Das Multiversum in Schwechat.

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Wien/Schwechat – Am Wiener Landesgericht ist am Dienstag der Prozess um mutmaßlichen Förderbetrug im Zusammenhang mit der Mehrzweckhalle Multiversum in Schwechat (Bezirk Bruck a.d. Leitha) eröffnet worden. Zwölf Personen müssen sich in dem Großverfahren, das weit bis ins Jahr 2022 hinein dauern wird, als Beschuldigte verantworten, darunter der frühere Tischtennisweltmeister Werner Schlager und der ehemalige Schwechater Bürgermeister und Nationalratsabgeordnete Hannes Fazekas (SPÖ).

Nachdem Schlager im Jahr 2003 in Paris Weltmeister im Tischtennis-Einzel geworden war, sollte in Schwechat die Werner Schlager Academy als internationales Tischtennis- und Trainingszentrum aufgebaut werden. Angedacht war die Academy als Teil der Veranstaltungs- und Sporthalle Multiversum, wobei die Akademie mit zehn Prozent zur Auslastung beitragen sollte. 50 Prozent sollten allgemeine Sportveranstaltungen, 40 Prozent kulturelle Events beisteuern. Im Februar 2008 erfolgte der Spatenstich für das Großprojekt, doch wie nun die Anlagevertreterin der WKStA (Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft) im Großen Schwurgerichtssaal ausführte, habe bereits wenige Monate nach der Eröffnung eine "große Finanzierungslücke" bestanden: "Es haben viele Millionen gefehlt." Man habe daher um Mittel aus der Bundessportförderung für die Tischtennis- und Mehrzweckhalle angesucht. Dabei habe in Wahrheit gar keine "Förderfähigkeit" bestanden.

"Vorauseilender Gehorsam"

Der damalige Schwechater Bürgermeister Fazekas, sein stellvertretender Stadtamtsdirektor und ein weiterer Proponent der Gemeinde Schwechat sollen im Zusammenhang mit dem Förderansuchen Werner Schlager und dessen früheren Geschäftspartner dazu gebracht haben, tatsachenwidrig die 70-prozentige Nutzung der Halle vorzugeben, wofür von der Sportsektion im Bundesministerium, später vom Ministerium für Sport Millionen begehrt und – so der Tenor der Anklage – erschlichen wurden. Als Tatzeitraum sind die Jahre 2007 bis 2013 inkriminiert, neben den drei Gemeindevertretern, Schlager und seinem Ex-Partner müssen sich fünf Mitarbeiter des Sportministeriums vor einem Schöffensenat verantworten, die unter dem damaligen Minister Norbert Darabos (SPÖ) für die Vergabe beziehungsweise die Kontrolle der Bundessportförderung zuständig waren. Sie sollen laut Anklage in "vorauseilendem Gehorsam" die "politische Befürwortung des Bundesministers" umgesetzt haben, obwohl die rechtlichen Voraussetzungen nicht vorlagen. Die Ermittlungen gegen Darabos wurden 2020 eingestellt. Mitangeklagt wurden allerdings auch die beiden ehemaligen Multiversum-Geschäftsführer. Sämtliche Angeklagte bekennen sich nicht schuldig.

Das Land Niederösterreich hatte für die Halle zunächst eine Subvention in Höhe von 2,8 Mio. Euro gewährt. Das reichte nicht aus, also wurde versucht, den Bund "anzuzapfen". Es wurden mehrere Subventionsanträge gestellt, die laut WKStA aber unrichtige Darstellungen enthielten. So wurde etwa behauptet, die Stadt Schwechat habe sich an der Errichtung beteiligt, es gebe eine weit höhere Landesförderung und es existierten überdies beträchtliche Eigenmittel. Die Anklagevertreterin bemängelte in ihrem Eröffnungsvortrag weiters ein fehlendes wirtschaftliches Gesamtkonzept der Mehrzweckhalle, fehlende Gemeinderatsbeschlüsse und fehlende Haftungs- und Verpflichtungserklärungen.

Die Förderansuchen bezogen sich insgesamt auf 7,8 Mio. Euro. 2,9 Mio. Euro wurden tatsächlich ausbezahlt – "ohne Vorliegen der Fördervoraussetzungen", wie die Staatsanwältin insistierte. Den Angeklagten wird Untreue und schwerer Betrug angekreidet.

