Dieser Pfeiler gehörte einst zum Aquädukt, das die antike Stadt Artaxata mit Wasser versorgen sollte. Dazu kam es offenbar nie.
Foto: Artaxata-Projekt

Einst hätte die Aquäduktbrücke Wasser in die Stadt Artaxata bringen sollen. Diese war früher nämlich nicht nur Hauptstadt des Königreichs Armenien, sondern gehörte wie der Rest des Landes für kurze Zeit zur römischen Provinz Armenien. Und diese sollte mit dem Bauwerk auch an den Rest des Römischen Reiches angeschlossen werden. Doch der Bau blieb unvollendet. Seine Spuren sind nur mehr mit geologischen Methoden zu finden, wie ein deutsch-armenisches Forschungsteam feststellte.

Im Rahmen des archäologischen Artaxata-Projekts untersuchten die Beteiligten die Gegend um die antike Metropole Artashat beziehungsweise Artaxata. Ihre Ruinen befinden sich wenige Kilometer südlich der heutigen armenischen Stadt Artaschat, die rund 25.000 Einwohner hat. Beim geomagnetischen Scan fiel dem Team eine punktierte Linie auf, die im Jahr 2019 bei Grabungen und Bohrungen unter die Lupe genommen wurde.

Römische Rezeptur

So stießen die Forschenden auf die Reste des östlichsten Bogenaquädukts, das je zum Römischen Reich gehörte. "Mithilfe von Satellitenbildern und Infrarotaufnahmen einer Drohne haben wir den Verlauf der Aquäduktpfeiler sichtbar gemacht", sagt einer der Studienautoren, Mkrtich Zardaryan vom Institut für Archäologie und Ethnographie der Nationalen Akademie der Wissenschaften der Republik Armenien. "Den geplanten Aquäduktverlauf rekonstruierten wir durch eine computergestützte Pfadanalyse zwischen den möglichen Quellen und dem Bestimmungsort des Wassers."

Wie Sie sehen, sehen Sie – kein Aquädukt vor dem Berg Ararat. Zwischen Berg und einstiger Baustelle ist der Hügel zu sehen, auf dem sich das Kloster Khor Virap befindet.
Foto: Artaxata-Projekt

Die chemische Analyse des Kalkmörtels zeigte: Das Material hatte eine typisch römische Rezeptur. Eher grob war die Datierung der Erdproben, die zeigte, dass der Bau der Wasserleitung zwischen 60 und 460 nach Christus anzusetzen ist. Dieser Rahmen spricht dafür, dass die monumentalen Fundamente zwischen 114 und 117 n.Chr. von der römischen Armee gelegt wurden, sagt der Archäologe Achim Lichtenberger von der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster in Deutschland: "Damals sollte Artaxata die Hauptstadt einer römischen Provinz in Armenien werden."

Zwischen Parthern und Römern

Damals umfasste das Römische Reich unter anderem die gesamte Mittelmeerregion – es hatte seine größte Ausdehnung. Diese hielt allerdings nicht lange an, wie auch das Bauwerk zeigt. Eine Weile hatte sich Armenien in einer Kompromisslage zwischen Rom und dem iranischen Partherreich gehalten: Die Parther durften den armenischen Herrscher auswählen, offiziell setzte ihn aber der römische Kaiser ein.

In dem Augenblick, in dem die Parther die Römer übergehen wollten, das war im Jahr 114, brach Krieg aus. Der römische Kaiser Trajan war erfolgreich und begann, die nunmehrige Provinz Armenia in sein Reich zu integrieren. "Der geplante und teilweise ausgeführte Aquäduktbau in Artaxata bezeugt, wie viel Aufwand in kürzester Zeit betrieben wurde, um die Hauptstadt der Provinz infrastrukturell ins Reich einzubinden", sagt Torben Schreiber, ebenfalls Archäologe an der WWU Münster.

Beleg des Scheiterns

Fertiggestellt wurde das Bauwerk jedoch nicht. Denn drei Jahre später, 117, verstarb Trajan bereits, und Kaiser Hadrian übernahm. Dessen Infrastruktur- und Verteidigungsprojekte wie etwa der berühmte Hadrianswall im heutigen Großbritannien fanden aber nicht in jenen Gebieten statt, die sein Vorgänger im Partherkrieg erobert hatte. Auch die Provinz Armenia gab er auf.

Nach dem Rückzug der Römer wurde die Wasserleitung auch nicht mehr weitergebaut. In ihrer Auswertung der Funde, die sie in der Fachzeitschrift "Archäologischer Anzeiger" veröffentlichten, schreiben die Forscher, dass das neuentdeckte Aquädukt den gescheiterten römischen Imperialismus in Armenien belegt. (sic, 16.11.2021)