Eine Teilansicht der recht umfangreichen Riege an Angeklagten und Rechtsvertretern beim Betrugsprozess um das Schwechater "Multiversum".

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Wien – Dass die Stadtgemeinde Schwechat im Bezirk Bruck an der Leitha die "Sporthauptstadt" Österreichs ist, überrascht vielleicht etwas. Doch genau dieser Begriff findet sich in einer Mail an den damaligen Bundeskanzler Alfred Gusenbauer (SPÖ), die der Politiker im Juni 2007 von Werner Schlager, dem Tischtennisweltmeister von 2003, erhielt. Der Spitzensportler pries sein "visionäres Projekt" eines Tischtenniszentrums in Schwechat an – und wollte staatliche Fördermittel dafür. Was ihn und elf weitere Angeklagte wegen versuchten schweren Betrugs und Untreue vor einen Schöffensenat unter Vorsitz von Claudia Moravec-Loidolt gebracht hat. Die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) ist überzeugt, dass versucht wurde, sich Millionen Euro an Förderungen betrügerisch zu erschleichen.

Es geht um das "Multiversum", einen Komplex aus zwei Hallen in Schwechat. Im Jahr 2005 kam ein Mitangeklagter, der ehemalige Sportjournalist S., zu ihm und fragte, was Schlager von der Idee einer Trainings- und Wettkampfhalle, "die vielleicht auch deinen Namen trägt", halte, erinnert sich Schlager. Im Endeffekt entstand daraus die "Werner Schlager Academy" (WSA), deren englischen Namensbestandteil die Vorsitzende ziemlich konsequent als "Akademie" ausspricht. Der Plan war, ein 24 Stunden täglich benutzbares Trainingszentrum für Tischtennisspieler zu errichten. "Es wird immer größer und größer", habe S. ihm dann während der Projektierung gesagt – neben der eigentlichen Trainingshalle sollte auch eine Mehrzweckhalle errichtet werden, in der Sport- und andere Veranstaltungen stattfinden sollten.

Vorformuliertes Schreiben an Bundeskanzler

"Bis zu 70 Prozent Auslastung" könnte die zweite Halle künftig aufweisen, findet sich im Schreiben an den Bundeskanzler, das laut Schlager von S. formuliert worden war. "Und wie viel war die Mehrzweckhalle von der WSA wirklich ausgelastet?", fragt die Vorsitzende. "Über das Jahr gesehen so zehn Prozent", gibt Schlager zu. Damals seien ihm die 70 Prozent durchaus plausibel erschienen, beharrt er. Aber mit Geldfragen habe er sich eigentlich überhaupt nicht befasst, das sei Aufgabe von S. gewesen, der auch als Geschäftsführer und Hälfteeigentümer der WSA, die zu einem Drittel am "Multiversum" beteiligt war, agierte.

"Ich war einfach nur Sportler", betont der Ex-Weltmeister. "Ihre sportliche Einstellung in Ehren – aber dass Ihnen das alles so wurscht war? Sie hätten ja mit dem Geld auch übrig bleiben können?" – Schlager beruft sich auf die damaligen Aussagen von S.: Der Hallenkomplex werde von Land und Bund finanziert, Schwechat werde den Betrieb übernehmen.

"War die Halle ein Prestigeprojekt für Schwechat?", will Moravec-Loidolt an anderer Stelle vom Spitzensportler wissen. "Sicher", gibt der sich überzeugt. "Sind Sie noch immer mit S. befreundet?", lautet eine weitere Frage. "Ich habe ihm verziehen, befreundet sind wir nicht mehr." – "Was verziehen?" – "Dass er Untreue gegen mich begangen hat." Die WSA ist nämlich 2015 in Konkurs gegangen, laut Schlager wegen der Geschäftsführergebarung von S., über den Schlager auch sagt: "Er kann Leute begeistern." Zu den angeklagten Förderansuchen an das Sportministerium kann Schlager nichts sagen: "Ich habe dazu keine Wahrnehmung", verwendet er einen Stehsatz der heimischen Innenpolitik.

Vier Anträge mit unterschiedlichen Fördersummen

Die Förderansuchen sind ein Kernpunkt der Anklage, und sie interessieren auch die Vorsitzende, die sich vom nächsten Angeklagten Auskunft erhofft. Der war einerseits Vertragsbediensteter der Stadt Schwechat und andererseits Funktionär in der Sportvereinigung Schwechat. "Warum gibt es vier Anträge um Bundesförderung?", fragt Moravec-Loidolt. "Ich kann darüber nur spekulieren, aber Ministerien verfeinern die Anforderungen immer wieder, dann sind vielleicht neue Formulare notwendig, weil mehr verlangt wird", spekuliert er.

Das werde wohl nicht der Grund sein, verweist die Vorsitzende auf die vier Anträge: Der erste stammt vom 9. Juni 2008 und beinhaltet eine begehrte Fördersumme von 7,9 Millionen Euro. Zehn Tage später gibt es einen neuen Antrag: Diesmal werden zehn Millionen Euro gewünscht. Im Herbst 2009 kommt der dritte, nun hätte man gerne etwas über acht Millionen Euro. Alle drei Anträge beziehen sich auf das gesamte "Multiversum" – erst der vierte und letzte, über 2,8 Millionen Euro, lediglich auf die WSA. Für die Anklägerin der WKStA liegt damit der Verdacht nahe, dass sich bereits bald nach dem Spatenstich 2008 gezeigt habe, dass die Geschäftspläne zu optimistisch sind und das "Multiversum" ein Millionengrab wird – daher habe man den Bund prellen wollen.

Das bestreiten alle Angeklagten, darunter auch Mitarbeiter des damals von Norbert Darabos (SPÖ) geleiteten Sportministeriums, der frühere Schwechater Bürgermeister Hannes Fazekas (SPÖ) und weitere Gemeindevertreter, vehement. Der angeklagte Sportfunktionär gerät vor Gericht ins Schwärmen: "Das war ein perfekt durchgeplantes Zentrum!", betont er und illustriert die Behauptung mit der Tatsache, dass 42 Kilometer Kabel von Trainingsgeräten zum sportmedizinischen Labor verlegt worden seien, um in Echtzeit Sportlerdaten erheben zu können.

Frage nach Projektfinanzierung

"Wir sind beeindruckt", reagiert Moravec-Loidolt ironisch. "Aber wie sollte es finanziert werden? 42 Millionen Euro? Schwechat allein? Wohl eher nicht", kommt sie auf die Baukosten des Multiversums zu sprechen. Es sei gänzlich normal, dass bei solchen Projekten bei Bund und Land um Förderungen angesucht werde, verteidigt sich dieser Angeklagte. Vom Land Niederösterreich habe es auch 2,8 Millionen Euro Förderung gegeben.

Auch er bestreitet jede Betrugsabsicht und beteuert, er habe eine 60-prozentige Auslastung für absolut möglich gehalten. Schließlich sollte ein "Weltzentrum" entstehen, in das ganz Europa und auch Asiaten zum Tischtennistraining kommen sollten. Mitglieder der Gemeinde hätten sogar eine Fact-Finding-Mission nach China unternommen, um eine Partnerstadtvereinbarung zu treffen und sich von der Popularität der Sportart im Fernen Osten zu überzeugen.

Der auf mindestens 16 Verhandlungstage bis Februar 2022 anberaumte Prozess wird am Freitag fortgesetzt. (Michael Möseneder, 17.11.2021)