Er habe Mails, Kontoauszüge und Bankunterlagen "aus Neugier" fotografiert, sagt ein Zeuge in der Causa Commerzialbank Mattersburg aus. Weitergegeben habe er die Infos nicht.

Foto: Matthias Cremer

Wien – Zwei Whistleblower waren es, die Bankenaufseher und Staatsanwaltschaft 2015 und dann 2020 auf Missstände in der Commerzialbank Mattersburg aufmerksam gemacht haben. Doch erst die sehr exakten Hinweise des zweiten von ihnen haben das zum Großteil mit Luftgeschäften aufgeblasene Commerzialbank-Konstrukt im Sommer des Vorjahres zum Platzen gebracht. Seither langen immer wieder anonyme Hinweise bei den Ermittlern ein – in einem davon ging es um den Tipp, dass zwei Ex-Mitarbeiter Bankunterlagen kopiert, fotografiert und daheim aufbewahrt hätten. Ein Tipp übrigens, den schon der erste 2015er-Whistleblower gegeben hatte.

Diesmal schaute die Soko Commerzialbank, die im Auftrag der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) ermittelt, nach – und wurde auch fündig. Ein früher für diverse Transporte zuständiger Beschäftigter, der Bankchef Martin Pucher nahestand hatte bei seinen Rundgängen in der Bank und in den Filialen jahrelang mit seinem Handy Fotoaufnahmen gemacht. Solche vom Schreibtisch Puchers ebenso wie von diversen Dokumenten, Mails und auch Unterlagen des Fußballvereins Mattersburg (SVM) – "aus Neugier (…), manchmal zwei Mal die Woche und dann wieder einige Monate lang gar nicht", wie er im Sommer als Zeuge ausgesagt hat.

Fotos von internen Unterlagen

In der Bank ging es offenbar recht leger zu: Das Büro des Vorstandschefs sei nicht versperrt gewesen, auf dem Schreibtisch hätten sich die Unterlagen gestapelt, er habe die obersten Zettel fotografiert ("Gestöbert habe ich nicht") und dann in einer ruhigen Stunde durchgelesen, so der Zeuge. Abends seien alle Kontoauszüge ausgedruckt und auf seinem Schreibtisch im Sozialraum (sic) gestapelt worden. Gelegentlich habe er auch diese Kontoauszüge aus Neugierde fotografiert – über Kunden, die er nicht kannte habe er gelegentlich im Internet recherchiert. Die meisten habe er aber sowieso gekannt, meinte der Mann.

Später habe er die Fotos wieder gelöscht, gezeigt habe er sie niemanden. Wobei: Einmal habe er eine "interessante" Kündigungsmail eines offenbar überlasteten SVM-Mitarbeiters an den damaligen SVM-Präsidenten Pucher an seine Frau weitergeschickt, erklärte der Zeuge. Auf den Fotos, die die Ermittler im Handy des Zeugen gefunden haben, sieht man denn einzelne Dokumente, Aktenstapel, offene Unterschriftenmappen, Rechnungen, Kontoauszüge und interne Briefe bishin zu einem Schreiben der FMA an den Bankchef.

Video an Aufseherin aus FMA

Mit einer Bankenaufseherin der FMA dürfte sich Pucher recht gut verstanden haben, auch das erschließt sich aus den Fotos: Im Dezember 2019 – damals lief gerade eine Vor-Ort-Prüfung, die dann im Frühling 2020 wegen Corona unterbrochen wurde und letztlich im Ende der Bank münden sollte – schickte er ihr ein Video, das seinen Gesundheitszustand dokumentieren sollte. Was die FMA-Mitarbeiterin mit "Wow! Bin beeindruckt" und guten Wünschen für den Mattersburger Banker beantwortete. Inzwischen wurde die Frau entlassen, wogegen sie geklagt hat.

Dass das kleine burgenländische Institut in Wien keine Filiale hatte, aber Kunden, tat für die Kunden offenbar nicht viel zur Sache – der Mitarbeiter (angestellt beim Sportverein) kam ins Haus. Er brachte Geld oder holte welches ab, wie ein Wiener Kunde als Zeuge schilderte, bis das im Sparbuch gebucht war, habe es nie länger als acht Tage gedauert. Der Kunde erwähnte übrigens auch, dass er gehört habe, dass die Bank in Wien Zinshäuser ihr eigen genannt habe, was der Ex-Mitarbeiter auch so gehört haben will, "ob das bis zum Schluss der Fall war", wisse er aber nicht.

Großzügiges Geschenk an Ex-Bankboss

Auch eine interessante Dankesmail an Pucher haben die Ermittler bei den Fotos des Zeugen gefunden. Geschrieben hat es ein früherer Generaldirektor einer großen österreichischen Bank am 23.Dezember 2011: "Lieber Martin, ich danke auf das Herzlichste fuer Dein großzuegiges Geschenk anlässlich Weihnachten und Jahreswechsel" Weiss gar nicht, wie ich das verdiene!", freute sich der Mann unter besten Wünschen für Pucher, seine Frau und deren "drei wohlgeratenen Töchter". Die Frage, was der Ex-Vorstandschef bekommen hat, lässt sich – derzeit – nicht beantworten. (Renate Graber, 16.11.2021)