Die Nullarbor-Ebene in Westaustralien ist das größte Stück Kalkstein der Erde und misst von Westen nach Osten rund 1.200 Kilometer. Eine Reise durch diese Wüste an der Großen Australischen Bucht muss jeder einmal im Leben machen, heißt es unter Landsleuten.

An einem feuchtfröhlichen Abend sollen zwei Typen aus der Gegend im Wortsinn eine Schnapsidee gehabt haben: Es wäre doch eine super Idee, quer durch den Nullarbor Golf zu spielen. Quasi en passant auf einem Roadtrip in der Ebene.

Denn nach dem Ende des Goldrausches muss man sich dort wieder etwas einfallen lassen, um Menschen in diese Einöde zu locken: wie die beiden Männer mit der guten Schnapsidee, den längsten Golfkurs der Welt anzulegen. Sie heißen Alf Caputo und Bob Bongiorno.

Immer geradeaus

Wer in der baumlosen Ebene des Nullarbor Plain unterwegs ist, will normalerweise so schnell wie möglich weiter. Zu heiß, zu trocken ist es hier. Das war das Problem, denn Bob und Alf haben dort ihre Roadhouses mit Tankstellen, Restaurants, Hotels. Ihr Business ist es aber, dass die Leute bleiben.

Die längste schnurgerade Straße Australiens führt durch die Nullarbor-Ebene.
Foto: Getty Images/iStockphoto

Nach fünf Jahren Arbeitszeit eröffneten Caputo und Bongiorno die 18 Fairways und Greens des Par-72-Kurses, verteilt entlang der Überlandstraße des Eyre Highway; manche in bestehenden Golfklubs, andere angelegt "in the middle of nowhere". Wer genug Zeit mitbringt, ein Auto und ein paar volle Tanks, fährt zwischen Ceduna, das etwa in der Mitte der südaustralischen Küste liegt, und Kalgoorlie von Loch zu Loch, 1.365 Kilometer, immer geradeaus. In vier Tagen kann man das schaffen. Nur in Norseman, wo zwei Löcher gespielt werden, geht es einmal um die Ecke. Dort leitet Evelyn Reed das Tourismusbüro des 570-Seelen-Orts.

"Norseman wurde nach dem Pferd des Goldsuchers benannt, der den Ort gründete. Hier spielt man erst ein Par-5-Loch bergab, dann dreht man um in Richtung Norden, geht rüber und spielt das 15. Loch wieder bergauf. Das haben wir Ngadju genannt nach dem Aborigine-Volk, dessen Stamm in der Umgebung von Norseman lebt", erzählt Reed.

Im Auto von Loch zu Loch

Ein bis zwei Löcher pro Platz, und dann wieder stundenlang im Auto sitzen – wen interessiert das? Das dachte auch Margaret Donkin, als man sie bat mitzumachen. Sie betreut den nächsten Golfplatz Richtung Kalgoorlie in Kambalda, 2.500 Einwohner, gut 130 Kilometer, also einen Katzensprung von Norseman entfernt.

"Anfangs dachte ich: Na ja, vielleicht kommen 20 Leute im Monat. Aber es sind 20 pro Woche, und manchmal stehen die Wohnmobile Schlange zum Spielen", erzählt Donkin. Für jedes Hole gibt es einen Stempel. "Unsere liegen auf der Bank, weil hier keiner 24 Stunden am Tag Dienst tun kann. Dafür kann man jederzeit spielen."

18 Loch verteilt auf 1.365 Kilometer. Im australischen Südwesten können sich Golfer auch platzmäßig austoben.
Foto: Sven Weniger

Auch zu den Abschlägen, Fairways und Greens gibt es einiges zu erklären. Wer auf dem Kurs von Nullarbor Links gepflegten Rasen erwartet, der muss umlernen. "Wir haben hier kein Gras auf den Fairways, weil wir keinen Regen haben. Hier gibt es keinen Zugang zu Wasser. Das ist knapp, also spielen wir auf roter Erde", sagt Donkin. Die Greens seien eigentlich Blacks. Man habe Sand mit Öl vermischt, der dadurch schwarz wird.

Anpassungsfähigkeit

Den Golfkurs quer durchs Outback zu spielen erfordert nicht nur spielerische Anpassungsfähigkeit. Wer sich überlegt, wie er den Golfball in ein Loch bekommt, dessen Lage er meist nur erahnen kann, muss die Landschaft zwangsläufig einer genaueren Betrachtung unterziehen. Sie ist keineswegs so eintönig, wie der Name Nullarbor nahelegen würde. Überall gibt es riesige Eukalyptusbäume, Gruppen olivgrüner Mulgabüsche, Spinifexgras formt helle Kissen mit langen Halmen.

