Bild einer Corona-Demo vom Jänner 2021. Auch nächsten Samstag sollen tausende Gegnerinnen und Gegner der Corona-Maßnahmen durch die Wiener Innenstadt ziehen – fehlen wird allerdings Herbert Kickl. Manche seiner Fans vermuten, dass ihm der positive Test untergejubelt wurde.

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In einer kleinen Tiroler Gemeinde etabliert sich laut "Tiroler Tageszeitung" derzeit der Begriff "Corona-Jäger". Allerdings sind damit nicht die Contact-Tracer oder Polizeibeamte, die 2G kontrollieren, gemeint, sondern Leute, die sich absichtlich mit dem Virus anstecken wollen. Das Kalkül dahinter: Als Genesener steht (nach zehn Tagen) der Teilnahme am öffentlichen Leben nichts mehr im Weg – zumindest für sechs Monate, dann läuft der Status ab. Die Impfung kommt für die "Corona-Jäger" nämlich nicht infrage.

Kein lokales Phänomen

Im Bericht des Lokalmediums, der sich auf Aussagen anonymer Gemeindebewohner bezieht, ist auch die Rede von Menschen, die sich – weil der Genesenenstatus bald abläuft – ein zweites Mal anstecken wollen. Und dass die Stimmung in der Gemeinde Heiterwang zwischen Geimpften und Ungeimpften regelrecht toxisch sei. Ein bereits dreimal geimpfter Heiterwanger findet es beispielsweise schade, dass es die erkrankten Impfgegner nicht schlimmer erwischte.

Die Episode aus der kleinen Gemeinde im Außerfern ist sicherlich kein Einzelfall. Dass sich angesichts der Trennung zwischen Genesenen und Geimpften auf der einen Seite und Ungeimpften auf der anderen Seite einige Menschen bewusst infizieren könnten, war von Expertinnen und Experten bereits vor Monaten befürchtet worden. In diversen Gruppen von Corona-Leugnern und Impfgegnern ist die bewusste Ansteckung teilweise wieder Thema.

Auch der Präsident der Intensivmediziner, Walter Hasibeder, sprach am Dienstag im Ö1-"Mittagsjournal" von den Corona-Partys. "Ich kann vor solchen Experimenten nur abraten und Sie bitten, sich in Ihren Bundesländern zu erkundigen, wer alles auf den Intensivstationen liegt", so der Intensivmediziner.

Mit Zitrusfrüchten zum positiven Test

Wer eine Erkrankung vermeiden will, weicht mitunter aus. Aktuell kursiert in den diversen Kanälen eine Sprachnachricht, in der geschildert wird, wie ein PCR-Test "hundertprozentig" positiv ausfallen werde. Dafür solle man Orangen und Zitronen essen beziehungsweise auf die Zunge legen.

Für die ganz eingeschworenen Corona-Leugner ist aber auch diese Strategie kein gangbarer Weg – denn für eine ausgewiesene Erkrankung müssten sie einen PCR-Test absolvieren, den sie ablehnen.

Was online geboten wird

Neu ist das Phänomen nämlich nicht: Bei den sogenannten "Masernpartys" sollen sich Kinder bewusst anstecken – ihre Eltern wollen mit der Erkrankung die Impfung (ein Lebendimpfstoff, der neben Masern auch gegen Mumps und Röteln schützt) umgehen. Die Partys sind kein breites Phänomen – wie wohl jene zur Ansteckung mit Covid auch nur selten vorkommen –, aber für Ärztinnen und Ärzte dennoch Grund zur Sorge. Manche sprechen in dem Zusammenhang auch von Körperverletzung. Aktuell sorgen die Maßnahmen zur Eindämmung von Covid allerdings für einen starken Rückgang bei Masern: Mit Stand 10. August wurden 2021 noch gar keine Fälle registriert, im Vorjahr waren es insgesamt 25. 2019 gab es noch 151 Masern-Fälle.

