Die Off-label-Anwendung von Medikamenten überbrückt die Diskrepanz zwischen medizinischem Wissensstand und offizieller Zulassung.

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Seit der Möglichkeit, sich gegen Covid-19 impfen zu lassen, hat die Diskussion darüber wer, wann, womit, weshalb und ob überhaupt geimpft werden soll, Fahrt aufgenommen und ist bisher nicht abgeklungen. Momentan wird auch häufig darüber debattiert, ob Kinder und Jugendliche geimpft werden sollen oder ob man sich den Booster, die Drittimpfung, vielleicht von einem anderen Impfstoffhersteller verabreichen lässt, was hinlänglich als "Kreuzimpfung" bekannt ist. Rechtlich betrachtet handelt es sich dabei um sogenannte Off-label-Anwendungen der Impfstoffe. Dass dies so ist, ist jedoch primär rechtlich bedingt und nicht unbedingt medizinisch.

Strenges Zulassungsregime

"Off label" bedeutet, dass ein Arzneimittel oder ein Impfstoff zulassungsüberschreitend angewendet wird. Dass es dazu kommt, ergibt sich vor allem aus den rechtlichen Rahmenbedingungen, die hinter solchen Zulassungen stehen, und nicht notwendigerweise aus den medizinischen Indikationen.

Wenn ein Arzneimittel wie ein Impfstoff auf den Markt gebracht werden soll, bedarf es eines langwierigen und kostenintensiven Prozesses. Sowohl auf europäischer als auch auf nationaler Ebene gibt es ein umfassendes Regelwerk, das die Herstellung, das Inverkehrbringen und die Überwachung von Arzneimitteln strengen Bestimmungen unterwirft. Ein Marktzugang für Arzneimittel und Impfstoffe ist daher erst nach offizieller Zulassung, die entweder auf europäischer oder auf nationaler Ebene erfolgen kann, möglich. Die Zulassung setzt wiederum eine Prüfung der Wirksamkeit und Gefährlichkeit im Zuge klinischer Studien voraus.

Dieses Zulassungsregime dient dazu, ein hohes Niveau an Sicherheit zu erzielen und bestimmte Mindeststandards betreffend Verträglichkeit, Wirksamkeit und Qualität zu erfüllen. Diese vorgesehenen Mindeststandards sind im medizinischen Bereich sehr hoch und können in der Praxis dazu führen, dass der offizielle Zulassungsstatus hinter den medizinischen Wissensstand zurückfällt. Kurz gesagt: Oft weiß man, dass ein Arzneimittel bereits existiert und wirkt, jedoch wurden noch nicht alle rechtlichen Hürden der Zulassung überwunden, weshalb es nicht in Verkehr gebracht werden kann.

Um eine Zulassung zu erhalten, muss vom Hersteller oder Importeur ein entsprechender Antrag gestellt werden. Dieser Antrag bestimmt vorweg den potenziellen Zulassungsumfang eines bestimmten Arzneimittels oder Impfstoffs, eine darüber hinausgehende Zulassung kann von der Behörde nicht erteilt werden. Sieht daher ein Antrag auf Zulassung nur ein bestimmtes Anwendungsgebiet für ein Arzneimittel oder einen Impfstoff vor, darf die Behörde – selbst bei Kenntnis darüber, dass auch eine andere Anwendung sinnvoll und wirksam wäre – die Zulassung dafür nicht erteilen.

Diskrepanz zwischen Wissensstand und Zulassung

Warum ein Antrag auf Zulassung dem tatsächlichen medizinischen Wissensstand oft nicht gerecht wird, kann unterschiedliche Gründe haben: Abgesehen von hohen Entwicklungskosten, die bei seltenen Krankheiten nicht den wirtschaftlichen Interessen der Pharmaentwickler entsprechen, sind die bereits erwähnten gesetzlichen Vorgaben bei klinischen Prüfungen oft das Hindernis. Insbesondere bei Minderjährigen, die etwa nach § 42 Arzneimittelgesetz (AMG) als besonders schützenswerte Personengruppe definiert sind, dürfen klinische Prüfungen nur unter bestimmten Voraussetzungen durchgeführt werden. Dies führt wiederum dazu, dass die notwendigen medizinischen Studien für eine Zulassung nicht vorliegen und eine entsprechende offizielle Zulassung – trotz Wirksamkeit – nicht möglich ist.

Ähnlich gestaltet sich die Situation für psychisch Kranke und Schwangere, die ebenso einem besonderen Schutz unterliegen (§§ 43–44 AMG). Aufgrund dieser gesetzlichen Bestimmungen und Hürden wird in der medizinischen Praxis auf die Off-label-Anwendung von Arzneimitteln und Impfstoffen zurückgegriffen. Auch dies führt dazu, dass Hersteller oder Importeure keine weiteren Zulassungen – etwa für Kinder – beantragen, weil die Praxis eine Off-label-Verschreibung ohnedies ermöglicht.

"Off label" als medizinische Praxis

Eine solche Off-label-Anwendung – mag sie auch zunächst den Anschein von Unsicherheit vermitteln – ist keineswegs neu, sondern stellt vielmehr in einigen Fachbereichen die gängige Praxis dar. Gerade in der Kinderheilkunde und der Gynäkologie sind aufgrund der strengen gesetzlichen Bestimmungen oft keine offiziellen Zulassungen vorhanden, was jedoch nicht bedeutet, dass diese Arzneimittel nicht regelmäßig von Medizinern verschrieben and angewendet würden. Wichtig ist hierbei jedoch, dass durch den Mediziner eine entsprechende Aufklärung erfolgt.

Derzeit besteht diese Situation der Off-label-Anwendung (noch) bei Covid-19-Impfstoffen, die nicht offiziell für Personen unter zwölf Jahren zugelassen sind, und beim sogenannten Kreuzimpfen. Auch hier fehlt eine behördliche Zulassung der Kombination der Impfstoffe. (Eva Erlacher, 15.11.2021)