Die Abschläge sind meist aus Kunstrasen, der auf der roten Erde wie Teppichboden verlegt wurde. Es folgen Schneisen durchs Unterholz, Felsen stehen im Weg, Erdhöhlen mit Getier. Auch durch trockene Flussbette und Salzseen geht es. Gespielt werden kann in beide Richtungen.

"Das hier ist das 3. Loch oder das 16. – je nachdem, wo man begonnen naht. Wir nennen es Silver Lake Hole, denn wenn die Sonne auf den Salzsee scheint, glänzt er wie Silber", sagt Donkin. Man könne hier Kängurus, Emus und Kaninchen begegnen. Und dann lebe auf dem Fairway auch noch eine Goanna-Echse. Die sei mehr als einen Meter lang, wohne seit drei, vier Jahren unter einem der Abschläge und liefe gelegentlich zwischen den Golfbällen herum.

Abenteuerlust

Um den Golfkurs Nullarbor Links zu spielen, braucht es nicht nur Können, sondern auch Abenteuerlust. Hier sind auch viele Leute in ihren Wohnmobilen unterwegs wie Marge und Homer Wexler, zwei Mittfünfziger aus Melbourne, die gerade in Kalgoorlie ihren Trip beenden und voller Begeisterung erzählen: "Wir hatten einen irren Spaß. Du bist mitten in der Wüste, dein Golfball trifft gegen Felsen und fliegt dann irgendwohin. An einem Loch konnte meine Frau den Flug des Balls 30 Meter weit verfolgen, dann war er weg. Als Nächstes landete er wieder direkt neben ihren Füßen – derselbe Ball. Er ist gegen einen Felsen geprallt und von dort geradewegs zurückgekommen. Das ist ihr bei zwei Löchern passiert – echt verrückt!"

Nullarbor Links ist ein Golfplatz gewordener Roadtrip durch das Outback von Australien – mit allem, was dazugehört.
Foto: Michael Marek

Das mache das Spiel abwechslungsreich, schwärmen die beiden. An manchen Löchern hätten sie keine weißen Golfbälle spielen können, weil die in der Salzwüste nicht wiederzufinden sind. Stattdessen benutzten sie dort Bälle in Orange und in Pink.

Kängurus statt Krähen

Während man bei einem Loch die Bälle vor diebischen Krähen in Sicherheit bringen muss und am Silver Lake Hole vor Riesenechsen, gibt es in Australien auch vergleichsweise normale Golfplätze. So bietet etwa die reiche Goldgräberhochburg Kalgoorlie einen herkömmlichen, perfekt angelegten Kurs. Er umfasst 18 gepflegte Fairways in hügeliger Prachtlandschaft, lediglich entspannte Kängurus an künstlichen Teichen, Klubhaus mit Blick aufs Paradies.

Dort kümmert sich Paul Brueker, Berufsgolfer der Professional Golfers Associations, um Anlage und Klubmitglieder. Der Profi rümpft allerdings keineswegs die Nase über den Nullarbors Links, zu denen auch Kalgoorlie zwei Löcher beisteuert.

Riesenland

Die Aussie-Mentalität hat eine Schwäche für alles Abgedrehte, Absonderliche und Absurde. "Ich habe mit Leuten gesprochen, die Nullarbor komplett absolviert haben und es toll fanden, das lange Spiel unterbrechen zu können. Statt 800 Kilometer am Stück zum nächsten Ort zu fahren, kann ich nach 100 einen Stopp machen, zwei Löcher spielen, die Glieder strecken", sagt Brueker. Vor allem Leute, die nicht regelmäßig Golf spielen, seien der Auffassung, dass es in erster Linie um den Spaß geht. Doch selbst Profi-Golfer aus anderen Gegenden wären begeistert.

Australien, sagt Golf-Pro Paul Brueker dann noch, sei halt ein Riesenland. Golfplätze gebe es überall, das Spiel sei etwas für jedermann. Und so ist es nicht verwunderlich, dass es für den längsten Golfkurs der Welt zwar alles gibt, was dazugehört, inklusive Scorekarte und Stempel um umgerechnet 44 Euro.

Letztlich könne man die meisten der irgendwo im Outback gelegenen Bahnen aber auch einfach so spielen, wenn man wollte. Will aber niemand. Denn die Urkunde, die es entweder in Kalgoorlie oder Ceduna nach ehrlich bestandenem Kampf mit mehr als tausend Kilometern Wildnis gibt, ist überaus begehrt. Selbst in einem Revier der ehemaligen Edelmetallglücksritter lässt sie sich für wahre Golfer nicht einmal mit Gold aufwiegen. (Michael Marek & Sven Weniger, RONDO, 21.11.2021)