Noch eine Strategie macht sich derzeit wieder bemerkbar: Auf Online-Verkaufsbörsen suchen Menschen für dreistellige Beträge nach positiven Ergebnissen. "Suche Speichel von aktuell Corona-Positiven, bevorzugt ungeimpft", heißt es in einer Anzeige. Positive Testergebnisse wurden auch im vergangenen Jahr immer wieder online zum Verkauf angeboten. Hier wird es für den oder die Käuferin allerdings schwer bis unmöglich sein, Behörden davon zu überzeugen, dass das Ergebnis das eigene ist. Testhersteller weisen darauf hin, dass solche Weitergaben ausgeschlossen sind und darauf geachtet wurde, solche Fälschungen zu verunmöglichen.

Ivermectin in Oberösterreich "ausverkauft"

Bei den an Covid erkrankten Personen selbst gibt es freilich ebenfalls Eigenheiten in der Behandlung: Herbert Kickl, der aktuell selbst an Corona erkrankt ist, empfahl vor einigen Tagen die Einnahme von Vitaminen, von Paracetamol – aber auch von Ivermectin, das hauptsächlich bei Tieren als Entwurmungsmittel zum Einsatz kommt, beim Menschen in seltenen Fällen aber auch eingesetzt wird, etwa gegen Krätze. Die eindeutige Empfehlung des FPÖ-Chefs dürfte nun Auswirkungen zeigen. So berichtet der Chef der Oberösterreichischen Apothekerkammer davon, dass es bereits zu groben Engpässen komme – und das, obwohl das Medikament rezeptpflichtig ist. Ivermectin sei derzeit "ausverkauft". Auch er selbst habe in seiner Apotheke nachbestellen müssen.

Bei der Österreichischen Apothekerkammer kann man derzeit nicht sagen, ob es sich nur um ein regionales Phänomen handelt. "Weil uns die Apotheken ihren Bestand nicht melden müssen und diesen auch nach Gutdünken selber nachfüllen", sagt ein Sprecher dem STANDARD. Es habe allerdings schon Anfang des Jahres einen regelrechten Hype um das Medikament gegeben, auch weil es in der Slowakei nicht zugelassen war. In der Folge seien ganze Busse nach Österreich gekommen, um sich mit Ivermectin einzudecken. Auch ein Rundruf von "Puls24" in allen Landesstellen der Apothekerkammer zeigt, dass es vor allem eine hohe Nachfrage aus dem Ausland gibt. Ausverkauft ist das Mittel in den anderen Bundesländern demnach aber nicht. Sowohl das Bundesamt für Sicherheit im Gesundheitswesen (Basg) als auch die Europäische Arzneimittelbehörde und die Weltgesundheitsorganisation raten von der Einnahme von Ivermectin bei Corona klar ab.

"Natürlich ist wieder viel Dynamik da", sagt ein Sprecher des Basg. Mit jeder größeren Welle sei das Thema wieder aufgeschlagen, so auch jetzt. "Wir bekommen auch immer wieder Anfragen von Bürgerinnen und Bürgern zu dem Mittel und sehen auch, dass das in diversen Kanälen kursiert – inklusive Falschinformationen." An der Warnung habe sich nichts geändert, sie gelte nach wie vor.

Was Herbert Kickls Fans befürchten

Apropos Herbert Kickl: Auch seine Covid-Erkrankung beschäftigt aktuell Fans und Impfgegner. Da die FPÖ für Samstag eine Großdemonstration gegen die aktuellen Corona-Maßnahmen in Wien angekündigt hat, er wegen seiner Erkrankung aber nicht selbst teilnehmen kann, vermuten einige Absicht dahinter. Kickl solle noch einen Test unter einem falschen Namen machen, denn es handle sich gerade wahrscheinlich um einen Versuch der "Herrschaften", ihn aus dem Verkehr zu ziehen, schrieb eine Person auf Facebook. Andere gratulierten zur Erkrankung, immerhin gelte er dann bald als genesen. Personen, die die Demo vom Samstag mitorganisieren, versichern derzeit, dass der Protest auf jeden Fall stattfinde, auch ohne Kickl. Die FPÖ werde nämlich trotzdem "in geballter Ladung mit von der Partie sein". Zuletzt machte auch der Musiker Xavier Naidoo, der seit langem nur noch mit Verschwörungstheorien und antisemitischen Aussagen auffällt, für die Demo in Wien Werbung. (Lara Hagen, Mickey Manakas, 16.11.2021)