Finanzgebarung

In einem weiteren Fakten-Komplex geht es und die Finanzgebarung der Multiversum BetriebsgmbH. Unter anderem sollen der Werner Schlager Academy Betriebskosten in Höhe von rund 400.000 Euro nicht verrechnet und externe Kosten auf Basis von Scheinrechnungen ohne Gegenleistung abgegolten worden sein. Ein Sportverein soll rechtswidrigerweise üppige Darlegen erhalten haben. Dass einer der beiden Geschäftsführer zugleich stellvertretender Schwechater Stadtamtsdirektor war, erleichterte ihm laut Staatsanwältin entsprechende Malversationen. Er soll wiederholt die Unterschrift von Bürgermeister Fazekas eingescannt und damit gefälschte Urkunden produziert haben.

Der Verteidiger von Ex-Bürgermeister Fazekas, Martin Riedl, betonte in seinem Plädoyer zunächst, es sei unrichtig, dass das Multiversum von Anfang an wirtschaftlich nicht tragbar gewesen sei. Dies sei "eine unerträgliche Ex-Post-Betrachtung". Es habe vielmehr umfassende Businesspläne und Studien gegeben: "Das kann man nicht unter den Tisch fallen lassen." Dass Fazekas Malversationen begangen habe, sei falsch. Der mitangeklagte stellvertretende Stadtamtsdirektor habe ohne dessen Wissen Manipulationen vorgenommen und das Vertrauen des Bürgermeisters missbraucht. "Er hat den Boden unter den Füßen verloren und ist in einen Strudel hineingekommen", vermutete Riedl.

Der Rechtsvertreter des Ex-Gemeindefunktionärs und Ex-Multiversum-Geschäftsführers, Roland Kier, verwies auf seine im Vorfeld schriftlich bei Gericht eingebrachte Stellungnahme und verzichtete auf verfahrenseinleitende Ausführungen. Sein Mandant bekenne sich "grundsätzlich nicht schuldig", sagte Kier.

Zusagen für Tischtennis-WM und EM

Die Anwälte der fünf vor Gericht gestellten Ministeriumsmitarbeiter versicherten jeweils, diese hätten kein Verbrechen begangen. Einer sei als stellvertretender Sektionschef in das Ganze "hineingeschubst" worden und habe "keine Möglichkeit gehabt, die Vorgänge zu überblicken", hieß es etwa. Ein ehemaliger Sektionschef ließ seinen Verteidiger erklären, er habe Kunstgeschichte und Germanistik studiert und habe früher als Kriegsberichterstatter für eine Tageszeitung gearbeitet. Er habe nach dem Jobwechsel in die Sportsektion keinesfalls wissentlich seine Befugnisse missbraucht.

Der Verteidiger von Werner Schlager, Robert Auer, kam erst nach einer rund halbstündigen Mittagspause zu Wort. Er wies die Darstellung der WKStA, der Tischtennis-Weltmeister sei "in einen gemeinsamen Tatplan mit der Stadt Schwechat" eingebunden gewesen, auf das Entschiedenste zurück. Schlager sei im Tatzeitraum noch aktiver Sportler, "die Nummer zwölf oder 13 der Weltrangliste" gewesen: "Ihn hat nichts anderes als Sport interessiert. Er war 180 Tage im Jahr unterwegs, in Japan, in Südkorea, in Qatar. Im Tischtennis ist es nicht wie bei den Skifahrern, die zwei Stunden mit dem Auto irgendwohin fahren."

Was die prozessgegenständlichen Förderungen betrifft, sei Schlager an diesbezüglichen Gesprächen nicht beteiligt gewesen, versicherte sein Anwalt. Er habe seinen Namen und die Werner Schlager Academy im Ausland propagiert und Kontakte geknüpft. Insofern sei die ursprünglich geplante 70-prozentige Auslastung des Multiversum durch die Academy "keinesfalls tatsachenwidrig" gewesen, bekräftigte Auer. Schlager habe immerhin die Zusage des ITTF (International Tennis Table Federation) gehabt, eine Tischtennis-WM und eine -EM in Schwechat veranstalten zu können, diverse Nationalmannschaften hätten außerdem die Durchführung ihrer Trainingslager im Multiversum zugesichert gehabt.

"Er hat für politische Überlegungen keine Zeit gehabt, Details zu Förderungen haben ihn nicht interessiert", hielt Auer fest. Schlager sei es vor allem darum gegangen, "den Tischtennis-Sport in Österreich zu fördern".

Die Verhandlung wird morgen, Donnerstag, fortgesetzt. Gleich zu Beginn wird Werner Schlager als Beschuldigter vernommen. Der Schwechater Ex-Bürgermeister Fazekas kommt noch diese Woche zu Wort, die Einvernahmen der Beamten und Vertragsbediensteten finden erst in der kommenden Woche statt. Zehn weitere Verhandlungstermine bis zum 2. Februar 2022 sind bereits auf Schiene. (APA, 16.11.2021)