Es gibt wohl kaum einen geeigneteren Ort als die Biotope City, um über die klimafreundliche Zukunft der Baubranche zu reden. Nur wenige Areale in Wien stehen derart für eine nachhaltige Zukunft, und deswegen eröffnete Andreas Weikhart, Obmann des gemeinnützigen Bauträgers Wien Süd, auch das 71. Wohnsymposium von STANDARD und Wohnen Plus damit, dass klimafreundliches Bauen keine Vision mehr sei – sondern eine konkrete Vorgehensweise.

Illustration: Oliver Schopf

Und diese braucht es auch dringend. Bis 2040 will Österreich klimaneutral sein, so steht es zumindest im Klimaschutzprogramm der Bundesregierung. In bereits neun Jahren soll der Strom zur Gänze aus erneuerbaren Quellen kommen, heißt es im kürzlich beschlossenen Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz. Aber ist das wirklich realistisch?

Der Konsens: Ja – wenn es um den Neubau geht. Hier waren sich die Praktiker größtenteils einig. Ein klimafreundlicher Neubau, der auf ein CO2-armes Bauen und Heizen durch Wärmepumpen, Fernwärme oder Pholtovoltaik setzt, ist zwar teurer und komplexer, aber machbar und gehört fast schon zum guten Ton. Die Probleme liegen woanders – nämlich im Bestand.

Investition für Innovation

500.000 Gasthermen gilt es allein in Wien auszutauschen. Einige davon können an das bestehende Fernwärmenetz angeschlossen werden, sagte Michael Cerveny, Senior Expert am Energy Center der Urban Innovation Vienna. Ernst Bach, Vorstandsdirektor und Obmann der Genossenschaften im Sozialbau-Verbund, schlug vor, diese Einzelheizungen in einem ersten Schritt zu zentralisieren. "Auch wenn das bei den Bewohnerinnen und Bewohnern nicht sonderlich gut ankommt." Wer bezahlt das? Und was ist mit denen, die keinen Zugang zu Fernwärme haben?

Investitionen für Innovationen seien daher das Gebot der Stunde, betonte vor allem Angela Köppl, Senior Economist im Forschungsbereich Umwelt, Landwirtschaft und Energie am Wirtschaftsforschungsinstitut. Dabei sei es wichtig, nicht nur die Energieträger an sich in den Blick zu nehmen. "Die gesamte Wertschöpfungskette ist wichtig, es braucht überall Neuerungen, damit wir unsere Ziele erreichen können."

Dass es konkrete Ziele braucht, darüber waren sich fast alle Vor tragende einig. Die Rufe nach der regulativen Peitsche wurden immer wieder laut, der Mythos des regulierenden Marktes sei nicht genug, die Rahmenbedingungen müsse der Gesetzgeber festlegen. Vor allem die Praktiker schimpften über fehlende Regularien, die, selbst wenn sie jetzt eingeführt würden, zu spät kämen.

Dieser Zwang war auch in der politischen Debatte zwischen Johannes Pressl, Präsident des niederösterreichischen Gemeindebundes, und Julia Herr, Klimabereichssprecherin der SPÖ, ein großes Thema. Während Herr sich für einen unbedingten Zwang zum Klimaschutz aussprach, erinnerte Pressl daran, dass ein Zwang auch immer ein Eingriff in das Eigentumsrecht sei. Er schloss diesen damit aber nicht aus: "Es gibt auch eine Anschlusspflicht an das öffentliche Kanalnetz." Zudem sei der Fachkräftemangel in Österreich ein mögliches Zünglein an der Waage in der Frage, ob die Klimaneutralität erreicht werde oder nicht.

In den Tischgesprächen, bei denen es um die Frage ging, wie man die Problemstellung des Bestandes löst, war ebenfalls oft vom Zwang die Rede. Der Gewinnertisch verglich dieses Verlangen mit dem Brandschutz: "Da ist ja auch allen klar, dass es ein reguliertes Sicherheitskonzept braucht", sagte Tischsprecher Martin Weber, Leiter der Stabstelle Immobilien bei der Erste Bank.

Das Rennen um die Null

Aber auch der immer wieder angesprochene Kulturwandel fand hier wieder Anklang. So schlug ein Tisch vor, die Heizsysteme eines jeden Hauses kenntlich zu machen. "Immerhin brüstet sich jede und jeder mittlerweile auch damit, Plug-in-Hybrid zu fahren. Das müsste es im Heizen auch geben", hieß es da.

Die Vorträge, Wortmeldungen und Diskussionen auf dem Wohnsymposium haben gezeigt: Die Klimakatastrophe ist in den Köpfen der Planerinnen, Bauherren und Entwicklungsteams angekommen. Nur die Politik scheint noch hinterherzuhinken. (Thorben Pollerhof, 18.11.2021)