Wer über 50 Jahre alt ist, wird seltener gekündigt. Verliert man in dem Alter aber doch den Job, ist kaum wieder einer zu finden.

Foto: Harald A. Jahn

Im ersten Quartal des kommenden Jahres will Arbeitsminister Martin Kocher gemeinsam mit den Sozialpartnern die "Arbeitslosenversicherung neu" vorstellen. Dass der Weg dort hin nicht nur mit politischen, sondern auch ökonomischen Stolpersteinen gepflastert ist, zeigte eine Podiumsdiskussion am Dienstag. Gemeinsam mit Wifo-Chef Gabriel Felbermayr und dem designierten IHS-Chef Lars Feld diskutierte Kocher eine lange Liste an Baustellen am österreichischen Arbeitsmarkt: Mismatch zwischen Arbeitslosen und offenen Stellen, Altersteilzeit, Zumutbarkeitsregelungen, Integration, Effizienz des AMS.

Vorab die Frage, warum es überhaupt eine Reform der Arbeitslosenversicherung braucht. Einerseits sollen durch eine neue Ausgestaltung mehr Menschen einen Job finden, andererseits ist sie defizitär. Das hängt auch damit zusammen, dass die Arbeitslosenversicherung zum Teil Leistungen abdeckt, die streng genommen nicht im Sinn der Sache sind.

So wird etwa die Bildungskarenz durch Gelder aus der Arbeitslosenversicherung gedeckt. Besonders in der Krise galt die Bildungskarenz als beliebt, der Arbeitgeber spart sich Lohn- und Weiterbildungskosten, und die Versicherung "zahlt" den Angestellten. Eigentlich ist die Idee, dass Arbeitgeber und -nehmer Beiträge (je drei Prozent des Bruttoentgelts) einzahlen, um im Falle des Jobverlusts abgesichert zu sein. Für ein Jahr bekommen Arbeitslose rund 60 Prozent des letzten Netto-Bezugs plus Familienzuschlag.

Saisonarbeitslosigkeit

Im Tourismus, der Gastronomie oder am Bau werden Saisonarbeitskräfte oft und gern vorübergehend in die Arbeitslosigkeit geschickt und zurückgeholt, wenn das Geschäft wieder anläuft. Das ist nicht zweckfremd, doch Unternehmen sparen ebenfalls Geld, und die Versicherung wird belastet. Ob sich im Rahmen der Reform daran etwas ändern soll, lässt Kocher noch offen. Ein Thema, dem er sich aber nun doch widmen möchte, ist die Altersteilzeit.

Zwar sprach der Arbeitsminister Anfang Oktober davon, die Altersteilzeit unangetastet zu lassen, am Dienstag meinte er jedoch, sie gehöre noch einmal angeschaut: "Das Blocken ist ein Punkt, der nicht ganz im Sinne der Erfindung der Altersteilzeit ist", da es um Teilzeit gehe, wenn man nicht mehr voll arbeiten könne oder wolle. In Österreich befinden sich aktuell rund 37.000 Menschen in Altersteilzeit, ein Viertel nimmt sie laut Arbeitsministerium geblockt in Anspruch.

IHS-Chef in spe Lars Feld kann der Altersteilzeit gleich gar nichts abgewinnen. Die Vorruhestandsregeln seien "schädlich für den Arbeitsmarkt", besser wäre es, wenn Menschen so lange arbeiten, wie sie können. Ein weiteres Problem sieht er in einem automatischen Anstieg der Löhne im Alter. Dieses Senioritätsprinzip führe dazu, dass ältere Menschen mehr kosten als jüngere.

Kündigung im Alter

Felbermayr fordert deswegen einen "kulturellen Wandel", es müsse gegen Ende der Arbeitszeit auch eine Phase geben, in der man weniger verdienen kann. Zwar würden über 50-Jährige seltener gekündigt, wer im Alter aber den Job verliert, hat die geringsten Chancen, wieder einen zu finden, ergänzte Kocher. Um gleich darauf zu verweisen, dass er in diesem Punkt wenig Einfluss habe. Lohnkurven seien eine Entscheidung der Sozialpartner.

Massenarbeitslosigkeit wie in Deutschland im Jahr 2005 fürchten die drei hierzulande nicht, immer problematischer gestaltet sich jedoch die Mismatch-Situation – die Kluft zwischen offenen Stellen und dem Angebot an Arbeitskräften. Kocher erwartet mehr Flexibilität von Arbeitslosen: "Es geht nicht immer um die Distanz Wien–Tirol. Aber vorübergehend von Wien nach Mödling oder Baden zu pendeln sollte drin sein." Konkreter wurde er bei dem Thema nicht.

Arbeitgeber sind gefragt

Bei einem waren sich alle einig. Es geht nicht ohne Mithilfe der Arbeitgeberseite. Es brauche mehr "Verbindlichkeit" bei den Jobgesprächen. Wenn es für Firmen bequemer sei, Arbeitsunwilligen schnell einen Stempel zu geben, statt mit dem AMS zusammenzuarbeiten, dann werde eine Reform schwierig.

Unterm Strich müsse die Vermittlung einfach schneller gehen. Könnte man die Dauer um zehn Tage verkürzen, gäbe es "riesiges Einsparungspotenzial", das Geld könnte für schwer vermittelbare Menschen genutzt werden. Felbermayr verwies darauf, dass Ökonomen gern theoretische Modelle entwickeln würden, aber letztlich entscheide oft die Qualität der konkreten Vermittlung im AMS, nicht die Theorie. Im Arbeitsministerium bleibt einiges zu tun. (Andreas Danzer, 16.11.2021)