Maßnahmen, die allein auf Freiwilligkeit beruhen, werden nicht ausreichen, sagt die Ökonomin Katharina Mader.

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Schon seit dem 25. Oktober arbeiten Frauen in Österreich statistisch gesehen gratis. Immerhin drei Tage ist der sogenannte Equal Pay Day im Vergleich zu 2020 vorgerückt, doch noch immer verdienen Frauen hierzulande durchschnittlich 18,5 Prozent weniger als Männer – der Gender-Pay-Gap liegt damit deutlich über dem EU-Durchschnitt. Arbeitsminister Martin Kocher (ÖVP) und Frauenministerin Susanne Raab (ÖVP) haben kürzlich ein Projekt vorgestellt, das der Lohnschere in Österreich etwas entgegensetzen soll: Die Initiative "100 Prozent – Gleichstellung zahlt sich aus" richtet sich gezielt an Klein- und Mittelunternehmen (KMUs). Das vom Europäischen Sozialfonds und dem Arbeitsministerium geförderte Projekt bietet Unternehmen eine Beratung zum Thema Gleichstellung, einen Zwischenbericht lieferte man bei einer Pressekonferenz Anfang November.

Park Hyatt Wien hat die Beratungsleistung bereits in Anspruch genommen. "Man glaubt, man macht alles richtig", so Generaldirektorin Monique Dekker bei der Pressekonferenz, doch die externe Beratung hätte neue Impulse für die Gleichstellungsstrategie des Unternehmens geliefert – etwa im Bewerbungsprozess und bei der Lehrlingsauswahl im Hotelbetrieb.

Unter 52 ausgewählten Unternehmen, die bereits an "100 Prozent" teilnehmen, liegt der durchschnittliche Gender-Pay-Gap bei 16,8 Prozent, und auch ein sogenannter Gender-Career-Gap ist auszumachen: Nur 31 Prozent der Führungskräfte sind weiblich – so eine erste Auswertung von Metadaten. "Die gute Nachricht: Die Unternehmen sind durchaus gewillt, mit uns an diesem Thema zu arbeiten", meldete Projektleiterin Elisa Aichinger. "100 Prozent" fokussiert dabei auf eine unternehmensinterne Standortbestimmung, anschließend werden gemeinsam Beratungsinhalte bestimmt: etwa die geschlechtsspezifische Einkommensstruktur oder Karrierewege für Frauen im Betrieb.

Fehlende Rahmenbedingungen

Unternehmen kommt bei der Gleichstellung im Arbeitsleben eine bedeutende Rolle zu – davon ist auch Katharina Mader überzeugt. "Unternehmen verstärken gesellschaftliche Wertvorstellungen und können sie auch verändern. Sie müssen nicht warten, bis die Politik etwas vorschreibt, sie können auch selbst aktiv werden", so die Ökonomin und Referentin in der Abteilung Frauen/Familie der Arbeiterkammer (AK) Wien. So würden gerade Unternehmen in Ländern wie Dänemark oder Island aktiv Gleichstellungsmaßnahmen forcieren – in Sachen Einkommensschere sind sie Österreich weit voraus.

Maßnahmen, die allein auf Freiwilligkeit beruhen, würden jedoch nicht ausreichen, kritisiert Mader. Am Ende des Beratungsprozesses von "100 Prozent" steht ein Reflexionstermin, der auf die Nachhaltigkeit von Gleichstellungsmaßnahmen abzielt. Verpflichtungen entstehen daraus für das Unternehmen jedoch nicht. "Das ist schon ein Weg der Politik, Verantwortung abzugeben, anstatt gesetzliche Rahmenbedingungen zu schaffen", sagt Mader im STANDARD-Gespräch. So habe Österreich großen Nachholbedarf bei der Lohntransparenz, auch eine nach wie vor fehlende flächendeckende Kinderbetreuung sei ganz entscheidend für die Gleichstellung von Frauen am Arbeitsmarkt, betont die Ökonomin.

Gleichstellung sei für Unternehmen auch ökonomisch äußerst sinnvoll, lautete indes eine der zentralen Botschaften von Frauenministerin Raab und Arbeitsministerin Kocher im Rahmen der Präsentation von "100 Prozent". Angesichts eines Fachkräftemangels könne man es sich gar nicht mehr leisten, Gleichstellung auszublenden, Diversity in Teams sorge zusätzlich für mehr Unternehmenserfolg. "Viele Studien belegen tatsächlich, dass Diskriminierung betriebswirtschaftlich ineffizient ist", sagt Mader. Doch Geschlechtergerechtigkeit müsse auch ein gesamtgesellschaftlicher Anspruch sein, betont Mader. Bemühungen einzelner Unternehmen würden zudem wenig fruchten, wenn sich an gesellschaftlichen Strukturen – Stichwort Kinderbetreuung – kaum etwas ändere.

Best Practice

Nicht auf Strukturen, sondern auf die einzelne Mitarbeiterin fokussiert auch die Laufbahnberatung im Rahmen von "100 Prozent". In Einzel- oder Gruppensettings kann ein spezielles Karriere-Coaching gebucht werden. Für zwei Mitarbeiterinnen bei Park Hyatt habe das bereits zu einer Beförderung geführt, berichtete Generaldirektorin Dekker.

"Dass man für einzelne Frauen mit solchen Coachings die Situation verbessert, ist erwiesen", sagt Katharina Mader, "nur ändert das am strukturellen Problem wiederum überhaupt nichts".

Dass Unternehmen wie Park Hyatt ihre Gleichstellungsinitiativen öffentlich bewerben, bewertet die Ökonomin dennoch positiv. "Best-Practice-Beispiele funktionieren durchaus und wirken auch auf andere Unternehmen. Es zeigt: Wir haben etwas getan – und das tut nicht einmal weh."

Das Beratungsangebot von "100 Prozent – Gleichstellung zahlt sich aus" ist völlig kostenlos – noch rund eineinhalb Jahre wird das mit 4,8 Millionen Euro dotierte Programm laufen. (Brigitte Theißl, 17.11.2021)