Die Abwicklung von Bauträgerprojekten ist eine Routinearbeit mit wenig Glanz: Fast gleichlautende Verträge müssen für jeden Wohnungsverkauf errichtet werden. Die beauftragte Kanzlei muss die richtigen Daten eingeben und überprüfen, den Know-Your-Customer-Prozess abwickeln, Vollmachten ausstellen, Fristen beachten und schließlich die Steuern und Gebühren berechnen. Dabei darf nichts übersehen und kein Fehler begangen werden.

Der Verkauf von Wohnungen in Neubauten eignet sich besonders für digitale Lösungen.
Foto: 3SI Immogroup / JamJam

Bei Doralt Seist Csoklich (DSC), einer mittelgroßen Wiener Wirtschaftskanzlei mit rund 15 Anwältinnen und Anwälten, wurde diese mühsame Tätigkeit jahrelang von einer Kanzleihilfe erledigt. Als diese bewährte Mitarbeiterin sich der Pension näherte, erkannten die Partner, dass sie wahrscheinlich keine Fachkraft finden würden, die dies auf so verlässliche Weise fortführen kann. Die Anwältinnen Nina Mitterdorfer und Theresa Grahammer sahen sich daher um eine digitale Lösung um – und fanden kein Produkt, das wirklich zu ihnen passte.

Anpassung

"Die meisten Tools lösten Probleme, die es in der Praxis überhaupt nicht gibt; sie funktionierten entweder nur auf Englisch oder bedienten sich der Sprache des deutschen BGB", sagt Grahammer. Bei kleinen Start-ups wiederum bestehe die Gefahr, dass es das Unternehmen in ein paar Jahren nicht mehr gibt.

Über Vermittlung der Legal-Tech-Expertin Sophie Martinetz stießen sie auf das deutsche Softwareunternehmen 42dbs, das eine bestehende Vertragssoftware namens Shakespeare gemeinsam mit DSC für den heimischen Immobilienmarkt angepasst hat.

Dieser "Immo-Shakespeare" unterläuft derzeit in der Kanzlei eine Testphase. Sobald das System seine Marktfähigkeit bewiesen hat, soll es auch anderen Kanzleien mit ähnlichen Bedürfnissen angeboten werden, sagt Grahammer. "Wir erstellen gemeinsam mit 42dbs den Prototypen, andere Kanzleien können dann ihre Vertragsmuster hinterlegen und die Eingabemaske personalisieren", sagt sie. "Das Wichtigste dabei ist, dass es genau dem entspricht, was wir brauchen."

Achtung, Frist!

Dazu gehören ein leichter Zugriff auf alle Dokumente, eine gute Übersicht über alle Fristen und ein "Eskalation"_genanntes Alarmsystem für den Fall, dass eine solche zu verstreichen droht. Dann wird automatisch eine dritte Person informiert.

Abgesehen von den unzähligen Stunden, die die beiden Anwältinnen in das Projekt investiert haben, dürften sich die Kosten für DSC_in Grenzen halten. Die Lizenzgebühren für eine Software seien jedenfalls niedriger als das Gehalt einer Fachkraft, die ohnehin am Markt nicht zu finden wäre, sagt Grahammer.

Eine maßgeschneiderte Software biete viele Vorteile, sagt sie. Dass sich kein wirklich brauchbares Produkt am Markt finde, sei dennoch erstaunlich. Für die großen Kanzleien, die bei Legal Tech oft zusammenarbeiten, sei dieses Immobiliengeschäft weniger interessant, und einige kleinere hätten ebenfalls hausinterne Lösungen entwickelt. "Wir erleben hier mangelnde Kooperation zwischen den Kanzleien", sagt sie. "Jeder kocht sein eigenes Süppchen – und wir dann halt auch." (Eric Frey, 17.11.2021)