Weihnachten steht vor der Tür. Das bedeutet auch doppelte Gehälter. Viele Händler sehen sich damit finanziell überfordert. Quer durch die Branche tönt der Ruf nach Umsatzersatz.

Foto: Regine Hendrich

Wien – Richard Lugner hat Hochbetrieb. Bis zu drei Stunden nehmen Wiener auf sich, um sich in seinem Einkaufscenter impfen zu lassen. Vor allem Junge reihten sich in die langen Schlangen. Für viele sei es ihr erster Stich gegen Corona, erzählt der Unternehmer. An die 500 Impfungen führten die Ärzte in der Lugner City täglich durch. "Und es könnten noch mehr sein, wenn nicht ständig die Computer abstürzen würden." Um die elektronischen Gesundheitsakten zu bewältigen, rüstete die Impfstraße mit zusätzlichen Rechnern auf.

Der bundesweite Lockdown für Ungeimpfte bringe Leute reihenweise dazu, sich doch noch piksen zu lassen, sagt Lugner mit Blick ins Getümmel. Es sei der derzeit wohl einzige Weg, um die Krise zu überwinden. Ab dem Moment einer generellen Ausgangssperre wäre es damit allerdings vorbei, ist er sich sicher. "Denn welche Vorteile sollten Geimpfte dann noch haben?"

"Wer soll das kontrollieren?"

Lugner geht davon aus, dass die härteren Restriktionen die Umsätze seines Shoppingcenters schmälern. Einbußen von 35 Prozent und mehr erwartet er jedoch nicht. Dafür seien schon zu viele rund um seine City geimpft. Was Kontrollen anbelangt, gibt er sich keiner Illusion hin. "Wir haben 15 Eingänge und 20 Geschäfte, in denen auch Ungeimpfte einkaufen dürfen. Wer soll das kontrollieren?" Klar, es sei immer wieder auch die Polizei im Haus. Aber dabei den Überblick zu wahren sei weder ihr noch einzelnen Händlern zumutbar.

Nur fürs Leben wirklich Notwendiges dürfen Ungeimpfte seit dieser Woche stationär erwerben. So will es die neue Verordnung. In der Praxis führen Supermärkte ein ebenso breites Sortiment an Non-Food wie manch Drogeriemarkt. "Wir können unser Sortiment nicht räumlich abgrenzen", stellt Spar-Srecherin Nicole Berkmann klar. "Und wir wissen auch nicht, wer was bei uns einkauft." Den Impfstatus der Kunden zu kontrollieren, dazu sei der Handel nicht in der Lage. Vermehrte Frequenz in Lebensmittelgeschäften zulasten der Fachhändler beobachte Spar dieser Tage nicht.

600 Oberösterreicher lassen sich derzeit täglich in der Linzer Plus City impfen. Vor dem Lockdown waren es gerade einmal 150, rechnet Thomas Heidenhofer, Geschäftsführer des Shoppingcenters, vor. Auch Peter Schaider, Betreiber der Wiener Einkaufszentren Riverside und Auhof, sieht in seinen Impfstraßen regen Zulauf. Schaider berichtet über Polizeikontrollen – Verstöße habe es bisher nicht gegeben. "Unsere Kunden sind zivilisiert." Auch er sieht Shoppingcenter wie Händler außerstande, Geimpfte von Ungeimpften zu trennen. "Soll ein Verkäufer Kunden, die eine Uhr kaufen wollen, vor die Tür weisen und ihnen raten, bei Amazon zu bestellen?"

Laufkundschaft fehlt

Der Lockdown für Ungeimpfte treibt die Umsätze des Internetkonzerns jedenfalls weiter kräftig an. Daran lässt Harald Gutschi, Chef des größten österreichischen Onlineanbieters Unito, keinen Zweifel. Spontane Einkäufe, von denen der stationäre Einzelhandel lebe, fehlten, sagt er. Abgesehen davon, dass sich 80 bis 90 Prozent der Menschen an vorgegebene Regeln hielten.

Seit den Lockdowns im vergangenen Jahr hätten viele Händler online aber hinzugelernt und entsprechende Geschäftsmodelle ausgebaut, ist Gutschi überzeugt. "Die Lücke zu Amazon ist kleiner geworden." Die nunmehr finanziell wirklich Leidtragenden seien Unternehmen ohne jegliches Internetangebot.

Quer durch die Branche tönen seit Tagen laute Rufe nach weiteren staatlichen Hilfen. In einem offenen Brief an VP-Finanzminister Gernot Blümel fordert der Handelsverband im Namen von Händlern wie Thalia, Fussl, Kika/Leiner, Hartlauer und Libro unter anderem einen neuen Ausfallsbonus für alle von der Krise betroffenen Unternehmen. Als Berechnungsbasis müssten die Umsätze aus dem Vorkrisenjahr 2019 herangezogen werden. Vor allem aber brauche es zeitnahe Unterstützung. (Verena Kainrath, 17.11.2021)