Martin Pucher sei ein "uneingeschränkter Chef" gewesen, sagte ein Zeuge zur Causa Commerzialbank aus. Aufträge seien ausgeführt worden.

Foto: Matthias Cremer

Wien – Die Vergangenheitsaufarbeitung der Commerzialbank Mattersburg schreitet rasch voran, wie ein in der Causa tätiger Sachverständiger in einem Bericht an die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft schreibt – und sie fördert immer noch Erstaunliches zutage.

Die Mitarbeiter des Instituts, dessen Bilanzen laut Bankchef Martin Pucher und seiner Kollegin K. durch von ihnen erfundenes Geschäft aufgeblasen waren, ordneten sich ihren Chefs unter, hinterfragt haben sie kaum etwas. "Wir als Mitarbeiter durften sehr wenig machen", schilderte ein Schaltermitarbeiter auf die Frage, ob er auf alle Kundendaten Zugriff hatte. Gemünzt war die Frage auf die "Vorstandskunden", die es eben gar nicht gab oder denen die Bankchefs gemäß ihrer Geständnisse Kredite quasi angedichtet hatten.

Schwierige Chefin

Nein, er habe für bestimmte Kunden gar keine Einsichtsrechte gehabt, die seien bei Frau K. gelegen. Und: Bei diesen Kunden, "bei denen wir nichts sehen durften, wurde eine eigene Filialnummer vergeben. Möglicherweise war das die Nummer 57, jedenfalls konnten wir diese Konten nicht einsehen". Das ist insofern interessant, als bereits der erste Whistleblower 2015 FMA und Staatsanwaltschaft auf solche Fake-Konten hingewiesen hatte. Er hatte aber die Zahl 58 als Erkennungsmerkmal genannt. Die Tipps an Aufsichtsbehörde und Justiz liefen damals bekanntermaßen ins Leere.

Gespräche mit der Chefin schilderte ein Ex-Filialleiter als schwierig, oft sei es auf ihre Stimmung angekommen, ob sie ein Thema als kleine Eskapade oder großes Malheur abhandelte. Und: "In 95 Prozent der Fälle war ich froh, wenn ich das Gespräch hinter mich gebracht hatte."

Bargeld ohne Ende

Gefragt hat auch er wenig – selbst dann nicht, wenn es um sehr, sehr viel Bargeld für einen Kunden ging: Bis zu 400.000 Euro habe er auf telefonische Anweisung von Pucher oder K. aus der Kassa genommen, in ein Kuvert gesteckt und den Chefs gebracht. Sie hätten ihm später im Gegenzug einen vom Kunden unterzeichneten Barscheck übergeben.

Besagter Kunde wurde besonders großzügig mit Barem versorgt, schilderte ein anderer Ex-Banker dazu. Zunächst seien einmal im Monat 100.000 bis 200.000 Euro übergeben worden, zum Schluss seien es schon siebenstellige Beträge gewesen. Dieser "Vorstandskunde" war übrigens einer der Sponsoren des Fußballvereins SV Mattersburg, dessen Präsident Pucher ja war. Einen Konnex zwischen dem vielen Bargeld und dem Sponsoring für den inzwischen insolventen Fußballverein bestreitet der Kunde.

Pucher, ein "uneingeschränkter" Chef

Pucher jedenfalls sei der "uneingeschränkte Chef" im Institut gewesen, fasste sein früherer Untergebener zusammen und berichtete, dass der bei Filialleiterbesprechungen "stundenlange Monologe" gehalten habe. Nicht unerwähnt lassen wollte er folgendes Detail: Das Zeiterfassungsgerät im Eingangsbereich der Zentrale in Mattersburg sei videoüberwacht gewesen. Er wolle damit auf den "Kontrollwahn von Pucher und K." hinweisen, so der Zeuge.

Was vielleicht dazu passt: Er wurde 2017 von Pucher gekündigt, die Höhe seiner Abfertigung habe ihn selbst überrascht, wie der Ex-Banker vor den Ermittlern aussagte. Pucher hatte ihnen dazu erklärt, er habe gefürchtet, dass der Mann sonst "auspacken" werde. Ein Trugschluss: Er habe nichts von den Malversationen gewusst, beteuerte der Zeuge. Und: Er habe einen offenen Kredit bei seinem früheren Arbeitgeber, den hätte er wohl umgeschuldet, hätte er etwas gewusst etwas zum Auspacken gehabt. (Renate Graber, 17.11.2021)