Zumindest eines ist unumstritten: Der Akku ist eine der wichtigsten Komponenten eines Smartphones. Immerhin bringt der schnellste Prozessor, der schönste Bildschirm wenig, wenn er sich mangels Stromversorgung nicht nutzen lässt. Leider schreitet die technische Weiterentwicklung in diesem Bereich nicht ganz so schnell voran, wie es viele gerne hätten. Zwar gab es in den vergangenen Jahren – entgegen einem weitverbreiteten Eindruck – sehr wohl deutliche Fortschritte, diese werden aber üblicherweise umgehend durch gewachsene Hardwareanforderungen, aber auch durch stetig wachsende Nutzungszeiten aufgefressen. Insofern hat sich für die Nutzer in den vergangenen Jahren eigentlich recht wenig geändert: Der Akku reicht üblicherweise für einen Tag, bei zwei wird es dann meist schon knapp – alles natürlich stark abhängig vom eigenen Nutzungsverhalten und anderen individuellen Faktoren.

Schnell, schneller, am schnellsten

Aber zumindest bei einem Punkt überbieten sich die Hersteller in den vergangenen Jahren mit immer neuen Rekorden: der Geschwindigkeit, mit der die Akkus aufgeladen werden. Das ist prinzipiell einmal zu begrüßen, gibt es doch fraglos Szenarien, in denen das Schnellladen nützlich ist. Wer etwa bei einer kurz bemessenen Zwischenlandung auf einem Flughafen mit einem fast leeren Akku ankommt, der freut sich sicher, wenn dem Smartphone innerhalb von ein paar Minuten signifikant mehr Laufzeit verpasst werden kann. Und doch gibt es derzeit nur wenige Themen rund um das Smartphone, bei denen Hype und reale Nützlichkeit in einem ähnlich groben Missverhältnis stehen – und bei dem zum Teil auch noch ziemlich unverschämt geschummelt wird. Im Folgenden ein Versuch, ein paar fundamentale Punkte zum Thema Schnellladen klarzustellen.

Proprietäre Lösungen

Beginnen wir mit dem offensichtlichsten aller Probleme: Bei vielen Schnellladetechnologien handelt es sich um proprietäre Technologien der jeweiligen Hersteller: Ob "Warp Charge" von Oneplus, "Super Vooc" von Oppo oder "Hyper Charge" von Xiaomi, wer die versprochenen Ladezeiten bekommen will, der muss auch das jeweilige Ladegerät mithaben. Da ist dann nichts mehr mit der Hoffnung auf den einen Charger, mit dem sich vom Laptop bis zum Smartphone oder Earbuds alles optimal laden lässt. Zwar lassen sich diese Smartphones üblicherweise auch mit dem offiziellen USB-PD-Standard laden – aber eben erheblich langsamer, womit all die versprochenen Ladegeschwindigkeiten Makulatur sind. Zwar gibt es auch Hersteller, die auf offiziellen Standards basierendes Schnellladen anbieten – etwa Samsung oder Google –, aber das kann dann natürlich nicht mit den proprietären Techniken der einzelnen Hersteller mithalten.

Der Wettlauf ist noch nicht an seinem Ende angekommen, Xiaomi hat etwa bereits 200-Watt-Fast-Charging vorgezeigt.
Foto: Xiaomi

Was all das noch einmal komplizierter macht, ist die verworrene Realität von USB-C, die an dieser Stelle schon einmal ausführlich Thema war. Kurz gesagt: Um optimale Ladegeschwindigkeiten zu erreichen, bedarf es nicht nur eines entsprechenden Ladegeräts, sondern auch des passenden Kabels. Das Problem dabei: Ob ein Kabel passend ist, lässt sich nicht so einfach sagen, man kann also nicht einfach irgendeines aus der Lade nehmen. Abhilfe könnten dabei aktuelle Bestrebungen Googles bringen, über die der Linux-Kernel – und damit in der Folge auch Android und Chrome OS – detaillierte Informationen dazu erhalten soll, wie es überhaupt mit der Stromversorgung aussieht. Bis das spruchreif ist, wird aber wohl noch einige Zeit vergehen. Bis dahin geben eigentlich nur externe Messgeräte eine genaue Auskunft darüber, wie schnell ein Gerät auflädt.

Irreführende Angaben allerorten

Apropos: Wer die Stromaufnahme eines ladenden Smartphones misst, der wird schnell bemerken, dass hier so manches nicht mit den Angaben der Hersteller zusammenpasst. Diese schummeln nämlich zum Teil bei ihren Versprechungen recht unverschämt – oder erzeugen zumindest mit kreativen Formulierungen falsche Erwartungen. Zuletzt sorgte dieser Umstand etwa rund um Googles Pixel 6 Pro für Schlagzeilen, das in Messungen nie über eine Ladeleistung von 23 Watt hinauskommt, obwohl in der Bewerbung von 30 Watt die Rede war. Wer genau nachliest, wird allerdings bemerken, dass Google die entsprechende Passage geschickt formuliert hat, sämtliche konkreten Watt-Werte beziehen sich nämlich nicht auf das Smartphone selbst, sondern auf das Ladegerät. In einem Foreneintrag bestätigt Google mittlerweile auch die reale Ladeleistung. Leider sind solche Tricksereien in der Branche auch nicht unüblich. So verspricht etwa auch Xiaomi für sein "Hyper Charge" 120 Watt, in Wirklichkeit geht die Ladeleistung aber nie über 97 Watt hinaus.

