Zu Gast: Der Schweizer Komponist Thomas Kessler.

Foto: Priska-Ketterer

Wien – Im Anfang war der Klang: Es ist gewissermaßen eine musikalische Schöpfungsgeschichte, die am Beginn von Thomas Kesslers Oratorium steht. Wie aus dem Nichts heraus, aus dem Grundrauschen in der Jesuitenkirche, beginnt der Atem der ringsum verteilten Vokalsolisten aus den Lautsprechern zu tönen, wechselnde Vokale kommen dazu. Schließlich, wie ein Aufschrei, bäumt sich das Schlagwerk auf, die Orgel antwortet mit mächtigen Clustern. Es ist eine große, rund einstündige Collage, die Kessler gemeinsam mit Librettist Lukas Bärfuss geschaffen hat und die von geflüsterten Sprachfragmenten zu existenziellen Fragen gelangt:

Stimme und Instrumente des Ensembles Nikel (musikalische Leitung: Jonathan Stockhammer), u. a. mit E-Gitarre und Saxofon, sowie des Vokalensembles Cantando Admont (Leitung: Cordula Bürgi) werden ständig liveelektronisch modelliert, gefiltert, geloopt, zuweilen unmittelbar nachvollziehbar, dann wieder rätselhaft. Eine Schicht mit alter (Kirchen-)Musik taucht beständig auf und wird dann wieder überlagert und unter Klangmassen begraben – wie ein alter, gebrechlich gewordener Glaube, wirkungsvoll und dennoch fremd. Sinnsuche und Sinnangebot, klanglich imposant, in seinem Engagement fragil und tastend. (Daniel Ender, 15.11.2021)