sie erwarten nicht, dass sie sofort damit aufhören, schreien sie nicht an, dass sie sich beruhigen sollen. Sondern vertrauen darauf, dass sich das irgendwann, mit den Monaten und Jahren, legt. Mit der Einstellung, dass Kinder eben so sind, kann man ganz anders mit ihrer Wut umgehen.

STANDARD: Also sind in Wahrheit wir für die Wutanfälle unserer Kinder verantwortlich?

Doucleff: Indem wir schreien und permanent auf ein Kind einreden, machen wir es jedenfalls nicht besser. Das Kind lernt so ja gar nicht, was es bedeutet, ruhig zu bleiben. Auch ein Kind bei einem Wutanfall auf sein Zimmer zu schicken ist der falsche Weg. Wir isolieren es damit, und es ist mit seinen Gefühlen auf sich alleine gestellt. Dabei braucht es in der Situation jemanden, der ihm da heraushilft. Mama oder Papa, die sein Felsen sind. Rosie ist der Sturm und ich der Felsen: So stelle ich mir das immer vor.

STANDARD: Als Mutter kann ich sagen, dass es manchmal wirklich schwer ist, ruhig zu bleiben, wenn das Kind einen mit einem Löffel bewirft oder im Supermarkt die Joghurts aus dem Regal ausräumt und wie verrückt zu schreien beginnt, wenn man weitergehen will ...

Doucleff: Natürlich! Und das braucht auch Übung. Ich stelle mir in diesen Situationen immer vor, ich hätte gerade eine ausführliche Massage bekommen, das hilft mir. Und ich rufe mir ins Bewusstsein, dass es nur noch schlimmer wird, wenn ich jetzt auch noch ausflippe. Außerdem versuche ich mich selbst weniger unter Druck zu setzen. In westlichen Gesellschaften glauben wir immer, dass wir schreckliche Eltern sind, wenn unser Dreijähriger einen Wutanfall hat. Wir drohen ihm Konsequenzen an, die wir dann aber nicht durchsetzen können.

Bei vielem gilt einfach auch: "Who cares?" Was macht es schon, wenn ein Kind einmal nur eine Socke anhat? Wir sollten aufhören, unsere Kinder ständig zu irgendetwas zu zwingen. Zwang führt zu Konflikt, untergräbt die Kommunikation und baut Wut auf – auf beiden Seiten. Maya-Eltern sagen: Du kannst Kinder ohnehin nicht zu etwas zwingen. Du kannst sie nur anleiten und ihnen beibringen, warum es wichtig ist, dass sie bestimmte Dinge tun. (Lisa Breit, 25.11.2021)