All das fügt sich in ein generell ziemlich unerfreuliches Bild in Hinblick auf die Bewerbung solcher Technologien ein. Anstatt einfach zu schreiben, wie lange die vollständige Aufladung eines Smartphones dauert, verweisen die Hersteller lieber auf die bereits erwähnten, aber ziemlich irreführenden Watt-Werte. Das Problem dabei: Es handelt sich bei all dem um Spitzenwerte, die nur für einen sehr kurzen Zeitraum erreicht werden. Um bei Xiaomi zu bleiben: Beim Mi 11T Pro werden die erwähnten 97 Watt gerade einmal für etwas mehr als eine Minute erreicht, wie eine Messkurve von Andrei Frumusanu von Anandtech zeigt. Danach sinkt die Ladeleistung rasant ab.

Ein Spiel mit dem Feuer

Das ist auch nicht weiter verwunderlich: Der Smartphone-Akku würde eine solch hohe Ladegeschwindigkeit auf Dauer nicht vertragen, er würde schlicht überhitzen und im schlimmsten Fall in Flammen aufgehen. Schnellladen ist also immer auch der Versuch, die physikalischen Gegebenheiten so halbwegs im Griff zu halten. Im Umkehrschluss heißt das aber natürlich, dass man bei den direkten Vergleichen der Herstellerwerte besonders vorsichtig sein muss. Ein Smartphone mit einem 120-Watt-Charger ist nicht einmal annähernd doppelt so schnell aufgeladen wie eines mit 60 Watt – und je höher diese Werte werden, desto geringer wird der reale Unterschied. Der konstante Abfall der Leistung im Ladevorgang ist auch der Grund dafür, dass die Hersteller gerne Ausschnittswerte nennen, also etwa wie lange es dauert, den Akku halbvoll zu füllen, da im unteren Bereich eben das Laden erheblich schneller erfolgen kann, ohne dauerhafte Beschädigungen auszulösen – oder zumindest diese in einem gewissen Bereich zu halten.

Von "irreführend" zu "offen gelogen"

Die Frage, wie schnell ein Smartphone bei 50 Prozent ist, hängt natürlich nicht zuletzt davon ab, wo man den den 100-Prozent-Wert anlegt. Nun könnte man meinen, dass das eine einfache Frage ist, immerhin ist der Akku voll, wenn er voll ist. Sollte man meinen, leider schummeln auch in diesem Punkt viele Hersteller. Und zwar indem die Geräte schlicht 100 Prozent Ladung vermelden, wenn das Gerät noch gar nicht voll ist. Als besonders deutliches Beispiel verweist Frumusanu auf das ZTE Axon 30 Ultra, das nach rund 34 Minuten vermeldet, vollgeladen zu ein – und in Wirklichkeit noch nicht einmal bei 90 Prozent angekommen ist. Bis dann der Ladezyklus wirklich zu Ende ist, vergehen dann noch einmal rund 20 Minuten. Generell bedienen sich gerade chinesische Hersteller solcher Tricks, während sich etwa die Geräte von Google oder Samsung sehr nahe an die Realität halten – was dann auch erklärt, warum etwa das Pixel 6 Pro bei einer Messung der gesamten Ladezeit unverhältnismäßig schlecht abschneidet. Der Hersteller ist in diesem Fall einfach ehrlicher, zumal es eben die letzten paar Prozent sind, die einen guten Teil der gesamten Ladezeit eines Geräts ausmachen.

Schlechter für den Akku

Dann wäre da noch ein Punkt, über den die Hersteller weniger gern reden: Schnellladen ist schlicht schlecht für den Akku, er altert schneller und verliert auch flotter an Kapazität. Es ist kein Zufall, dass ausgerechnet große Firmen wie Apple, Samsung oder eben auch Google nicht bei diesem Wettlauf der Ladeleistung mitmachen – und lieber umgekehrt vieles tun, um den Akku aktiv zu schonen. So können etwa manch aktuelle Smartphones über die Nacht die Ladeleistung gezielt reduzieren, damit das Gerät passend zum Wecker in der Früh aufgeladen ist – aber eben so schonend wie möglich. Oder aber sie stoppen automatisch irgendwo in der Region um 80 Prozent, um ebenfalls den Stress auf den Akku zu minimieren.

Damit überhaupt so hohe Ladeleistungen wie 120 Watt – oder halt in der Realität 97 Watt – möglich sind, bedienen sich die Hersteller übrigens zunehmend eines Tricks: Der Akku wird in mehrere Teile gespalten, es werden also eigentlich zwei Akkus parallel geladen. Das ist eine durchaus kluge Überlegung, hat aber natürlich auch Nachteile. Diese Trennung geht auf die Kapazität des Akkus, dieser braucht also entweder noch mehr Platz und Gewicht – oder die Maximalladung fällt geringer aus. Übrigens gilt das mit der Kapazität abgeschwächt generell für Schnellladetechniken, da durch die stärkere Belastung auch die Trennwände zwischen den positiven und negativen Polen dicker ausfallen müssen, damit der Akku stabil bleibt.

Einfach nicht das Wichtigste

All das soll nicht heißen, dass Schnellladetechnologien sinnlos sind. Wie schon einführend erläutert, gibt es natürlich Szenarien, wo so etwas Sinn ergibt. Gleichzeitig ist der Hype rund um dieses Thema aber schwer nachvollziehbar, zumal es eben auch zahlreiche Nachteile gibt. Zumindest sollte man aber eben beim Smartphone-Kauf mitbedenken, dass viele der getätigten Versprechungen der Hersteller irgendwo zwischen "irreführend" bis schlicht "unrichtig" changieren, und lieber andere Faktoren bei der Wahl des nächsten Smartphones in den Vordergrund stellen. Oder zumindest mitbedenken, dass die Langlebigkeit eines Akkus von ebenfalls nicht zu unterschätzender Wichtigkeit ist – und diese eben im Widerspruch zu besonders schnellem Laden steht. (Andreas Proschofsky, 20.11.2021)